Daniel de Roulet: Zehn unbekümmerte Anarchistinnen

Zehn Schweizerinnen machen sich nach Patagonien auf, um dort in Freiheit zu leben. Nur eine bleibt übrig, um von diesem anarchistischen Experiment zu erzählen.

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Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

Uns alle beeindruckte der Feuereifer eines jungen, italienischen Anarchisten, den sie Benjamin nannten. Er war erst 18 Jahre alt und hing an den Lippen von Bakunin, der achtundfünfzig Jahre alt war, von denen er zehn im Gefängnis verbracht hatte. Eines Abends erzählte der russische Prinz im Café de la Place von seiner Flucht aus Sibirien, wohin er deportiert worden war. Er war über Japan, Kalifornien, New York geflohen, bevor er nach London zurückgekehrt war, um mit Karl Marx zu streiten, dessen Bücher er ins Russische übersetzt hatte. Benjamin spendierte die Runde, sagte, es sei ganz natürlich, für eine Idee um die Welt zu reisen.“

Daniel de Roulet, „Zehn unbekümmerte Anarchistinnen“

Sie träumen von der Freiheit und der Liebe, lassen sich von „Julie oder Die neue Heloïse“ zu Tränen rühren und spüren vor allem, dass das Leben, das sie in ihrem Tal im Berner Jura fristen, so weder in Ordnung noch gerecht ist. Zehn junge Frauen, die sich zu zehn „unbekümmerten Anarchistinnen“ entwickeln. Sie wollen der Enge und Armut ihrer Heimat entfliehen, der Ausbeutung durch die Uhrmacherindustrie, der politischen Unterdrückung und der Kontrolle durch die Kirchenvertreter. Am anderen Ende der Welt wollen sie ihr Glück suchen und dort – zunächst in Patagonien, dann auf einer Pazifikinsel und am Ende in Buenos Aires – ihren Traum von einem freien Leben ohne Autoritäten und ohne Ungleichheit leben.

Am Ende bleibt nur eine übrig, um vom großen Experiment zu berichten: Die spröde, skeptische Valentine, die als Erzählerin in chronologischer Reihenfolge von den einzelnen Stationen der Gruppe berichtet. Überall dort, wo die Frauen ankommen, versuchen sie ihre Utopie vom Zusammenleben in Freiheit zu leben. Sie, die in der Uhrenindustrie in Saint-Imier als billige Arbeiterinnen ausgebeutet wurden, gründen in Südamerika eine Bäckerei, eine Uhrmacherwerkstatt, schlagen sich mit wechselnden Jobs durch – aber sie stehen auf eigenen Füßen. Manche von ihnen lieben Frauen, manche wechseln ihre Liebhaber ständig, andere, wie Valentine, trauern einem Phantom hinterher. Doch all dies ist erlaubt, wird akzeptiert: Platz ist für jeden in dieser Gruppe.

Nur eine Frau bleibt übrig

Doch analog zum Kinderlied von den „ten little Injuns“ geht bei jedem Kapitel eine der unbekümmerten Anarchistinnen verloren. Die meisten der Frauen sterben, werden ermordet, überleben Schwangerschaften, Krankheiten, Epidemien und Revolutionsmärsche nicht. Kann man da von einem gelungenen Experiment sprechen? Die 64jährige Valentine, die Übriggebliebene, schreibt Jahre später darüber, will davon erzählen, „was es kostet, die Welt neu zu erfinden.“ Sie, die sich als Berichterstatterin versteht, will ein Zeugnis ablegen:

„Uns liegt weder an Spott noch an Glorifizierung. Einfach unsere Portraits, unsere Liebesgeschichten, unsere Überzeugungen, keine Urteile, keine Übertreibungen. Eher eine Art politisches Testament, also eine ernste Sache. Wie Sie sehen werden, hatten wir alle ein ausgefülltes Leben.“

Die nüchterne Erzählerin weiß:

„Wir hatten eine zufriedenstellende Lebensform gefunden oder fast. Denn man weiß ja, dass ein befreiter Raum nur etwas Vorübergehendes sein kann. Solange Anarchie nur in einer kleinen Gemeinschaft gelebt wird, bleibt die Welt ringsum bedrohlich.“

Insofern ist das Experiment für die Frauen, zwischen 17 und 31 Jahre alt, als sie aus der Schweiz aufbrechen, gescheitert – immer wieder stoßen sie auf ihren Stationen an Grenzen stoßen, von staatlicher und männlicher Autorität errichtet, immer wieder müssen sie von vorne beginnen. Halt gibt ihnen die Solidarität unter Frauen:

Mehrere von uns Frauen taten sich zusammen, um zu schreiben. Wir wollten zeigen, dass wir auch etwas im Schädel und nicht nur im Bauch hatten. Mathilde formulierte ein paar Dinge sehr deutlich: „Nur die soziale Revolution vermag den Klerus, die Regierung, die Herrschaft, den Kapitalismus, die Gesetzbücher, die Richter und Staatsanwälte und das ganze Faulenzerpack zu beseitigen, das nichts produziert und auf unsere Kosten von allen profitiert.“

Der Schriftsteller Daniel de Roulet erzählt diesen kleinen Roman auf der Basis historischer Begebenheiten: Tatsächlich war das Zentrum der Schweizer Uhrenindustrie zeitweilig auch das Zentrum der internationalen anarchistischen Bewegung, tatsächlich trugen viele Schweizer Emigranten die anarchistische Utopien in die Welt hinaus.

Reale Ereignisse als Hintergrund

Die Ausgangshandlung basiert auf wirklichen Geschehnissen: 1872 kamen auf Einladung der Arbeiterorganisation „Juraföderation“ in St-Imier im Berner Jura die Delegierten der antiautoritären Gruppierungen zusammen, dabei wurde die „Antiautoritäre Internationale“ gegründet. Dies war eine Reaktion auf den Kongress der Ersten Internationalen, bei dem es Karl Marx gelungen war, Anarchisten wie Bakunin auszuschliessen. Bis heute ist Saint-Imier übrigens die einzige Gemeinde in der Schweiz mit einer anarchistisch-kommunalistischen Gemeindeführung und war 2012 Schauplatz einer erneuten antiautoritären Internationalen. Marianne Enckell, Archivarin und Bibliothekarin des Lausanner „Centre International de Recherches sur l’Anarchisme“, erinnerte in diesem Zusammenhang an die Anfänge:

„1869 kommt Bakunin nach Le Locle, im Neuenburger Jura, wo er Vorträge hält und Uhrenarbeiter trifft, die mit der Bildung der ersten autonomen Widerstandsverbände begonnen haben. Die Arbeiter wollen sich allein organisieren, ausbilden und bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen.

Es ist eine Begegnung zwischen einem Revolutionstheoretiker und Leuten, die beginnen, konkrete Organisationserfahrungen zu machen. Es ist eine gegenseitige Verführung. Nach und nach übernehmen die Jurassier anarchistische Positionen, und Bakunin beginnt, sich hauptsächlich den praktischen Fragen der Arbeiterbewegung zu widmen.“

Quelle: Bakunin und die Uhrmacher

Nur wenige Frauen haben jedoch – wie auch das Interview verdeutlicht – damals in der anarchistischen Bewegung tatsächlich eine entscheidende Rolle gespielt. Eine der wenigen, Louise Michel, platziert der Autor geschickt in seinem Roman: Die Schweizerinnen lernen sie auf der Überfahrt nach Patagonien kennen, sie wird deportiert. Die skeptische Valentine zählt Louise Michel zu den „ganz Eisernen“, die in der Ehe, in der Familie die „größte Geißel der Menschheit sehen“. Im Roman formulieren die Frauen schließlich ihre eigenen Prinzipien:

„Auf dem Gebiet von Sexualität und Liebe wird absolute Freiheit herrschen, und Paare, die schon vor ihrem Aufenthalt auf dem Territorium des Experiments bestanden, dürfen ihr Leben weiterführen wie bisher. Mit einem Wort, jede Frau kann frei über sich selbst bestimmen, niemand darf jemals ihre Freiheit beschränken.“

Dieses Prinzip leben die Frauen bis zum Ende, diese Freiheit haben sie sich erobert: Und damit ist das Experiment denn doch für jede einzelne von ihnen gelungen.

Daniel de Roulet legt seiner Erzählerin eine spröde, fast karge Sprache in den Mund. Mehr Jura-Gestein denn patagonische Lava. Diese Schmucklosigkeit und die längeren Zitate anarchistischer Texte machen den Roman, der von Maria Hoffmann-Dartevelle aus dem Französischen übersetzt wurde, schränken den Lesegenuss gelegentlich ein. Stilistisch konnte mich der Roman nicht überwältigen.

Und dennoch empfand ich die Lektüre als bereichernd: In einer Zeit, in der so vieles im Umbruch ist und im Argen liegt, tut es gut und not sich an politische Ideal, meinetwegen Utopien, zu erinnern, die andere Formen menschlichen Zusammenlebens zum Ziel haben.

Denn die Frage, die sich durch diesen schmalen Roman zieht, lautet: Wie frei wollen wir leben?

Informationen zum Buch:

Daniel de Roulet
Zehn unbekümmerte Anarchistinnen
Übersetzt von Maria Hoffmann-Dartevelle
Limmat Verlag, 2017
ISBN: 978-3-85791-839-1

Kurt Tucholsky: Deutschland, Deutschland über alles

Tucholsky war begeistert vom Medium der Photographie. 1929 veröffentlichte er seinen „Bildband“, eine satirische Liebeserklärung an Deutschland.

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Bild: (c) Michael Flötotto

„Ein Bild sagt mehr als viele Worte“: Tucholsky war schon früh begeistert von dem Medium der Photographie als Mittel des Ausdrucks und der Satire. 1929 verwirklichte er das Vorhaben eines „Bildbandes“, aber Tucholsky wäre eben nicht Tucholsky gewesen, wäre dies ein „Photoalbum, das man auf den Geburtstagstisch legt“. 1929 erschien „Deutschland, Deutschland über alles“: Ein Bild-Text-Band, beinahe schon ein kleines Kompendium über den Zustand der Weimarer Republik, ätzend scharf, bissig, satirisch, anklagend und anprangernd, aber auch eine Liebeserklärung an die Heimat.

Beginnen wir mit der Liebeserklärung, die Tucholsky an das Ende seines Buches gestellt hat:

„Nun haben wir auf 225 Seiten Nein gesagt, Nein aus Mitleid und Nein aus Liebe, Nein aus Haß und Nein aus Leidenschaft – und nun wollen wir auch einmal Ja sagen. Ja-: zu der Landschaft und zu dem Land Deutschland. Dem Land, in dem wir geboren sind und dessen Sprache wir sprechen. Der Staat schere sich fort, wenn wir unsere Heimat lieben. Warum grade sie – warum nicht eins von den andern Ländern? Es gibt so schöne. Ja, aber unser Herz spricht dort nicht. Und wenn es spricht, dann in einer andern Sprache – wir sagen „Sie“ zum Boden; wir bewundern ihn, wir schätzen ihn – aber es ist nicht das.“

Dies schreibt Tucholsky, der selbst ab 1924 die meiste Zeit im Ausland verbrachte. „Deutschland, Deutschland über alles“ entstand, als Schweden bereits mehr und mehr zur Wahlheimat geworden war. Und doch formuliert der Autor:

„Wer aber weiß, was die Musik der Berge ist, wer die tönen hören kann, wer den Rhythmus einer Landschaft spürt…nein, wer gar nichts andres spürt, als daß er zu Hause ist; daß das mein Land ist, sein Berg, sein See – auch wenn er nicht einen Fuß des Bodens besitzt…es gibt ein Gefühl jenseits aller Politik und aus diesem Gefühl heraus lieben wir dieses Land.“

Tatsächlich war Tucholsky zu jener Zeit jedoch schon verzweifelt an dieser Liebe, verzweifelt vor allem an der Politik dieses Landes. Der Mann, der laut Erich Kästner „mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten wollte“, begann zu resignieren – angesichts des jahrelangen vergeblichen Eintretens für eine Demokratisierung, gegen Militarismus und Despotie. Vom Prozess gegen Carl von Ossietzky – „Weltbühnen-Prozess“ – blieb auch Tucholsky nicht unberührt, auch gegen ihn wurde ermittelt, sein berühmtes Zitat „Soldaten sind Mörder“ von Ossietzky zugeschoben. „Deutschland, Deutschland über alles“ erscheint aus diesem Zusammenhang beinahe wie ein letztes Aufbäumen in einem bereits verlorenen Kampf.

Nun, was ist das für ein Buch, das an der Auflage gemessen, Tucholskys größter Bucherfolg werden sollte? Das der Börsenverein vor Erscheinen noch mit allen Mitteln verhindern wollte? Dessen Startauflage mit 15.000 Stück (aus der Tucholsky-Biographie von Rolf Hosfeld) sofort vergriffen war? Das Mitte 1930 die dritte Auflage mit 50.000 erreichte – auch für jene „belesene“ Zeiten eine ungeheure Zahl?

Zunächst hatte der Schriftsteller die Idee, das Wort durch die Macht des Bildes zu verstärken. Für die Zusammenarbeit gewann Tucholsky den Grafiker John Heartfield, der für den Malik-Verlag und die Arbeiter-Illustrierte in Berlin arbeitete. Tucholsky wollte aufklärerische und agitatorische Fotografie, ergänzt durch seine, größtenteils schon vorab in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten Texte. Es entstand eine hochpolitische Satire, ein ganz neuer Buchtyp.

Ein Zitat aus Kindlers Neuem Literaturlexikon:

„Es ging Tucholsky im Jahr der Weltwirtschaftskrise mit seinem Deutschland-Buch um eine möglichst wirkungsvolle Beeinflussung von Wählermassen: gegen deutschen Militarismus, gegen soziales Unrecht und Klassenjustiz, gegen neuen deutschen Chauvinismus sowie gegen unfähige „Realpolitiker“ aller Couleur. Tucholskys Engagement in humanistischen, sozialistischen und pazifistischen Organisationen, das ihn vorübergehend sogar seine tiefe Abneigung gegen Gruppen und Vereine Überwinden ließ, genügten dem erfolgreichen, um politische Wirkung bemühten Publizisten nicht länger. Anders als „Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte“ sollte sein neues „Bilderbuch“ nicht amüsieren, sondern jenes Deutschland zur Besinnung rufen, das am Fließband stand, im Kaufhaus arbeitete oder an der Schreibmaschine saß. (…) Der in einer bald schon vergriffenen Startauflage von 20.000 Exemplaren gedruckte Band war das politische Resümee eines sensiblen Individualisten und radikalen Intellektuellen, der sich bewußt an die Seite der Unterprivilegierten, Rechtlosen und Ausgebeuteten gestellt hatte. Als kommunistische Funktionäre an ihm den Bürger und Schöngeist kritisierten, konterte Tucholsky: „Besser ein Anzug nach Maß als eine Gesinnung von der Stange.“ (…)

„Deutschland, Deutschland über alles“ ist ein provokantes Album zur Weimarer Republik. Als Motto ist dem Band der Satz aus Hölderins „Hyperion“ „So kam ich unter die Deutschen“ vorangestellt. Einzigartig in der deutschen Literatur zwischen den Weltkriegen ist an Tucholskys Deutschland-Buch einerseits das Niveau der einzelnen Texte, von denen viele bis heute nichts an politischer Brisanz verloren haben, andererseits die Vielfalt der literarischen Formen, neben zwanzig Gedichten und Chansons („Aussperrung“; „Start“) pointierte Bildunterschriften („Demokratie“) und provokante Fotostories („Statistik“; „Nie allein“). Charakteristisch sind für Tucholsky (zum Teil umgangssprachliche) Monologe und Gespräche („Herr Wendriner kauft ein“; Ich bin ein Mörder“), ein Dramolett zur deutschen Justiz („Wiederaufnahme“) sowie Aphorismen, Parodien und Parabeln („Feuerwehr“); der Band enthält Satire in Vers und Prosa („Götzen der Maigoto-Neger“), dazu klassische Feuilletons („Treptow“), kulturkritische Essays (zu Alltagskultur und Architektur), Polemiken, Reportagen, Rezensionen und Theaterberichte („Der Linksdenker“).“

Aus: Kindlers Neues Literaturlexikon

Der „politische Baedeker“ zu Lage von Staat und Nation greift allerdings auch Alltagsdinge auf, räsoniert wird beispielsweise über die Frage, warum die deutschen Postkästen so häßlich sind (was würde Tucholsky heute zu den gelben Boxen sagen?), über Ladenfassaden und über „Mutterns Hände“ – auch dieses, eines der anrührendsten Gedichte Tucholskys, ist in dem Band enthalten.

Mutterns Hände

Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm –
un jewischt und jenäht
un jemacht und jedreht …
alles mit deine Hände.

Hast de Milch zujedeckt,
uns Bobongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragen –
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält …
alles mit deine Hände.

Hast uns manches Mal
bei jroßen Schkandal
auch ’n Katzenkopp jejeben.
Hast uns hochjebracht.
Wir wahn Sticker acht,
sechse sind noch am Leben …
alles mit deine Hände.

Heiß warn se un kalt.
Nu sind se alt.
Nu bist du bald am Ende.
Da stehn wa nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.

Nicht alle der rund 100 Foto-Text-Montagen haben heute noch die unmittelbare politische Wucht – manches wirkt 90 Jahre später natürlich auch technisch ungeschickt, manches ungehobelt bis unbedarft, manche Namen werden heutigen Lesern wohl kaum mehr etwas sagen. Und dennoch: Auch wenn man weiß, Satire darf alles, überspitzt und übertreibt, gibt dieser bissige Führer durch die Weimarer Republik ein eindrucksvolles Bild jener Zeit. Und viele von Tucholskys Texten, insbesondere über „die deutsche Seele“ sind schlicht und einfach zeitlos – vor allem, wenn man sieht, wie die „deutsche Seele“ in diesen Tagen wieder wallt und wabbert.

In seiner hervorragenden Biographie „Tucholsky – ein deutsches Leben“ schreibt Rolf Hosfeld:

„Schon (…) 1925 entdeckte er die Möglichkeiten der Tendenzfotografie. „Die Wirkung ist unauslöschlich und durch keinen Leitartikel zu übertreffen. Eine knappe Zeile Unterschrift – und das einfachste Publikum ist gefangen.“

Es gehört zur Ironie der Literaturgeschichte, dass ausgerechnet das Medium, das durch einfachste Aussagen Millionen Leser fängt, nicht nur ebenso diese Mittel nutzt, sondern 2013 gar Tucholskys Buch in einer Reihe der von den Nationalsozialisten verbotenen Bücher wieder auflegte. Was hätte er dazu wohl gemeint, der große Spötter? BILD Dir deine Meinung.

Tucholsky äußerte sich später selbstkritisch über dieses Buchprojekt: Es sei als künstlerische Leistung klobig. „Und zu schwach. Und viel zu milde.“

Dazu Rolf Hosfeld:

„Tucholsky ist mit „Deutschland, Deutschland über alles“ tatsächlich der Verführung eines Mediums unterlegen, was ihm selbst schnell klar geworden ist, nachdem das Buch einmal vorlag.“

Aber welche Mängel es auch immer hat – es ist das Buch eines großen Kämpfers, der seine Heimat schmerzlich liebte:

„Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.“

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