Über Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur - Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Texte und Schreiben rund ums Buch. Unter Aktuelles finden sich zudem Buchsprechungen (ehemals Literaturblog Sätze&Schätze).

#MeinKlassiker | Hildegard E. Keller sagt: Endlich! Etty Hillesum – Chronistin ihrer Zeit

2016 bat ich einige Literaturblogger*innen, Autor*innen und andere Menschen aus dem Literaturbetrieb, doch einmal ganz frei über ihre Klassiker zu schreiben: Schriftstellerinnen und Schriftsteller und Bücher, die einen das ganze Leben über begleiten. Der Zuspruch und das Interesse war enorm: Es gab 35 Beiträge unter dieser Rubrik auf dem Blog, der seinerzeit noch unter Sätze&Schätze firmierte. Sie werden nach wie vor gelesen: Klassiker machen neugierig. Allen, die bisher zu der Reihe beigetragen haben, an dieser Stelle nochmals mein herzlichster Dank!
Inzwischen ist mein Literaturblog wiederbelebt. Und als ich neulich einen Beitrag über meinen Klassiker schrieb, “Die Insel des zweiten Gesichts” von Albert Vigoleis Thelen, wurde einmal mehr deutlich, wie groß, auch im Trubel der Neuerscheinungen, das Interesse an Autor*innen ist, deren Werke die Jahre überdauern.
Die Idee, #MeinKlassiker mit dem Blog wieder mit neuem Leben zu erfüllen, war da – und ich war ganz positiv überrascht, dass schon einige literaturaffine Menschen meiner Einladung gefolgt sind und hier über ihre Klassiker schreiben werden. Ich freue mich sehr über den Auftakt zu #MeinKlassiker 2.0 durch Hildegard E. Keller, die mit Etty Hillesum eine ganz besondere Frau vorstellt.
Ein Werk, das die Jahre überdauert hat und eine Neuerscheinung ist.


Ein Gastbeitrag von Hildegard E. Keller

Im Mittelalter stellte man sich die Liebe als noble Dame vor: Vrouwe Minne, Frau Minne, Lady Love. Die ersten Dichterinnen im deutschen und niederländischen Sprachraum, deren Namen wir kennen und deren Werke erhalten geblieben sind, dienten ihr als Sprachrohr. Es sind grosse Namen. Es sind Klassikerinnen. Es sind auch die einzigen schreibenden Frauen zwischen 1100 und 1300. Dichten ist für sie Dienst an ihrer Chefin, denn die Liebe ist die heimliche Göttin an Gottes Seite.

Der Ozean im Fingerhut. Filmstill (2012). © Bloomlight Productions.

Im Hörspiel Der Ozean im Fingerhut (2011) brachte ich drei dieser Klassikerinnen zusammen: die alte Hildegard von Bingen (1098-1179), die in ihrem langen Leben über fast alles geschrieben hat; Mechthild aus Magdeburg (um 1207-1282), die uns ihr Buch Das fliessende Licht der Gottheit hinterliess und die geheimnisvolle Hadewijch (sie schrieb um 1250), die in mittelalterlichem Niederländisch Lieder, Visionen und Briefe dichtete. Die inoffizielle Hauptperson des Hörspiels ist aber Etty Hillesum (1914-1943). Sie gehört zu den Klassikerinnen, die genug bekannt sind, dass sich jemand für ihr Werk interessiert, genug unbekannt, dass man sie neu entdecken kann. Das Hörspiel inszeniert eine fiktive Begegnung. Da die vier nur jenseits von Ort und Zeit zusammenfinden konnten, erschuf ich mit literarischen Mitteln einen Begegnungsraum. Für mich war es Forschung mit künstlerischer Freiheit, ein Abenteuer, auf Mittelhochdeutsch âventiure.

Der Ozean im Fingerhut. Filmstill (2012). © Bloomlight Productions.

Etty Hillesum spricht mit ihren christlichen Kolleginnen über die gemeinsamen Themen: das Schreiben, die Liebe, Gott und die Welt. Etty sah sich selbst als Chronistin ihrer Zeit, ist aber weit mehr als eine jüdische Zeitzeugin. In ihrem nur neunundzwanzig Jahre langen Leben, das in Auschwitz gewaltsam beendet wurde, hat sie lieben gelernt wie keine. Zwei Jahre lang beschreibt sie in Tagebüchern ihren inneren Weg. Sie schildert auch, wie sich im nationalsozialistisch besetzten Amsterdam ihr Lebensraum verengt, wie es sie immer stärker nach innen drängt. Ihre Tagebücher und Briefe wirken auch achtzig Jahre nach ihrem jähen Abriss atemberaubend und erfrischend. Als ich 2010 mein Hörspiel schrieb, musste ich mich auf internationale Ausgaben ihres Werks stützen, die niederländische Originalausgabe, die englische, italienische, französische und spanische, denn die gab es alle, meist gut kommentiert. Was fehlte, war die deutschsprachige Gesamtausgabe. Dies fand ich so unerhört, dass ich einen deutschen Verlag zu gewinnen suchte, doch das Projekt versandete. Das ist gut so. Denn vor wenigen Tagen ist sie endlich bei C.H. Beck erschienen: die erstmals vollständige und neu übersetzte Gesamtausgabe: «ICH WILL DIE CHRONISTIN DIESER ZEIT WERDEN. Sämtliche Tagebücher und Briefe 1941–1943.» Hg. von Pierre Bühler. Aus dem Niederländischen von Christina Siever und Simone Schroth ausgezeichnet übersetzt. Die rund tausend Seiten lesen sich hervorragend, man ist dankbar für den grosszügigen Kommentar- und Bilderteil, diese Ausgabe erfüllt einen meiner Herzenswünsche. Eine Pflichtlektüre für alle.

Der Ozean im Fingerhut. Filmstill (2012). © Bloomlight Productions.

Wie schon die meisten internationalen Ausgaben hilft das neue Gesamtwerk beim Lesen. Damit meine ich den wichtigen Zwei- und Mehrsprachenraum, in dem Etty Hillesum gelebt, gedacht, geschrieben hat. Literatur, Weltliteratur, aber besonders auch russische und deutsche Literatur bedeuteten ihr viel. Einer ihrer Hausdichter, Rainer Maria Rilke, vor allem aber die Begegnung mit Julius Spier, nach der Reichskristallnacht aus Berlin nach Amsterdam geflohen, trugen dazu bei, dass Etty Hillesum zahlreiche Passagen auf Deutsch in ihr niederländisches Original einfügte. Diese Koexistenz von Niederländisch und Deutsch, die in der neuen Ausgabe mit Serifen bzw. serifenloser Schrift sichtbar gemacht wird, ist wesentlich. Etty Hillesum pflegte das Neben- und Miteinander der zwei Sprachen ganz bewusst, in Amsterdam wie auch später im Durchgangslager Westerbork. Es war eine Geste des inneren Widerstands gegen den Hass, den die Situation aufoktroyierte. Sprachlich und überhaupt in nur jeder denkbaren Weise nutzte Etty Hillesum jeden Moment, um in ihrer Liebesfähigkeit zu wachsen.  

Mittwochmorgen, 29. April [1942].

Dass ich so stark lieben kann! Mein Inneres blüht in alle Richtungen auf und die Liebe wird immer stärker und größer und ich lerne auch immer besser, sie zu ertragen und nicht darunter zermalmt zu werden. Und durch dieses Ertragen fühlt man, dass man immer stärker wird. Dass ich so sehr lieben kann!
Er ist ganz großartig. (S. 450)

5 Uhr nachmittags.

An ihm bin ich eigentlich erst schöpferisch geworden – verrückt, manche Dinge kann ich überhaupt nicht mehr auf Niederländisch sagen. An ihm sind meine schöpferischen Kräfte zum ersten Mal erwacht und an ihm werden sie auch zum ersten Mal eine Form annehmen. Er muss mich später wieder von sich wegstoßen, in den Raum hinein. In einem einzigen klaren Augenblick sehe ich dies plötzlich sehr deutlich: dass ich mich nicht danach sehnen sollte, ein Leben lang bei ihm zu bleiben oder ihn heiraten zu wollen. An ihm bin ich zu einer Form gelangt, aber er muss sich von mir wegstoßen, sodass ich später in einem kosmischen Raum zu einer neuen Form gelangen werde, unabhängig von ihm. (S. 451)

Der Ozean im Fingerhut. Filmstill (2012). © Bloomlight Productions.

Endlich kann diese Klassikerin des literarischen Humanismus neu gelesen werden. Alle, die diese bahnbrechende Gesamtausgabe in die Welt gebracht haben, verdienen Hochachtung. Das gilt ganz besonders für die Übersetzerinnen. Am 5. April findet die Buchpräsentation in Zürich statt, mit dem Herausgeber Pierre Bühler, der Übersetzerin Christina Siever, Marja Clement und mir; Moderation Verena Mühlethaler. Am 12. April werde ich den Experimentalfilm Der Ozean im Fingerhut, den ich 2012 auf der Grundlage des gleichnamigen Hörspiels produziert habe, zeigen.

Ein Beitrag von Hildegard E. Keller


Bibliografie:

Etty Hillesum
Ich will die Chronistin dieser Zeit werden
Sämtliche Tagebücher und Briefe (1941 – 1943)
C.H.Beck Verlag, München, März 2023
Hardcover, 989 S., mit 46 Abbildungen
ISBN 978-3-406-79731-6

Von Etty Hillesum. Herausgegeben von Klaas A.D. Smelik, Deutsche Ausgabe herausgegeben von Pierre Bühler. Mit einem Vorwort von Hetty Berg. Aus dem Niederländischen von Christina Siever und Simone Schroth.

Buchvernissage in Zürich:
https://citykirche.ch/buchvernissage-und-mystikreihe-zu-etty-hillesum/


Zur Autorin dieses Beitrags:

Von 2009 bis 2019 war Hildegard Keller Literaturkritikerin im Fernsehen (Jurymitglied beim Bachmannpreis, ORF/3sat; Kritikerteam des Literaturclubs SRF/3sat). Seit 2019 konzentriert sie sich auf ihre künstlerischen Projekte (Literatur, Film, Storytelling) und gibt die Edition Maulhelden heraus. Seit den frühen 1990er Jahren lehrte sie deutsche Literatur an Universitäten im In- und Ausland (USA, GB, NL, D, ARG, TUR), zehn Jahre lang als Professorin an der Indiana University in Bloomington (USA), wo sie ihren ersten Dokumentarfilm (Whatever Comes Next, 2014) geschaffen hat; heute lehrt sie Multimedia-Storytelling an der Universität Zürich. Ihr Werk umfasst Romane, Hörspiele, Radiofeatures, Podcast, Filme und Performances. Ihr Hörspiel DIE STUNDE DES HUNDES war für den Deutschen Hörbuchpreis 2009 nominiert und wurde mit dem Theophrastus-Preis ausgezeichnet. Sie ist zudem Herausgeberin, Übersetzerin und Biografin von Alfonsina Storni; die fünfbändige Werkauswahl wurde in der Edition Maulhelden veröffentlicht. 2021 erschien mit WAS WIR SCHEINEN ihr erster, vielbeachteter Roman: Eine Lebensreise mit Hannah Arendt. Am 28. März erscheint er auf Italienisch (Quel che sembriamo. Übersetzt von Silvia Albesano. Guanda; Buchpremiere am 30. März in Venedig).

Homepage von Hildegard Keller:
https://www.hildegardkeller.ch/

Edition Maulhelden:
https://www.editionmaulhelden.com/

Den Film und das Hörspiel “Der Ozean im Fingerhut” gibt es zu kaufen, weitere Information und Bestellmöglichkeiten unter info@hildegardkeller.ch.

Das langsame Erwachen des Mädchens mit dem Pfauenfächer: Gabriele Tergit – Der erste Zug nach Berlin

„Anfang Mai verabschiedete ich mich von der ganzen Bande und wir gingen noch mal ins Twenty-One. Ich ging in meinem großen Abendkleid von Chanel zum Aerodrom mit einem Pfauenfächer, das Neueste aus Paris.“

Gabriele Tergit, „Der erste Zug nach Berlin“, Schöffling & Co, 2023

Voilà, hier haben wir sie: Die 19-jährige Maud, eine nicht dumme, aber zunächst reichlich naiv daher plaudernde Angehörige des amerikanischen Geldadels. Mehr durch Zufall ­– und auch, weil sie vor der Heirat mit dem Sohn vom Governor Perry noch eine kleine Sause erleben will – wird sie Mitglied einer amerikanischen Mission ins Nachkriegsdeutschland. Der Verlobte sieht das kritisch:

„Er sagte, ich sei eine Närrin, nach dem wilden Europa zu gehen, wenn ich in dem schönen New York mit seinem sanften Klima und noch sanfteren Sitten bleiben könnte. Dass ein Mensch aus Vergnügen nach Europa ginge, habe er überhaupt noch nicht gehört.“

In der Tat betrachtet Maud die Reise, die die Gruppe nach London und dann in das zerbombte Deutschland und in den Osten führt, zunächst wie einen abenteuerlichen Jux. Sie ist Zeugin zahlreicher erregter politischer Diskussionen, die sie kaum nachvollziehen kann – ein handwerklicher Kunstgriff, der den Lesern auch heute noch die Augen öffnet für das Klima, in dem die Nachkriegspolitik der Besatzungsmächte stattfand. Die Erfahrung des Krieges als Nährboden für überbordenden Patriotismus und kapitalistische Gier: Im Preisausschreiben einer englischen Zeitung wird dazu aufgerufen, „alle Dinge aufzuschreiben, die wir aus dem Empire bekommen können oder auf die wir verzichten können und die noch immer woanders gekauft werden“. Der Brexit lässt grüßen.

„Der erste Zug nach Berlin“ ist ein schmaler Roman Gabriele Tergits, den die jüdische Schriftstellerin unter dem Eindruck ihrer eigenen ersten Berlin-Reisen 1948 und 1949 schrieb. Man kann davon ausgehen, dass die Autorin, die sich vor ihrer Flucht aus Nazi-Deutschland auch als Journalistin beim Berliner Tageblatt und Gerichtsreporterin einen Namen gemacht hatte, die Verhältnisse in Deutschland weitaus scharfsinniger und klüger kommentierte als ihre Kunstfigur Maud. Doch gerade deren Blauäugigkeit ist ein genialer Kunstgriff Tergits, der es dadurch gelingt, die Grausamkeiten, Härten und Absurditäten dieser Zeit aus einer quasi neutralen Position zu schildern – nicht nur die Kriegsgewinnler und Kollaborateure erhalten so einen Auftritt, sondern auch die Interessensvertreter aus den Besatzungsmächten, die zum Teil durchaus auch Sympathien für den Antisemitismus des Hitlerstaates hegten. So bekommt in diesem schmalen Buch, das nun erstmals nach dem Original-Typoskript erschien (zu Lebzeiten von Gabriele Tergit blieb es unveröffentlicht), jeder sein Fett ab.

In ihrem Nachwort betont Herausgeberin Nicole Henneberg, die sich um die Wiederentdeckung Gabriele Tergits verdient gemacht hat, zur Erzählerin Maud:

„Aber Maud ist nicht nur naiv, sondern auch abenteuerlustig und fest entschlossen, ihre Augen weit aufzureißen und alles mitzumachen, auch wenn sie die Verhältnisse um sie herum nicht versteht und die Gespräche noch viel weniger.“

Sie werde so zu einer „Kamera mit weit geöffneter Blende“.  Ein idealer Ausgangspunkt, meint Henneberg, „um alles ohne Unterschied aufzunehmen und zu schildern (…), ohne zu werten oder zu zensieren. Was so entsteht, ist eine Szenenfolge, die auf dem schmalen Grat zwischen Satire und Tragik balanciert (…).“

Maud ist zwar Ohrenzeugin – „Ich hörte gespannt zu und dachte, wie schön es ist, etwas zu lernen“ – aber stürzt sich in ihrer Blauäugigkeit erst einmal von einer Verliebtheit in die andere, bis sie in den Armen eines Deutschen landet, dessen exzellente Manieren und selbstsicheres Auftreten Eindruck hinterlassen. Erst spät erkennt sie, dass dieser Herbert Stegen, der sich als Journalist bei den Engländern andient, einst ganz eng mit Goebbels war: Nur einer von mehreren Mittätern und Mitläufern in diesem Roman, die zeigen, wie nahtlos es für viele Hitler-Anhänger auch nach dem verlorenen Krieg weiterging. Überhaupt trifft Maud auf zahlreiche Deutsche, die der Nazi-Ideologie ungebrochen anhängen, so auf ein Zimmermädchen, „sie war sehr groß, hatte blonde Zöpfe um den Kopf“, das sich weigert, „den Feinden den Koffer auszupacken“. Die anschließende Diskussion mit den englischen Reisemitgliedern zeigt die Schizophrenie jener Zeit:

Miss Battle-Abbey sagte: „Jeder kann sich ein Beispiel daran nehmen. Hitler hat wirklich den Selbstrespekt des deutschen Volkes wieder hergestellt.“

Für das langsame Erwachen und den Erkenntnisgewinn Mauds sorgen letztlich nicht nur ihre eigenen Erlebnisse, sondern vor allem der Kontakt zum amerikanischen Journalisten Merton, der ihr „das andere Deutschland“ zeigt. Eine Schlüsselszene dieses trotz seines leichten Grundtons, der mitunter auch an die Romane Irmgard Keuns erinnert, düsteren Romans ist der Besuch der beiden bei dem deutschen Journalisten Reinhold, der von den Nazis gefoltert und im KZ gequält vor den Augen der Amerikaner an Auszehrung stirbt. Die Suche durch „Schutt und Asche“ nach einem Arzt wird für Maud wie zu einem Abstieg in die Hölle, insbesondere beim Blick ins ärztliche Wartezimmer:

„Es saßen da Tod und Teufel, Krankheit und Hunger, eine alte Frau, fett und gierig und neidisch, und ein junger Mann, er hielt eine Uhr in der Hand und grinste, ein Geschöpf war da voll von Bandagen mit Auswuchs und ein kleines Kind mit einem aufgeblähten Bauch. Ich stand im Zimmer und ich wusste, Krankheit, Tod und Teufel und Hunger würden mich holen, wenn ich nicht aufhörte zu denken und mitzuleiden und zu wollen, wenn ich nicht so rasch wie möglich aus Europa floh.“

Die ganze Erschütterung, die auch Gabriele Tergit bei ihren beiden Berlin-Reisen Ende der 1940er-Jahre erfahren haben muss, werden hier spürbar. Und wie Maud zog es Tergit, die an „ihrem“ Berlin hing, nie mehr zurück, sie blieb in London, das ihr zur neuen Heimat geworden war und wo sie 1982 starb. Maud, das Mädchen im Chanelkleid und mit dem Pfauenfächer, kehrt nach drei Monaten um einiges klüger und reifer geworden, in die Vereinigten Staaten zurück, heiratet ihren Clark Perry und lebt im „modernsten Flat in New York“. Merton, jene Romanfigur, die die politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge am klarsten durchschaute und kommentierte, sieht sie nur noch einmal, als „lay preacher“, etwas verkommen aussehend, an einer Ecke stehen:

„Nur drei Leute hörten ihm zu: der eine war bucklig, der andre war blind, der dritte war lahm.“

„Der erste Zug nach Berlin“ ist eine literarische Überraschungstüte und eindrucksvolles Zeitzeugnis zugleich: Knallbunt und doch auch düster, tragisch und komisch zugleich, wie von leichter Hand geschrieben und doch voll tiefem Ernst.

Eine ausführliche und kenntnisreiche Besprechung von Fabian Wolff erschien in der Süddeutschen Zeitung.

Der Roman erschien im Schöffling Verlag, der mir für diese Besprechung ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte.

Das letzte Wort soll Merton gehören:

„Dieses Spiel spielt die Menschheit seit einigen tausend Jahren“, sagte Merton. „Ich bin der Letzte, der findet, dass es auf ein paar Hundert Quadratmeilen ankommt. Aber solange das der Maßstab für Ehre ist, solange alle nationale Leidenschaft sich auf ein paar Quadratmeilen Land irgendwo erstrecken kann, soll man sehr vorsichtig mit territorialen Änderungen sein, die nächste Generation muss immer dafür sterben. Wir alle leben in einer Welt.“

“Requiem” von Karl Alfred Loeser – eine große Neuentdeckung der Exilliteratur

„Erich Krakau war ein bedeutender Künstler. Für ihn müsste es leichter sein, ins Ausland zu gehen. Aber nichts da, man misstraute ihr, verlangte Kontakte und Zertifikate und machte ihr immer neue Schwierigkeiten, einfach nur, wie sie bald entdeckte, weil er Jude war. Auch die aufgeklärten Länder, die sich auf ihre Freiheit und Werte so viel einbildeten, wollten keine Juden mehr. Es war wie eine ansteckende Krankheit, die um sich griff und allerorten Anhänger und Nachbeter fand. Lisa begriff, dass der Mensch in der Welt von allen Dingen das wertloseste und überflüssigste war.“

Karl Alfred Loeser, „Requiem“, Klett-Cotta Verlag, 2023

Wie fragil, wie leicht zerbrechlich die Existenz eines Menschen ist, dies hat Karl Alfred Loeser am eigenen Leib erlebt: Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten flüchtet der junge Mann, 1909 in Westfalen geboren, zunächst nach Amsterdam, wo sein Bruder Norbert, ein bekannter Musiker, bereits lebt. Mit seiner Frau Helene, die er in Holland kennenlernt, geht die Flucht bis Brasilien weiter. In São Paulo findet Loeser eine Anstellung bei einer holländischen Bank, wird Vater, baut sich und seiner Familie eine neue Existenz auf, spielt in seiner Freizeit Geige in einem Laienorchester. Und: Schreibt. Erst nach seinem Tod 1999 findet die Familie ein Konvolut von unveröffentlichten Manuskripten, darunter Novellen, Romane, Theaterstücke.

Wie anders dieses Leben verlaufen wäre, vielleicht als freie Künstlerexistenz, vielleicht als anerkannter Schriftsteller, hätte es nicht die gnadenlose Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten gegeben, darüber lässt sich heute nur spekulieren. Aber zumindest kommt nun einer seiner Texte doch an die Öffentlichkeit – ein grandioser Fund, der einer anderen sensationellen Wiederentdeckung zu verdanken ist: Als „Der Reisende“ von Ulrich Alexander Boschwitz fast 80 Jahre nach der Wiederveröffentlichung erneut erschien und um die Welt ging, wurde auch der Urenkel von Karl Alfred Loeser auf diesem Roman, der mitten aus dem Reich der Finsternis berichtete, aufmerksam. Und wandte sich an dessen Herausgeber Peter Graf. Der erkannte den Wert von „Der Fall Krakau“, wie Loeser den Text selbst betitelt hatte, editierte und lektorierte das Manuskript behutsam, wie er in seinem Nachwort zu „Requiem“ schreibt:

„Schwer war das in diesem Fall nicht, denn ein so geschickt durchkomponierter Roman macht es einem leicht (…). Requiem ist ein erstaunlich zeitloses und auch berührendes Buch, es unternimmt auf sehr eigenständige Weise den Versuch, zu verstehen, was unbegreiflich ist, und jenseits aller schmerzhaften Erfahrungen ist es nicht ohne Hoffnung.“

Loeser erzählt „den Fall Krakau“, die Vertreibung des letzten jüdischen Musikers an einem renommierten Theater in Westfalen aus dem Orchester, seiner Stadt und seinem Land spannend, beinahe in der Art eines Politkrimis. Erich Krakau ist ein weithin anerkannter Cellist, der sich trotz der dunklen Vorzeichen noch wohlaufgehoben in seinen Künstlerkreisen glaubt. Als ein befreundeter Arzt bei Nacht und Nebel vor der Gestapo flüchtet, hilft er diesem, glaubt sich aber immer noch in Sicherheit. Doch da setzt eine ungeheure Intrige ein: Der 22-jährige Fritz Eberle, ein musikalisch untalentierter Bäckersohn, mit Minderwertigkeitskomplexen behaftet, will Krakaus Stelle als Cellist am städtischen Sinfonieorchester. Und setzt dafür alle Hebel in Gang: Er besticht einen schmierigen Journalisten, der eine Hetzkampagne auslöst, SA-Claqueure stören ein Konzert, das Krakau gibt, schließlich wird der Musiker der Polizei und den Ränkespielen eines ehrgeizigen stellvertretenden Gauleiters ausgeliefert, der Krakau im „Judenkäfig“ unter der Erde des örtlichen Gefängnisses festsetzt. Dass dem Musiker mit seiner Frau Lisa in letzter Minute die Flucht aus dem deutschen Reich gelingt, ist dem couragierten Eintreten einiger Künstlerfreunde mit guten Beziehungen zu verdanken.

Dass die Erzählung mit zunehmendem Tempo auch atmosphärisch immer beklemmender wird und beim Lesen mitreißt, ist nicht die einzige Qualität des Romans. Vielmehr sind es die verschiedenen Perspektiven, aus denen Loeser erzählt, und die ein glaubhaftes Bild von der Stimmung im sogenannten Dritten Reich, aber auch vom Schicksal der Exilanten vermitteln. Loeser lässt Opportunisten, Gewalt- und Machtmenschen, aber auch die „alte Garde“ am Beispiel des Gauleiters von Oertzen (ein Militär, der, die Flucht Krakaus ermöglicht und sich danach das Leben nimmt) auftreten, zeigt auf, wie in einer Diktatur allmählich Entmenschlichung einsetzt und Gleichschaltung funktioniert. Ebenso kommen in „Requiem“ aber auch die Stimmen aus dem Untergrund und dem Widerstand zu Gehör, die der Geflüchteten und Geknechteten. Ein vielstimmiger Chor, der diese Tragödie begleitet.

Wenn Loeser über sein Alter Ego Erich Krakau aus diesem Roman zu uns spricht, dann erhebt sich auch eine Stimme aus der Vergangenheit, die etwas zeitlos Mahnendes sagt, in diesen Zeiten so aktuell wie je:

„Es ist die verderbliche Sucht der Kleinlichen, Menschen einzuteilen, zu klassifizieren und Schuldige zu suchen. Hier Gut, dort Böse, hier Licht, dort Schatten, hier Arier, dort Jude.“ Doch, so der Musiker im Gespräch mit einem Kollegen: „Ist es denn Lüge, dass ich den Himmel liebe, unter dem ich geboren, die Landschaft, in der ich groß geworden bin? Ist es denn Lüge, dass ich Beethoven und Brahms liebe? Wenn das alles Lüge ist, dann gibt es nichts Wahres mehr auf der Welt.“

Es ist auch der Glaube an den Teil im Menschen, der in der Kunst so unglaublich Schönes zu erschaffen mag, ebenso wie der Glaube an die Liebe seiner Frau Lisa, der Erich Krakau in „Requiem“ aufrechterhält, als er allmählich erwacht und die bedrohlich zunehmende Gefahr für Leib und Leben erkennt. Es ist auch dieser Glaube an die Schönheit der Musik, die ihn mit der zunehmenden Entmenschlichung seiner Umwelt fertig werden lässt. Und vielleicht war dies auch der Glaube, von dem sich Karl Alfred Loeser in seiner Exilexistenz tragen ließ.

„Karl Loeser behielt recht“, meint Peter Graf in seinem Nachwort: „Die Finsternis wich einem neuen Licht, und wie den dunklen Wolken womöglich zu begegnen ist, die unentwegt und immer wieder aufs Neue aufsteigen, ist eine der Lehren, die sein Roman für uns Lesende bereithält.“

Der Roman erschien im Klett-Cotta Verlag, der mir für diese Besprechung ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte.

Ein Wolkenbruch von einem Buch, ein Jahrhundertwerk: Die Insel des zweiten Gesichts von Albert Vigoleis Thelen

„Wenn ein Deutscher sich an einer historischen Stätte niederläßt, schöpft er tief Atem, krempelt die Hemdärmel hoch, falls er nicht schon hemdärmelig die Stätte betreten hat, zückt seine Bleifeder und schreibt eine Ansichtskarte. Das ist schon so, seit es auf der Welt Deutsche und Ansichtskarten gibt, zwei Schöpfungen, die sich ergänzen.“

Albert Vigoleis Thelen, „Die Insel des zweiten Gesichts“.

Mal abgesehen davon, dass es heute eher Selfies und Whatsapp-Fotos sind, die verschickt werden: Manche Dinge ändern sich nie. Und so pilgern wie in den 1930er-Jahren, als sich der in Süchteln am Niederrhein geborene Schriftsteller Albert Thelen (den Vigoleis eignet er sich als Pseudonym und Alter Ego im Laufe seines abenteuerlichen Lebens später an, in Anlehnung an das mittelalterliche Versepos Wigalois des Wirnt von Grafenberg) auf Mallorca zeitweise auch als Reiseführer durchschlug, auch heute noch Scharen von Touristen nach Valldemossa, um dort ihr Mallorca-Bildungsprogramm zu absolvieren. Die Besichtigung der Klause, wo George Sand mit Frédéric Chopin einen Winter lang fröstelte und das unverheiratete Paar unter der Ablehnung der erzkatholischen Mallorquiner litt, gehört zum literarischen Bildungsprogramm eines Aufenthalts auf der Balearen-Insel. Wenn auch die wenigsten von ihnen „Un Hiver à Majorque“ gelesen haben dürften. Und unter uns: Es lohnt das Lesen nicht. Sowieso nicht im Vergleich zur Insel des zweiten Gesichts, dem eigentlichen Mallorca-Buch, „das größte Buch dieses Jahrhunderts“, wie Maarten ‘t Hart, ein Thelen-Aficionado, bekannte. Wer des Holländischen mächtig ist, lausche und schaue hier.

In Gefahr, ob der Begeisterung über diesen barocken Brocken von Buch in den „Kaktusstil“ seines Verfassers zu verfallen (dazu später noch eine Anmerkung), zurück zum Vergleich George Sand und Albert „Don Vigo“ Thelen: Es ist jedenfalls eine schreiende Ungerechtigkeit der Literatur, dass die kalte Kartause in jedem Reiseführer zu finden ist, aber kaum einer an die Calle del General Barceló No. 23 erinnert. Oder gar an den „Turm der Uhr“, ein Horst für eine kriminelle Schmugglerbande und Bordell zugleich – gut, diesen zu verorten, dürfte auch schwierig sein, schrieb Thelen doch später selbst darüber: „der Witz ist nur der, daß ich selbst tarnend hatte schreiben müssen, und ich verschleierte die katasteramtliche Örtlichkeit, denn schließlich deckte ich Dinge auf, mit denen sich Behörden auch nach Jahren noch beschäftigen können…. So griff ich zum Schleier der Maja in einem Buch, das von der Wahrheit lebt und worin alles der Wirklichkeit nachgebildet ist…” (AV Thelen: Brief an die Redaktion, MERIAN Mallorca, Heft 3 März 1960).
Quelle: http://www.vigoleis.de/content/insel/0/67.htm

Doch hier kommen Don Vigo und seine Herzensdame Beatrice zeitweilig unter, als sie völlig abgebrannt und ohne einen Peso sind, freilich ohne sich an den Machenschaften im Turm zu beteiligen. Als sie sich mit Gelegenheitsarbeiten – sie als Sprachlehrerin, er als Reiseführer und Sekretär für andere prominente Mallorca-Exilanten, darunter Harry Graf Kessler und Hermann Graf Keyserling – etwas besser durchschlagen, wenn auch nach wie vor kaum für täglich Brot, geschweige denn einen zweiten Tisch oder Stuhl sorgen können, folgt der Umzug in die Straße des Generals. Doch zurück zum Anfang: Wie gelangen Albert Vigoleis und Beatrice (die über dies ungleich länger als George und Frédéric miteinander verbunden blieben, nämlich bis zum Rest ihres langen Lebens) überhaupt auf diese Insel?

Das Buch in nüchternen Worten beschrieben: 1931 erreicht Beatrice, die ihren Albert Vigoleis in Köln kennengelernt hatte, ein Telegramm ihres Bruders. „Liege im Sterben, Zwingli“, schreibt der Luftikus, der als Hotelmanager auf Mallorca tätig ist. Das damals noch unverheiratete Paar eilt stante pede zur Hilfe – um den Bruder zwar etwas mitgenommen, aber durchaus leibhaftig anzutreffen. Seine lebensbedrohliche Erkrankung ist die Liebe zur Hure Pilar, die ihn nicht nur nach Strich und Faden ausnimmt, sondern regelmäßig auch mit fliegendem Geschirr, Mobiliar und einem Messer bedroht. Zwar gelingt es Beatrice, den Bruder aus den Klauen Pilars zu befreien und alle Schulden zu begleichen, aber der Preis ist heiß und hoch: Danach sitzen Beatrice und ihr Don Vigo auf dem Trockenen, nicht einmal mehr Geld zur Rückreise bleibt. Aus dem geplanten Besuch wird ein Daueraufenthalt, der bis 1936 währt. Auch deshalb, weil die Machtergreifung der Nationalsozialisten alles in der ehemaligen Heimat verändert: Albert Vigoleis Thelen macht aus seiner Abscheu keinen Hehl, bricht mit seiner katholischen Familie am Niederrhein, die sich bereitwillig anschließen lässt und mit seinen Wurzeln. Als der Spanische Bürgerkrieg beginnt, muss sich das Paar unter abenteuerlichen Umständen dem Zugriff der Faschisten entziehen, ihre Flucht führt sie durch halb Europa bis nach Portugal, wo Thelen als Gutsverwalter und Übersetzer des von ihm hoch geschätzten Mystikers und Dichters Texeira de Pascoaes überlebt.

„Die Insel des zweiten Gesichts“ umspannt diesen Mallorca-Aufenthalt, endet, finis operis, 1936:
„Die Natur sorgte für einen letzten Effekt, der bei allem Gleisen doch nicht zu theatralisch genommen sein will. Wieder heulten die Sirenen auf, und im selben Augenblick schloß sich die Wolke. Wer hatte sie fallen sehen? Ein weißlicher Schein umhüllte uns, starr war die Planke, lautlos die Welt. Unsichtbar über uns blaute der glühende Meertag, und unten wallte die Nacht, die das Ziel verhüllt.
Das Ziel hieß: Freiheit.“

Die Kurzzusammenfassung erfasst nicht einmal annähernd, was dieses fast 1000-seitige Werk an Leben und Literatur in sich birgt. „Thelen brennt ein Sprachfeuerwerk ab, das in der Literaturgeschichte seinesgleichen sucht. Mit Hilfe eines Wortschatzes, der der umfangreichste in der gesamten deutschen Literatur sein dürfte“, schreibt der Thelen-Kenner und Germanist Jürgen Pütz. Inzwischen dürfte es mehr literatur- und sprachwissenschaftliche Arbeiten über die Verwendung neuer Wortschöpfungen, Wiederbelebung altdeutscher Worte und dem artistischen Umgang damit bei Thelen geben, als aktive Leser seines Werks. Was jammerschade wäre. Jürgen Pütz nennt in seinem Nachwort zur Ausgabe im Claasen Verlag einige Beispiele:

„Alleine für Zwinglis Freundin Pilar hält Thelen zahlreiche Synonyme bereit: Schlunte, Zaupe, Zauche, Lunze, Schindkracke, Bettunzel, Schöke, Hehre, Strunze.“

Wer so mit Wörtern umzugehen vermag, der braucht Raum. Doch nicht nur dieses führt dazu, dass „Die Insel des zweiten Gesichts“ zum ausufernden Leseerlebnis wird, von dem man sich wünscht, es möge nicht so schnell enden (was es in der Tat auch nicht tut – es ist eines dieser Bücher, die man immer wieder lesen kann und dabei immer wieder Neues entdecken wird). Es ist auch dieser mäandernde, digressive Erzählstil, den Thelen pflegt, der zum Volumen beiträgt. Immer wieder schießt er bei seinen Anekdoten vom Inselleben vor und zurück, führt uns in die Welt seiner niederrheinischen Familie oder auf das portugiesische Gut, integriert kunstvoll Abschweifungen und Ablenkungen von der eigentlichen Inselerzählung. Thelen selbst nennt das „Kaktusstil“:

„(…) es bilden sich Ableger, ins Wilde hinein, wie beim Kaktus, der gerade da Augen setzt, wo man sie nicht erwartet.“

Es braucht fast zwanzig Jahre, bis Albert Vigoleis Thelen, der bis dahin nur einen Gedichtband veröffentlichen konnte, die Mallorquiner Ereignisse in diese Mischung aus Autobiographie und romanhafter Erzählung goss. Ein Beispiel autofiktionaler Literatur, die heute wieder so en vogue ist – doch an Thelen reicht keiner heran, so funkensprühend, lebensprall, ausufernd, exorbitant ist dieses Buch. Ein Solitär, aber leider auch ein „One-Hit-Wonder“: Wiewohl die 1953 zugleich in den Niederlanden und Deutschland erschienene „Insel“ ein Jahr später mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet wurde, obgleich Thomas Mann, Paul Celan und Siegfried Lenz das Buch über die Maßen lobten, der große Erfolg blieb Thelen versagt. Mit ausschlaggebend dafür war, dass das Buch nicht in den Zeitgeist der Nachkriegs-Autoren passte, wie auch Agnes Steinbauer in einem Beitrag für den Deutschlandfunk hervorhob:

„Sein ausladend-verästelter Erzählstil, den er selbstironisch Kaktusstil nannte, passte nicht ins literarische Profil der frühen Nachkriegsjahre. Bei einer Lesung 1954 in Bebenhausen kam es zu einem Eklat, den Thelen nie verwand. Noch Jahrzehnte später erinnerte er sich: „Ich wurde von Hans Werner Richter sehr unfreundlich empfangen, ja ich darf es wohl sagen und ich muss es ja auch schließlich sagen, denn es entspricht der Tatsache und der Wahrheit: es war ungezogen.“ Richter – Vorsitzender der Gruppe 47 – hatte sich mit sarkastischen Bemerkungen über Thelens altertümelndes „Emigrantendeutsch“ mokiert.“

Oder, wie Jürgen Pütz es formuliert: „Regentropfen hätten sie toleriert, aber es kam ein Wolkenbruch.“

Diesem Wolkenbruch sind einige der schönsten, komischsten, tragischkomischen und gescheiterten Figuren zu verdanken, die man sich in der deutschsprachigen Literatur erlesen kann: Angefangen vom Autor selbst, der in mir das Bild eines melancholischen und zugleich witzigen Pierrots hervorruft, der vor Fantasie und Sehnsucht sprüht. Saludos a Don Vigo! Aber daneben auch die Beatrice mit ihren Inka-Wurzeln, der frustrierte ehemalige Kampfflieger Martenstein, der an einem Roman schreibt, in dem er eine Affenarmee aufmarschieren lässt, die anarchistischen Uruguayer, die regelmäßig mit ihren selbstgebastelten Bomben scheitern, die angebliche amerikanische Backpulver-Millionärin, von der sich Don Vigo adoptieren lassen will und der pornosüchtige jüdische Exilant Silberstein, um nur einige zu nennen: Was für ein köstliches Welttheater sich da entfaltet!

„Die Insel des zweiten Gesichts“: Wenn ich vor die Wahl gestellt würde, welches Buch ich auf einen Inselaufenthalt mitnehmen dürfte, dann wäre es ohne Zweifel dieses.

EDITION FAUST: Meister Floh von E.T.A. Hoffmann, illustriert von Alexander Pavlenko

    WERBUNG

    Neu in der Edition Faust:
    E.T.A. Hoffmann hat seinen Meister Floh unter der bedrohlichen Metternich-Zensur in seinem Todesjahr 1822 veröffentlicht. Die sieben verwickelten Abenteuer, in denen der Herr Peregrinus Tyß „manches Seltsame in und an sich trug“ und aberwitzige, groteske Erlebnisse hat, sind in der „berühmten schönen Stadt Frankfurt am Main“ angesiedelt. Darin verschmelzen Traum und Märchenrealität auf eine Weise, die die Gestaltungskraft des FAUST-Zeichners Alexander Pavlenko befeuerte.

    „Wie in anderen Märchen Hoffmanns spielt sich die Geschichte vom Meister Floh auf zwei Ebenen ab, einer realen und einer Phantasieebene, die aber eng miteinander verschränkt sind. Die Stadt Frankfurt am Main – schon damals eine Messestadt und Handelsmetropole und damit eine Stadt nüchtern rechnender und romantischer Phantasie eher abholder Kaufleute – fungiert dabei als Kontrast zur märchenhaften Phantasiewelt. Ein Gegensatz zwischen nüchterner Kaufmannssicht und der Sicht des versponnenen, der Kinderwelt zugeneigten Romantikers ergibt sich auch zwischen dem Helden des Werks, Peregrinus Tyß, und seinem Vater, einem typischen Frankfurter Kaufmann“. (Ralph Zade)

    Passend zum 200. Todestag 2022 illustrierte Alexander Pavlenko die Novelle Der goldene Topf von E.T.A. Hoffmann in der Edition Faust, nun erscheint kurz darauf die Erzählung Meister Floh in einer visuell herausragenden Neuausgabe. Ihre Bildwelt erfährt in den Illustrationen von Alexander Pavlenko eine zeitgemäße Interpretation. Pavlenko zitiert die im 19. Jahrhundert verbreitete Scherenschnitttechnik und ermöglicht einen neuen Blick auf E.T.A. Hoffmanns Klassiker mit all seinen Doppeldeutigkeiten.

    Der deutsch-russische Künstler Alexander Pavlenko studierte Kunst, Geschichte und Trickfilm in seinem Geburtsort Rjasan sowie in Moskau. 1992 ließ er sich in Deutschland nieder und arbeitete für diverse Filmstudios, Medienunternehmen und Verlage. Seine Comics wurden in Deutschland, Frankreich, Japan, England und Russland publiziert. In der Edition Faust erschienen bereits zwei illustrierte Erzählungen von Alexander Pavlenko: Oscar Wildes Lord Arthur Saviles Verbrechen (2018), E.T.A. Hoffmanns Der goldene Topf (2022) sowie die umfangreiche Graphic Novel FAUST nach Goethes Faust I (2022).

    Informationen zum Buch:

    E.T. A. Hoffmann
    Meister Floh
    Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde
    Illustriert von Alexander Pavlenko
    Hardcover. 224 Seiten. € 24,–
    ISBN 978-3-949774-15-7
    Edition Faust, Frankfurt a. M., 2023
    https://editionfaust.de/

    Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für die Edition Faust. Rezensionsexemplare und Fahnen können via kontakt@birgit-boellinger.com angefragt werden.


    Lesezeichen von: Max Brod

    “Und nur eines hatte ihm der Vater verboten, in den Shakespearebänden den Othello. Arnold befolgte auch getreu diese Absperrung, ängstlich wich er dem Stück aus, obwohl seine Neugierde aufs höchste erregt war und niemand ihn überwachte (…). Und als Arnold, zu Jahren gekommen, später einmal diesen fürchterlichen “Othello” durchnahm, fand er zwar gleich in der ersten Szene eine obszöne Phrase, im Ganzen aber nichts, was dieses Stück vor den vielen, die er lesen gedurft hatte, ausgezeichnet hätte. Derartige Phrasen hatte er ja als Kind zu hunderten unverstanden eingeschluckt. Und so blieb ihm dieses Verbot seiner Kinderjahre weiterhin ein Geheimnis, über das er seinen Vater aus Respekt auch nachmals nicht weiter auszuforschen sich getraute.”

    Aus: “Arnold Beer. Das Schicksal eines Juden”, Max Brod, 2013 wieder aufgelegt beim Wallstein Verlag.

    Max Brod, der enge Freund und Nachlassverwalter Kafkas, der dessen Werke gegen dessen Anweisung nicht vernichtete, sondern sie für die Nachwelt erhielt und veröffentlichte, war zu seiner Zeit selbst ein äußerst erfolgreicher Schriftsteller. Seine eigenen Romane sind heute jedoch eher vergessen, sein eigenes Werk steht im Schatten Kafkas. Der Wallstein Verlag gab einige von Brods Büchern, ausgewählte Werke, vor wenigen Jahren wieder heraus – was für ein Schatz! Wunderbare Entdeckungen waren für mich “Die Frau, nach der man sich sehnt”, der historische Roman “Tycho Brahes Weg zu Gott”, aber vor allem “Arnold Beer. Das Schicksal eines Juden”. Die ersten sechzig Seiten, so Peter Demetz in seinem Vorwort, “zählen zu den besten, die Brod je geschrieben hat”. Beurteilen kann ich dies nicht: Dazu habe ich noch zu wenig von Max Brod gelesen. Aber nachvollziehen kann ich, was Demetz weiter über diesen kurzen Roman aus Brods Frühwerk schreibt: ” (…) kein anderer Schriftsteller hat die kleine Welt der Prager assimilierten Jeunesse dorée vor dem Ersten Weltkrieg danach mit größerer Detailtreue und ratloserer Skepsis gezeichnet.”

    Schon die ersten Seiten, in denen das Kind Arnold dem Lesefieber verfällt, die Szenen, wie er unter der Aufsicht des Vaters nur ausgewählte Werke aus dem ansonsten verschlossenen Bücherschrank entnehmen darf, sind so lebhaft und plastisch geschildert, dass man sich das bürgerliche Wohnzimmer der Prager Familie deutlich vorstellen kann. Und zugleich hat dieser Ausschnitt bei mir Erinnerungen geweckt an die eigene Lesebiographie. Shakespeare gab es in unserem Haushalt nicht, aber Leseverbote schon: Auf keinen Fall sollte ich die Angélique-Reihe anrühren, zu verrucht! Mir ging es später wie dem erwachsen gewordenen Arnold: Die verruchten Stellen zauberten lediglich ein kleines Schmunzeln hervor…

    William Faulkner: Als ich im Sterben lag

    „Aber ich mach ihr keinen Vorwurf.“

    Dieser eine Satz, den der alte Farmer immer wieder wie ein Mantra wiederholt, enthüllt die ganze Absurdität der Situation: Denn Addie, die ursächlich ist für diese tragisch-komische Odyssee, auf die sich ihre Familie begibt, liegt da längst schon tot im Sarg und ist völlig unempfänglich für Vorwürfe. Sie, die Mutter von fünf Kindern, hatte ihrem Mann Anse das Versprechen abgenommen, nicht in Yoknapatawpha County unter die Erde zu kommen, sondern in der weit entfernt liegenden Kleinstadt Jefferson, aus der sie ursprünglich stammte. Ein deutliches Statement: Im Tod wollte sie sich nicht mehr gemein machen mit dem spindeldürren, buckligen, zahnlosen Farmer, den sie da gefühlt weit unter ihrem Stand geheiratet hatte.

    Noch unter den Augen der Sterbenden zimmert ihr Sohn Cash also einen Sarg und werden die Reisevorbereitungen getroffen. Doch vorher müssen, trotz aller Warnungen vor einem aufkommenden Unwetter, noch einige Handvoll Dollar verdient werden – also schickt Anse zwei seiner Söhne noch auf eine letzte Fuhr vor der Abfahrt. Weil sich dadurch alles verzögert, stößt der Leichenzug auf die zu erwartenden Hindernisse: Der Fluss läuft über, die Brücken brechen und beim Versuch, das reißende Wasser zu überqueren, gehen Fuhrwerk und Sarg beinahe verloren.

    Als die Familien dann letzten Endes trotz aller Widernisse in Jefferson anlangt, während bereits die Bussarde über der Truppe streifen, angezogen vom Verwesungsgeruch, haben beinahe alle etwas verloren: Der älteste Sohn Cash sein Bein, Darl seinen Verstand, Jewel sein mühsam erspartes Pferd, Dewey Dell das Geld für eine Abtreibung und der Jüngste die Unschuld seines kindlichen Denkens. Nur Anse erlebt ein Happy End oder, wie Eberhard Falcke es in seiner Rezension für den Deutschlandfunk formuliert, „die haarsträubend mickrige Parodie eines Happy Ends“. Mit dem Geld seiner Kinder leistet er sich endlich ein neues Gebiss und präsentiert en passant gleich eine neue Mrs. Bundren.

    William Faulkners Roman „Als ich im Sterben lag“ erschien 1930 und war, nach „Schall und Wahn“ das Buch, das seinen Weltruhm als außergewöhnlicher Stilist begründete. Eine Tour de Force, nicht nur für die Protagonisten, die mit unvergleichlicher Zähigkeit an ihrem Vorhaben festhalten (ein ums andere Mal kommt beim Lesen der ketzerische Gedanke auf, warum man Addie nicht einfach an Ort und Stelle begräbt). Sondern auch ein Parforceritt für den Schriftsteller selbst, wie Eberhard Falcke in seiner Rezension ausführt:
    „Tatsächlich war es eine Tour de Force im doppelten Sinn, auf die sich Faulkner hier eingelassen hatte. Er schrieb das Buch, wie er behauptete, in nur sechs Wochen, des Nachts, während er das Heizwerk der Universität beaufsichtigte. Zugleich aber handelt der Roman buchstäblich von einer verrückten Gewalttour, von einem schicksalsprallen Abenteuer, von einer Odyssee, deren Personal allerdings nicht aus griechischen Helden, sondern aus ärmlichen amerikanischen Südstaatenfarmern besteht.“

    Faulkner hatte bereits mit „Schall und Wahn“ seinen literarischen Kosmos gefunden, sein Sujet, die armen, rückständigen Farmer und Leute aus dem amerikanischen Süden, meist gottesfürchtig, wenn nicht gar fundamental christlich, immer aber auch psychisch oder physisch gewalttätig, archaisch im eigentlichen Sinne. „White trash“ würde man sie heute nennen, die Bundrens, zu denen man, je weiter die Reise vorangeht, ein in sich widersprüchliches Verhältnis entwickelt, das sich aus Unglauben, Mitleid, Empathie und Abstoßung zusammensetzt. Eben wie im echten Leben.

    Nebst der Wahl dieser ungewöhnlichen Protagonisten, wahrer Antihelden, war die eigentliche Sensation des Romans bei seinem Erscheinen seine formale Konzeption: Multiperspektivisch, es kommen Dutzende von Stimmen zu Wort, selbst die Addies, zusammengesetzt aus inneren Monologen, die insbesondere im Falle des jüngsten Sohns, des Kindes Vardaman, verdeutlichen, was „Bewusstseinsstrom“ bedeutet. Faulkner war einer der ersten Autoren, der diese Technik, ja, vielmehr Kunstgriff, anwandte. Und so ist „Als ich im Sterben lag“ auch ein faszinierendes Puzzle, das nach und nach die Geheimnisse seiner einzelnen Figuren enthüllt, ein Bild ergibt, das dennoch niemals alles enthüllt – die letzte Deutung bleibt den Lesern überlassen.

    „Als ich im Sterben lag“ erschien 2012 anlässlich des 50. Todestages des Literaturnobelpreisträgers in einer neuen Übersetzung durch Maria Carlsson im Rowohlt Verlag.

    PS:
    Eine kleine Anmerkung in eigener Sache: Als ich vor knapp drei Jahren sozusagen “die Seiten wechselte”, von der Freizeit-Bloggerin zur PR-Frau für unabhängige Verlage und für Autor*innen wurde, habe ich das “freie Rezensieren” auf meinem Blog eingestellt. Zum einen kam es mir vor, als könne ich beide Rollen nicht vermischen, zum anderen war es eine Frage der Zeit. Aber das zweckfreie Bloggen über Bücher hat mir in den letzten Monaten mehr und mehr gefehlt. Gelesen habe ich ja auch weiterhin außerhalb meines beruflichen Tuns, aber nicht mehr darüber geschrieben. Doch die Auseinandersetzung mit Büchern gestaltet sich einfach nochmals anders, ja, auch qualitätsvoller, wenn man über sie spricht oder schreibt. Und auch wenn Literaturblogs immer wieder in Zeiten von Insta-Stories und Tik Tok totgesagt werden: Ich hab wieder Lust drauf. Nicht zuletzt gaben auch einige Blogger-Kolleg*innen den Anstoß dazu, die mir sagten: Du fehlst. Also, kurzum: Ich bin wieder da, ab und an wird es hier wieder Rezensionen geben, ganz frei und nach Lust und Laune.

    Beitragsbild: Trenna Sonnenschein auf Pixabay

    Lesezeichen von: Herta Müller

    “Wenn ich erklären soll, warum für mich ein Buch rigoros ist oder flach, kann ich nur auf die Dichte der Stellen hinweisen, die im Kopf den Irrlauf hervorrufen, Stellen, die mir die Gedanken sofort dorthin ziehen, wo sich keine Worte aufhalten können. Je dichter diese Stellen im Text sind, um so rigoroser ist er, je schütterer sie stehen, um so flacher ist der Text. Das Kriterium der Qualität eines Textes ist für mich immer dieses eine gewesen: kommt es zum stummen Irrlauf im Kopf oder nicht.”

    Aus: “Der König verneigt sich und tötet”, Herta Müller, Hanser Verlag, 2003.

    Was Sprache ausmacht, wie Muttersprache den Menschen prägt, was Worte verschweigen, was Schweigen sagt, was Reden und Schreiben in einer Diktatur bedeutet, um all dies dreht sich dieser Band der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, angesiedelt zwischen Autobiographie und Essay. Ein Grundriss ihrer Poetologie, ein Zeugnis davon, wie ihre Dichtkunst geprägt wurde durch das Aufwachsen in einer Gesellschaft, in der das Schweigen alles überlagerte.
    Und der Text einer Schriftstellerin, die bei mir immer das eine erreicht: den stummen Irrlauf im Kopf in Gang zu setzen.

    Ditha Brickwell: Engeltreiber

    Mit ihrem neuen Roman „Engeltreiber“ holt Schriftstellerin Ditha Brickwell das Welttheater des 20. Jahrhunderts auf die Bühne. Anhand zweier Lebensgeschichten spannt Brickwell einen weiten Bogen über Jahrzehnte der Weltgeschichte, die von Krieg, Not und den Härten der Nachkriegszeit geprägt waren, ihre Figuren treibt es durch die Hauptstädte Europas, Wien, Paris, Berlin… von den Umständen bedrängt, nehmen sie doch ihr Leben in die Hand…

    Mit ihrer bildreichen Sprache erzeugt Ditha Brickwell bei den Lesern Empathie für ihre Figuren, sie durchbricht den düsteren Hintergrund der geschilderten Zeit mit komischen Momenten und warmherzigem Humor. „Engeltreiber“ erzählt von der Perlenfädlerin Genoveva, Tochter zugewanderter mährischer Bauern, denen in Oberösterreich Missachtung und Ausgrenzung entgegenschlägt. Und von Leo, dem alleingelassenen Sohn reicher Eltern, der in Künstlerkreise, die Abhängigkeit von einer Frau und materielle Not gerät. Die Wege der beiden kreuzen sich, sie schildern einander Episoden vom tapferen Überleben und geben sich Halt. Entlang der Wirklichkeit erzählt hören wir Stimmen im Originalton – aus dem Milieu der Armut und aus den Wiener Künstlerkreisen der kreativen Sechziger Jahre, deren Mitglied Ditha Brickwell war. Als Leser dieser Lebensgeschichten erahnt man den Ursprung unserer heutigen Krisen – wie die apokalyptischen Reiter brechen sie hervor: Pandemie, Hunger, Krieg.

    Engeltreiber ist der erste Band der Trilogie Dunkelreise – drei Bücher über drei Epochen  und deren Charaktere –starke Frauen und fantasievolle Jugendliche, jüdische Familien und ihre widerständigen Helfer, Künstler und Weltwanderer…sie alle sind unterwegs auf der Suche nach besserem Leben.

    Zur Autorin Ditha Brickwell:
    1941 in Wien geboren, studierte Architektur, Städtebau und Bildungsökonomie in Wien, Berlin und New York. Sie arbeitete in Helsinki, Tel Aviv und Paris sowie für den Berliner Senat und die EU in Brüssel, um neue Perspektiven für verarmte Stadtregionen zu entwickeln. Seit 1987 schreibt sie Romane, Essays und Erzählungen. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Wien und Berlin.
    Publikationen (Auswahl): 
    Die Welt unter meinen Zehen, Zwölf Geschichten aus hundert Jahren. Drava 2019; 
    Fedjas Flucht, Roman, Drava 2018; 
    Die Akte Europa – eine Utopie geht verloren, Essay-Roman,
    Wieser 2010 (ausgezeichnet mit dem Bruno-Kreisky-Preis); 
    7 Leben – Frauen biographien, Freimut & Selbst 2005; 
    Der Kinderdieb, Roman,Deuticke 2001; 
    Angstsommer, Roman, Mandelbaum Wien 1999. 

    Informationen zum Buch:
    Ditha Brickwell
    Engeltreiber
    Roman
    Januar 2023
    Hardcover, Lesebändchen, 476 Seiten, 26,90 Euro

    Drava Verlag:
    8.-Mai-Straße 12
    A-9020 Klagenfurt / Celovec
    https://www.drava.at/

    Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit.

    Lyrikhandlung Tübingen: Eine Heimat für Nachwuchstalente

    Im vergangenen Sommer war der Ulmer Lyriker Marco Kerler mit seiner Schreibmaschine auf der Terasse der Lyrikhandlung zu Gast. Diese soll künftig zum ständigen Poetry’s Corner werden.

    In der Lyrikhandlung am Hölderlinturm in Tübingen erwartet Besucherinnen der Buchhandlung nicht nur die ganze Bandbreite bekannter klassischer und zeitgenössischer Lyrik sowie ein ausgewähltes Angebot an literarischer Belletristik, Biografien, feiner Papeterie und vieles mehr, sondern auch Texte noch unbekannter Autoren. Noch mehr als zuvor will Ulrike Geist künftig ihren Laden für junge, unbekannte Dichterinnen und Dichter öffnen und lyrische Nachwuchsförderung betreiben. So findet ab diesen Sommer auf der Terasse vor der Lyrikhandlung jeweils von 12.30 bis 13.30 Uhr eine „Lyrische Mittagspause“ statt. „Junge Autorinnen und Autoren sind eingeladen, hier ihre Texte vorzutragen und ihre Wirkung zu erproben, bevor sie gedruckt in die Welt entlassen werden“, erklärt Ulrike Geist. Ebenso werde künftig einer der beiden Lyrikautomaten mit Texten junger, noch unbekannter Autorinnen bestückt. „Ich möchte damit das Schaffen von Nachwuchsautoren unterstützen, ihnen den Weg zu erster Bekanntheit und größerer Verbreitung ebnen“, betont die Buchhändlerin. Texte können als offene Word-Datei zugesandt werden, Ulrike Geist trifft ihre Auswahl und lädt sie in den Automaten.

    Lyrikworkshops für Schülerinnen und Schüler

    Die neuen Angebote fügen sich ein in das Konzept der Lyrikhandlung, die nach Ulrike Geist ein Ort sein soll, an dem „Dichtung gelebt“ wird. Dazu gehört auch ihr Angebot an „Lyrikworkshops für Schüler“ ab der achten Klasse, das bereits jetzt von Schulen im Umkreis von Tübingen gut angenommen wird. Nach dem Vorbild der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller können Jugendliche aus Magazinen und Zeitungen mit Schere und Papier spontane Wort-Collagen schöpfen und erfahren dabei die Lebendigkeit von Sprache und Denken. Die eigenen Arbeiten werden im Anschluss reflektiert, darüber hinaus gibt es begleitende Angebote wie Lyrik-Clips und Einspielungen von Dichterlesungen. Die Workshops werden für bis zu 20 Jugendliche angeboten und können mit Ulrike Geist individuell vorbesprochen werden.

    Ein neues Angebot ist auch die “Nachlese”: Ob allein, zu zweit oder mit einer Gruppe – bei der „Nachlese“, die Ulrike Geist künftig jeden letzten Freitag im Monat anbietet, können Interessierte zwischen 19.00 und 22.00 Uhr völlig ungestört nach Ladenschluss ihrer Leselust nachgehen. Bei Brot, Käse und Wein können Interessierte nach Herzenslust im Sortiment stöbern und schmökern. Erst im Anschluss stößt die Buchhändlerin für Fragen und Beratung dazu. „Ich möchte Menschen dazu anregen, sich einfach einmal in Ruhe mit der ganzen Bandbreite wunderbarer Lyrik zu beschäftigen“, erläutert die Buchhändlerin, „und das gemütliche Ambiente meines Ladens lädt dazu ja auch richtig ein.“ Die „Nachlese“ könne auch individuell an einem anderen Tag, beispielsweise als besonderes Geschenk zu einem Geburtstag oder anderen Anlass oder beispielsweise von einem Lesekreis gebucht werden. Informationen und Anmeldemöglichkeiten gibt es direkt bei der Lyrikhandlung

    Weitere Information und Kontakt:

    Lyrikhandlung am Hölderlinturm
    Ulrike Geist
    Bursagasse 15
    72070 Tübingen
    Telefon: 07071/5667171
    E-Mail: info@lyrikhandlung.de
    www.lyrikhandlung.de

    Im Rahmen meiner Pressearbeit für die Lyrikhandlung am Hölderlinturm.