Kurt Tucholsky: Traktat über den Hund

Kaum ein anderer Text von Tucholsky verursachte solch einen Aufruf wie sein „Traktat über den Hund“. Was deutlich machte: Hundehalter verstehen keinen Spaß.

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Bild von Donald Clark auf Pixabay

„Es muss wohl Katzenmenschen und Hundemenschen geben. Magst du den Hund? Ich auch nicht. Er brüllt den ganzen Tag, zerstört mit seinem unnützen Lärm die schönsten Stillen und wird in seiner Rücksichtslosigkeit nur noch von der seiner Besitzer übertroffen. (Protest des Reichbundes Deutscher Hundefreunde. Kusch).“

Peter Panter, Brief an einen Kater, Vossische Zeitung, 25.11.1927

Kurt Tucholsky liebte das freie Wort, die Frauen und Katzen. Hunde liebte er nicht. Oder präziser: Er liebte nicht, was der Hundehalter, insbesondere der „teutsche“ Hundehalter, aus dem Wesen Hund machte. Und: Der extrem lärmempfindliche Autor, der wegen seiner chronischen Nebenhöhlenentzündungen oft unter höllischen Kopfschmerzen litt, ging an und unter die Decke, wenn in seiner Nachbarschaft Dauergebell zu hören war.

Dieses Kranken am deutschen Wesen Hund und an dem von ihm produzierten Lärm ist hier und da in den Texten Tucholskys zu finden. Er dichtete über „Führerhunde“ (1921), über liebestolle Hunde in „Der Lenz ist da“ (1914) und schrieb in „Zwei Lärme“ (1925) über die Quälereien, die am Klavier dilettierende Nachbarfräuleins und bellende Hunde auszuüben vermögen:

„Allmorgendlich versammeln sich zwei singende Klavierspielerinnen und sechs Hunde in meinem Zimmer, treffen dort zusammen, die Hunde heulen Symphonien, die Klaviere bellen, die Sängerinnen jaulen. Sie zerstören das Beste: Die Ruhe.“

Aber in keinem anderen Texte wurde er so deutlich in seiner Abneigung gegen den „besten Freund des Menschen“ (und dessen Halter) wie im 1927 in der Weltbühne veröffentlichtem „Traktat über den Hund“.

„Hundebesitzer sind die rücksichtslosesten Menschen auf der Welt“, beginnt er seine Überlegungen zum „Tierhalter“ und endet mit dem Schluss:

„So ist der treue Hund so recht ein Ausdruck für die menschliche Seele. Allerseits geschätzt; nur selten in der Jugend ersäuft; gehalten, weil sich der Nachbar einen hält, von feineren Herrschaften auch als Schimpfwort benutzt – so bellt er sich durchs Leben. (…) Eine fortgeschrittene Zivilisation wird ihn als barbarisch abschaffen.“

Boah! Was gab das für einen Aufruhr: Tucholsky wurde mit erbosten Leserbriefen überschwemmt, treue Leser kündigten ihre Abonnements der „Weltbühne“ und ließen wahre Schimpftiraden und Verwünschungen über den Autoren los. Der aber bellte und biss gekonnt zurück und ergänzte sein „Traktat“ 1929 um weitere Kapitel:

„Da habe ich über den Hund traktiert, eigentlich mehr über das nervabtötende Gebell dieser Tiere, und man muß schon das Vaterland, das teure, und was an Generalen, Zeitungen und deutschen Männern drum und dran hängt, beleidigen, um einen solchen Lerm zu erleben.“

(Lerm mit „e“ nach Schopenhauer).

Natürlich hatte Tucholsky als begnadeter Satiriker mit seinen Anti-Hund-Tiraden nicht nur das Hundeherz getroffen, sondern vor allem menschliche Eigenschaften bloßgelegt, die er Hund und Halter zuschrieb: „Duckmäusertum, Kadavergehorsam und Anpassung“ (Claus Lorenzen).
Und so hatte sein „Traktat“ wie andere seiner Texte eben auch eine gesellschaftspolitische Komponente. „Ein großer Teil dieser (…) Menschen hat an dem Hund nur einen Untertan“, schrieb Tucholsky 1922 in „Der Hund als Untergebener“.

Dieser Text, das Traktat sowie etliche weitere Beispiele, in denen „Tucho“ auf den Hund kam, gab Claus Lorenzen in einem wunderbar von Klaus Ensikat illustrierten Band 2013 heraus, erschienen bei der Officina Ludi. Das Buch wurde 2016 nochmals als Sonderausgabe nachgedruckt – ein wirkliches Schmuckstück, das nicht nur Tucholsky-Anhängern, Ensikat-Liebhabern, Katzenfreunden, sondern vielleicht auch dem einen oder anderen Hundehalter gefallen könnte.

„Ich denke mir die Hölle so, daß ich unter Aufsicht eines preußischen Landgerichtsdirektors, der nachts von einem Reichswehrhauptmann abgelöst wird, in einem Kessel koche – vor dem sitzt einer und liest mir alte Leitartikel vor. Neben dieser Vorrichtung aber steht ein Hundezwinger, darin stehen, liegen, jaulen, brüllen, bellen und heulen zweiundvierzig Hunde. Ab und zu kommt Besuch aus dem Himmel und sieht mitleidig nach, ob ich noch da bin – das stärkt des frommen Besuchers Verdauung. Und die Hunde bellen…!
Lieber Gott, gib mir den Himmel der Geräuschlosigkeit. Unruhe produziere ich allein. Gib mir die Ruhe, die Lautlosigkeit und die Stille. Amen.“

Zu den bibliophilen Schmuckstücken der Officina Ludi: http://www.officinaludi.de/

Noch mehr über Kurt Tucholsky auf diesem Blog:

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

12 Gedanken zu „Kurt Tucholsky: Traktat über den Hund“

  1. Es wird wohl doch Zeit für die #Litkatze 🙂
    Wie witzig übrigens, ich lese gerade das Buch von Sylvia Beach, die hier in Paris einen Buchladen führte und „Ulysses“ verlegte. James Joyce war auch so ein Hundehasser, liebte aber Katzen. Ich werde etwas mehr darüber schreiben, wenn ich wieder mehr Zeit habe. Liebe Grüße , Peggy

    1. Liebe Peggy,
      jaja, die #litkatze. Gewisse Bloggerinnen würden sich darüber freuen. Aber derzeit kümmere ich mich mehr um Nilpferde 🙂
      Das Buch von Sylvia Beach finde ich auch sehr interessant, vor allem auch so lebhaft geschrieben, man meint, man ist mittendrin in der Pariser Boheme. Ich wünsch dir noch viel Spaß an der Seine. Liebe Grüße Birgit

  2. Vielen Dank für den Blogbeitrag. Mir war nicht bewusst, dass Tucholsky immer wieder in seinen Werken „auf den Hund gekommen ist“. Ich muss aber auch zugeben, dass ich bisher noch nichts von ihm gelesen habe.
    Das wird sich vermutlich jetzt ändern 😉
    Sehr gefallen hat mir daran aber allen voran, dass man „schon das Vaterland, das teure, und was an Generalen, Zeitungen und deutschen Männern drum und dran hängt, beleidigen [muss], um einen solchen Lerm zu erleben“. Ja, leider fühlen sich Menschen immer gleich viel zu schnell angegriffen, ohne zu versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen.

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