Lesezeichen von: Rainer Maria Rilke

Rilke und Lou Andreas-Salomé: Ihre leidenschaftliche Liebe währte nicht lange, ihre Freundschaft ein Leben lang. Geblieben sind wunderbare Briefe.

Bild von Nile auf Pixabay

Aus meinem Tag soll ich Dir noch erzählen: er ist arm, denn Du bist fern; er ist reich, denn Deine Güte liegt leuchtend über seinen Dingen. Ich spreche viel zu Dir und mit allem von Dir. Lebe leider mitten unter Menschen die mit ihrem Lautsein meine Träume stören, natürlich kenne ich keinen. Es sind Menschen, die von Ausflügen, Regentagen und Kindererziehung sprechen, sich tiefe Verbeugungen machen, wobei sie grinsen und sich die Hände reiben, und sich täglich zehnmal übermäßig laut „Guten Morgen“ sagen. (…) Es ist nicht allein wertvoll, daß zwei Menschen einander erkennen, es ist von großer Wichtigkeit, daß sie einander zu rechten Zeit finden und mit einander tiefe und stille Feste feiern in denen sie zusammenwachsen in ihren Wünschen, um gegen Stürme geeint zu sein. Wieviele Menschen mögen schon an einander vorübergegangen sein, weil sie nicht Zeit fanden sich an einander zu gewöhnen; ehe zwei Menschen gemeinsam unglücklich sein dürfen, müssen sie zusammen selig gewesen sein und eine gemeinsame heilige Erinnerung haben, die verwandtes Lächeln auf ihre Lippen und verwandte Sehnsucht in ihren Seelen bewahrt. (…) Solche Menschen gehen durch alle Stürme gemeinsam.

Ich fühls!
Rainer.

Rainer Marie Rilke an Lou Andreas-Salomé, 5.9.1897

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

18 Gedanken zu „Lesezeichen von: Rainer Maria Rilke“

    1. Ich halte nichst davon, Dichter und ihre Werke in einen Elfenbeinturm der Unantastbarkeit zu zwingen. Dichtung will gelesen werden – und sie soll es von ALLEN auch gekonnt werden. Insofern habe ich gegen die Zerpflückung in Teilbereiche nichts, sofern sie sorgfältig gemacht ist – und dies ist beim Hausverlag anzunehmen. Es mag sein, dass so jemand den Zugang zu Rilke findet, der ihn zuvor nicht kannte. Oder auch weder Zeit noch Muse hat, sein Gesamtwerk zu studieren. Aber wenn er so nur einmal von dieser Sprache gestreift wird, auf diesem Weg, dann ist es gut. Ich kann mit diesem elitären Anspruch, der aus diesem Kommentar zu mir spricht, leider wenig anfangen. Zudem – aber das ist der rein persönliche Aspekt – kenne ich mehr von Rilke als diese „schauderhafte“ Essenz – allerdings wurde mir das „Büchlein“ zum Geschenk gemacht, und von daher ist es mir schon lieb und teuer genug.

      1. Ich will weder dein Geschenk madig machen noch denke ich aus einem Elfenbeinturm. Ich habe nur etwas angemerkt was von einer anderen Seite betrachtet wird. Deine Gründe mögen plausibel erscheinen und aus Buchhändlerischer Sicht auch gut. Dennoch sehe ich es ambivalent wenn man einen Autor in allen möglichen Bereichen publiziert. Mag mir gestattet sein. Und wer vielleicht keine Zeit hat sich dem gestaltendem Geist zu nähern braucht eventuell ja etwas für die Jackentasche.
        Und ich sehe es nicht elitär meine Zweifel hierzu bekunden.
        So könnte man auf Argumentieren mit Herrn Proust oder Musil oder anderen um es den Menschen einfacher zu machen sich dem Werk zu nähern. So kann der eine es mögen und der andere nicht. So ist es.

  1. Rilke berührt und tröstet mich immer unmittelbar. (Er rührt mich auch regelmäßig zu Tränen) Er erdet mich.
    Liebe Birgit,außerdem hast Du ein Talent ,solche Auszüge genau im richtigen Moment zu veröffentlichen.Für mich,meine ich… wenn ich mir wieder einmal Fragen stelle,die nicht zu beantworten sind. Denn das „Hineinleben in die Antworten“,das ist schwer.(Will ich aber unbedingt noch hinkriegen 🙂 ) Danke,sagt Mensch Päddra

  2. Every day a Rilke-day. Wow! Wenn Ihr wüsstet, wie spät in meinem Leben ich Rilke überhaupt erst… – Warum er tröstet? Weil er alles so genau schreibt? Weil er die schlimmsten Dinge diskret anspricht? Unaufgeregt, gefasst. Weil er so lange dünnhäutig geblieben ist? – Und dass ich mich oft trotzdem scheue, ein Buch von ihm aufzuschlagen – !? Weil mich seine Worte eben doch mit einer unverstellten (und von der Zeit nicht abgewaschenen) Wucht treffen.

  3. Sehr schön und sehr wahr.
    Die Idee, zu grinsen, die Hände zu reiben und sich zehn Mal am Tag übermässig laut Guten Morgen zu sagen, ist sehr aufheiternd und vielleicht gar nicht so schlecht 🙂
    Ich hoffe der Januar hat gut für dich begonnen,
    Dagmar

    1. Guten Morgen! Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!Guten Morgen!
      Ich bin zwar noch krankgeschrieben, aber allmählich wieder gut drauf 🙂 Drei Wochen lesend zuhause, sich über das Unterschichts-Fernsehen tagsüber ärgen, Tee trinkend und Verwöhnprogramm erhalten mit Hühnersuppen-Essensdienst – das ist eigentlich auch kein schlechtes Leben!
      Liebe Grüße Dir nach London, Birgit

      1. Das hört sich wunderbar munter an! Freu mich dass es dir wieder besser geht. Manchmal muss man einfach mal krank werden um alle Pflichten und Verpflichtungen von sich werfen zu können…
        Ja, bei dem was du Unterschichtsfernsehen nennst, stell ich mir gern vor, dass pelztragende ladies-who-lunch in Blankeneser Villen das genauso gucken 🙂
        Ganz liebe Grüsse und ich les mich langsam aber sicher durch dein Archiv,
        Dagmar

      2. Liebe Dagmar,
        ich hoffe, dir geht’s auch gut – aber mit gefrorenen Erdbeeren kann auch nichts mehr schiefgehen 😄 oh, auf einer Ebene mit Pelz-Blankenesinnen 🙂 da leg ich jetzt besser eine Ingmar Bergman-DVD ein 😄

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