Anke Glasmacher: Ein morsches Licht

Anke Glasmacher nimmt uns mit auf ihre Streifzüge durch Landschaften und Städte. Die Beobachtungen dabei: Leise, melancholisch, unerbittlich.

Bild: https://pixabay.com/de/photos/wandrelief-skulptur-gesicht-frau-6674930/

Am Lebensende

spult sich eine laufmasche
von der achillesferse
langsam nach oben

die alte frau spuckt
ein grunzen über die straße
hinter ihr bleibt

ein blutiges bein
das schwarze kleid wirft
kaum mehr schatten

Aus: „Ein morsches Licht“ von Anke Glasmacher

Es sind die Nachtgedanken einer Spaziergängerin, Bilder, die man beim Umherstreifen durch die Städte pflückt, Beobachtungen der Welt um uns herum. Das ist jedoch nicht in Hochglanz verpackt, sondern in gedämpften Farben beschrieben. Die Bilder erinnern an alte schwarzweiß Fotografien, Licht und Schatten, Nachtgewächse.

„Geisterstunde“ ist ein Kapitel überschrieben, und das ist trefflich: Da sind die Gezeiten ein wechselhafter Tod, die „morsches Licht“ über das Kind auf der Sandbank schütten, während die „eichenschwere“ Zeit nur langsam kriecht. Selbst die Leichtigkeit eines Sonnentages offenbart ihre Schattenseiten.

Stadt, Land, Fluss: Die Lyrikerin, die bereits mehrere Bände im Elif Verlag veröffentlichte, nimmt mit diesem Band die Leserinnen und Leser mit auf ihre Streifzüge durch Landschaften und Städte. Die Beobachtungen dabei: Leise, melancholisch, unerbittlich. Ein besonderes Kapitel ist der letzte Abschnitt, „An einem Freitag“, überschrieben: Ein Totentanz im November, gespickt mit eindringlichen Bildern.

Informationen zum Buch:

Anke Glasmacher
Ein morsches Licht
Elif Verlag 2020
Klappenbroschur mit Fadenheftung, 104 Seiten, 18,00 €
ISBN 978-3-946989-27-1

Die Schriftstellerin betreibt auch eine eigene Homepage: https://www.ankeglasmacher.com/

Marco Kerler: Als hätte sie eine Kirche entweiht

Gegenwärtige, unmittelbare Poesie: Die Gedichte von Marco Kerler erzählen von den großen Emotionen in unserer heutigen Welt.

Bild: Birgit Böllinger

Vergiss nicht:
Ringe hinterlassen
einen weißen Fleck am
Finger wenn man sie
ablegt ist das Land
noch unentdeckt

Marco Kerler/ Michael Blümel: „Als hätte sie eine Kirche entweiht“


Beinahe zart und bedächtig erscheint dieses Gedicht in einem Band, der eine „Atmosphäre des Rauschens“, berauschter Nächte, suchender Tage, zwischen Feier und Verlust hinterlässt. Nicht nur von fernher erinnern die Themen an Charles Bukowski – denn „Unser gemeinsamer Song war ein Bukowski Gedicht“.

Das ist sehr gegenwärtige, unmittelbare Poesie, ihre Melancholie wie ein Kater nach durchwachter Nacht. Sie ist den Emotionen auf der Spur, die uns durch die Nächte und Tage treiben:

Jede Frau die ich
berühre stirbt an
deiner Schönheit

Immer wieder werfen die Gedichte Marco Kerlers auch die Frage danach auf, was Poesie ist – sie ist eben nicht nur in dem Schönen, Guten und Wahren zu finden, sondern auch

im Aschenbecher im Einer in
Baumkronen Augenringen
auf Herdplatten

Davon zeugt auch die Produktivität des 1985 in Ulm geborenen Lyrikers, der bereits mehrere Bände veröffentlichte, seine Gedichte per SMS an Freunde verschickt, die ihm am Herzen liegen und seit 2018 zudem jeden Samstag eines für die Buchhandlung Aegis in Ulm schreibt.

Für diesen Band wurde jedes Gedicht von Michael Blümel illustriert, kraftvoll, detailreich, meist etwas düster.


Informationen zum Buch:

Marco Kerler/Michael Blümel
Als hätte sie eine Kirche entweiht
Rodneys Underground Press (RUP)
Softcover, 96 Seiten, 44 Gedichte, 44 Zeichnungen, 11,00 Euro

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