Marianne Moore: The complete poems of Marianne Moore

Marianne Moore und Elizabeth Bishop: Zwei herausragende Lyrikerinnen der amerikanischen Moderne und doch beinahe vergessen…

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Der Tod von John Ashbery hat mich einmal mehr daran erinnert, welch unbekanntes Terrain doch die moderne amerikanische Lyrik trotz einiger herausragender Namen für ein breites Lesepublikum noch ist. Zwar gibt es einige wenige Poeten, deren Werk (teilweise) ins Deutsche übersetzt wurde, einige Anthologien moderner amerikanischer Lyrik, doch ebenso viele weiße Flecken auf der poetischen Landkarte. Zwei Dichterinnen, beide mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet und durchaus in einem Atemzug mit Sylvia Plath zu nennen, sind hierzulande weitestgehend unbekannt, ihr Werk kaum in die deutsche Sprache übertragen: Marianne Moore und Elizabeth Bishop.

“No water so still as the
dead fountains of Versailles.”

Marianne Moore, 1887-1972

Für ihre konzentrierte, präzise Sprache, den dichten Einsatz von Bildern, Metaphern und anderen sprachlichen Mitteln, für die Fähigkeit, Gedanken und Ideen in dem einen richtigen Wort auszudrücken, wurde Marianne Moore von ihren Kolleginnen und Kollegen allseits bewundert. Moore ist eine der großen Poetinnen der amerikanischen Moderne. Sie setzte sich für die Gegenständlichkeit in der Lyrik ein, bewegt von “a burning desire to be explicit”. Statt Metaphorik die Gegenwärtigkeit und Direktheit des Ausdrucks. Als technisches Mittel diente ihr dazu auch die Vereinnahmung von Zitaten, Schlagzeilen und anderen Fremdtexten – so beginnt ihr berühmtes Gedicht „No swan so fine“ mit dem oben zitierten Satz, den sie in einem Bericht über Versailles las. Und es endet ganz explizit mit den Worten: „The king is dead.“

Die 1887 in St. Louis geborene Marianne Moore war ein vaterloses Kind. Dieser war bereits vor ihrer Geburt nach einem Nervenzusammenbruch in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden, sie lernte ihn nie kennen. 1894 zog die Familie nach Pennsylvania. Marianne Moore besuchte eine private Mädchenschule, erste literarische Gehversuche folgten, 1915 veröffentlichte sie ihre ersten Gedichte. 1918 zog sie mit ihrer Mutter nach New York. Drei Jahre später begann sie als Assistentin in der New York Library zu arbeiten, lernte Wallace Stevens und William Carlos Williams kennen, kam in literarische Kreise. Die mit ihr befreundeten Schriftsteller Hilda Doolittle und Robert McAlmon veröffentlichten ohne ihr Wissen ihr erstes Buch.

Für ihr Werk wurde Moore, die 1972 in New York starb, wiederholt ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzer Preis und dem National Book Award. Mehr noch jedoch zählt wohl die vorbehaltlose Anerkennung durch andere Dichter und Autorenkollegen. So schrieb William Carlos Williams in einem Essay über ihre genaue Beobachtungsgabe:

“So that in looking at some apparently small object, one feels the swirl of great events.”

T.S. Eliot betonte:

“Living, the poet is carrying on that struggle for the maintenance of a living language, for the maintenance of its strength, its subtlety, for the preservation of quality of feeling, which must be kept up in every generation… Miss Moore is, I believe, one of those few who have done the language some service in my lifetime.”

(Quelle – Portrait und Gedichte von Marianne Moore bei der Poetry Foundation: https://www.poetryfoundation.org/poets/marianne-moore)

Darüber hinaus war Marianne Moore zeitlebens auch bekannt für ihr exzentrisches Auftreten, stets mit seltsamen Kopfbedeckungen und in eine Art Cape gewandet. Sie liebte auch im hohen Alter noch den Besuch von Sportveranstaltungen. So eröffnete sie beispielsweise 1968 die Saison der Yankees mit dem ersten Wurf.  Zu ihren Freunden zählte Muhammad Ali. Zu dessen Schallplatten-Aufnahme der legendären „I am the Greatest“-Rede schrieb sie die den Covertext.

„The deepest feeling always shows itself in silence;
not in silence, but restraint.“

Elizabeth Bishop (1911-1979)

„The art of losing isn`t hard to master;
so many things seem filled
with the intend to be lost
that their loss is no disaster.“

Für eine weitere bedeutende amerikanische Lyrikerin war Marianne Moore Mentorin und Freundin zugleich: Elizabeth Bishop. Die beiden Frauen verband das Leben und die Lyrik – wie Moore verlor Bishop ihren Vater früh, ihre Mutter kam wegen einer psychischen Erkrankung in eine Heilanstalt. Elizabeth sah sie das letzte Mal, als sie fünf Jahre alt war.

Die wohlhabenden Großeltern väterlicherseits ermöglichten ihr schließlich den Besuch des renommierten Vassar Colleges – dort traf sie Moore, dort begann ihre literarische Karriere. Zu Lebzeiten veröffentlichte sie nur einige wenige Prosastücke und 101 Gedichte, an denen sie extrem lang feilte. Ein schmales Werk, aber umso kostbarer und wichtiger. Zeilen und Worte, die von Trauer, Verlusten, Sehnsüchten handeln, alles reduziert und verdichtet – Verdichtung als Kunst.

2011, zu ihrem 100. Geburtstag, erschien eine zweisprachige Ausgabe einer Auswahl ihrer Gedichte, übersetzt und herausgegeben von dem Literaturwissenschaftler Klaus Martens, der über ihre Arbeit schreibt:

„Sie schreibt keine poetische Diktion, ihre Syntax wird immer eine alltägliche sein und aus dieser allgemeinen Verbindlichkeit heraus eine Magie herauszuoperieren, einfach durch Selektion, durch Edition über Jahre so zusammenzuschreiben, dass der Grundstock bleibt und dann doch ein ganz neuer Schimmer, ein neuer Glanz hinzukommt, das konnten nur ganz wenige, und Bishop ist da eine der ganz Großen.“

Elizabeth Bishop, Alles Meer ein gleitender Marmor, herausgegeben, übersetzt und mit einer Einleitung von Klaus Martens, Mattes Verlag, Heidelberg 2011.

Verlagsinformationen zum Buch: http://www.mattes.de/buecher/dichtung_der_englischsprachigen_welt/978-3-86809-045-1.html

Die Kunst des Dichtens, die Kunst des Verlierens: Elizabeth Bishop lernte dies in ihrem Leben. Wer sich für ihre Biographie interessiert, dem kann ich auch dieses Biopic empfehlen: „Die Poetin“, ein Film, der 2013 in die Kinos kam und sich auf ihre Beziehung mit der brasilianischen Architektin Lota de Macedo Soares konzentriert.

Wie Susan Vahabzadeh in ihrer Filmbesprechung in der Süddeutschen Zeitung richtig anmerkte:

„Beide Frauen sind heute nicht mehr präsent, die Dichterin Bishop nicht und nicht die Architektin Lota de Macedo Soares, die so gern ein neues Brasilien gestaltet hätte. Die Sache ging tragisch aus. Aber das Verlieren hatte Elizabeth ja gelernt. Ich verlor zwei Städte, verlor zwei Flüsse, einen Kontinent. . . Die Zeile stammt aus einem ihrer Gedichte, es heißt „Die Kunst des Verlierens“.“

Schön wäre es, wenn auch die Leserinnen und Leser hierzulande nicht ganz den Faden zu diesen großartigen amerikanischen Dichterinnen verlieren würden …

#MeinKlassiker (18): Mit der Glasglocke fand Jana Issel Zugang zu Klassikern

Ein moderner Klassiker als Einstieg in die Welt der Klassiker: Bloggerin Jana Issel über ihre Begegnung mit Sylvia Plath und der Glasglocke.

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Auf ihrem Blog „Wissenstagebuch“ bietet Jana Issel „eine Gabel für die Suppe der Weisheit“. Ich bin erst vor kurzem auf ihren Blog gestoßen und löffle seither die Suppe gerne mit: Jana schreibt über die Lektüren, die ihr begegnen – nicht an Neuerscheinungen orientiert, nicht am Mainstream. Mir macht es viel Freude, im Wissenstagebuch zu blättern – ich stoße da auf viele mir unbekannte Bücher, aber auch auf Besprechungen, die mich an Gelesenes erinnern und Lust machen, wieder mal in den Tiefen des eigenen Regals zu stöbern. Für die Reihe #MeinKlassiker hat sich Jana Issel ein Roman herausgepickt, der seit seinem Erscheinen seine Leser intensiv zu berühren vermag:

„Die Glasglocke“ las ich zum ersten Mal im Alter von neunzehn Jahren. Genauso alt wie die Protagonistin, wenn auch bedeutend weniger verzweifelt. Immer wieder war mir der Titel begegnet: In vielen Filmen und Serien liest die junge nachdenkliche Frau Sylvia Plaths einzigen Roman. Ich meine, ihn sogar einmal in der Hand von Lisa Simpson gesehen zu haben.

Jung, vermeintlich nachdenklich und sowieso schon hoffnungslos an das Lesen verloren – da kam „Die Glasglocke“ genau richtig. Einige Zeit zuvor hatte ich Salingers „Der Fänger im Roggen“ gelesen und konnte nicht umhin, Parallelen zu entdecken. „Die Glasglocke“ aus weiblicher Perspektive hat mir damals mehr zugesagt, beide Bücher fand ich aber großartig. Sylvia Plaths Roman um die junge, schriftstellerisch ambitionierte Esther Greenwood, die mit den strengen Konventionen der US-amerikanischen 50er kämpft und dabei in einem Strudel aus Depressionen versinkt, hat mich fasziniert. Er hat mich zum ersten Mal dazu veranlasst, dem Leben eines Autors nachzuforschen. Im Anschluss an die Lektüre besorgte ich mir eine Plath-Biographie und verfolge noch heute jede Nachricht, die nach dem Suizid der Autorin durch die Medien geistert, mit Interesse.

Das Buch hat mich auch leichter Zugang zu anderen Klassikern finden lassen. Nachdem ich Dostojewskis „Schuld und Sühne“ einige Jahre zuvor mehr resignierend zur Kenntnis genommen als genossen hatte, zeigte mir Plaths Roman, dass „Klassiker“ sich, genauso wie andere Bücher auch, durchaus unterscheiden, einige tatsächlich schwierig zu lesen sind, herausfordernd, andere wiederum seichter, entspannter. „Die Glasglocke“ hat da das Tor zur Klassikerwelt endgültig aufgestoßen und gezeigt, dass hier eine Auswahl nach persönlichem Geschmack und auch Lebensalter nicht schaden kann. Ein guter Einstieg also.

Der Roman selbst lässt den Leser nicht kalt. Man will Esther Greenwood manchmal schütteln, manchmal in den Arm nehmen. Ihr sagen, sie solle nicht so hysterisch sein, ihr aber auch Zuspruch geben und die gesellschaftlichen Normen, in denen sie feststeckt, die sie einengen, sie einzig und allein in die Küche zu verbannen versuchen, verdammen. Einiges kann man nachvollziehen, einiges erlebt man als Mädchen vielleicht gar selbst, wenn auch in abgeschwächter Form. Der autobiographische Einschlag der „Glasglocke“ ist unverkennbar und beide – das Schicksal Plaths als auch das ihrer Figur Esther – haben mich berührt. Die Protagonistin hat in jedem Fall einen Sympathiebonus: Was kommt besser an beim bibliophilen Leser als jemand, der um jeden Preis schreiben will?

Gerhard Emmer hat in seinem Beitrag zum Kuckucksnest hinsichtlich Salingers „Fänger im Roggen“ angemerkt, das Buch funktioniere nur in der Adoleszenz. Ob das auf „Die Glasglocke“ ebenfalls zutrifft, ist vermutlich eine Geschmacksfrage des der Adoleszenz entwachsenen Lesers. Esther Greenwoods Gefühlswelt mag auf den erwachsenen Leser tatsächlich übertrieben emotional wirken, ja geradezu von einem zu Tode betrübten Grundton geprägt sein. Vielleicht möchte man ihr sagen: Mädchen, warte ab, das wächst sich raus. Dementgegen steht, wie ich finde, die Lebensgeschichte der Autorin selbst, die man nicht umhin kommt, in Betracht zu ziehen. Das wächst sich eben nicht raus, sondern kann, wie in Plaths Fall, gar tragisch enden. Ob die Geschichte auch in der Hand eines erwachsenen Mannes wirkt, nun, da heißt es wohl, Erfahrungsberichte abzuwarten.

Seit meiner eigenen Lektüre habe ich das Buch unzählige Male empfohlen und einmal – passender- vielleicht auch unpassenderweise – zu einem neunzehnten Geburtstag verschenkt. Ich wünsche ihm noch viele junge und alte Leser jeden Geschlechts.

Jana Issel
https://wissenstagebuch.wordpress.com/


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Sylvia Plath: The Bed Book

Sylvia Plath war vielseitig begabt – so verfasste sie auch zauberhafte Kinderbücher und Gedichte. Witzig und reizend ist das Bett-Buch für ihre Kinder.

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Gelesen wird sie immerzu, doch durch den aktuellen Roman von Connie Palmen, „Du sagst es“ ist sie wieder einmal mehr in aller Munde: Sylvia Plath. Wer sich der amerikanischen Schriftstellerin vor allem über ihre bekannteren Werke „Die Glasglocke“ und „Ariel“ nähert, der lernt vor allem die verzweifelte, melancholische Stimme dieser Frau kennen, die an sich und ihrer Umwelt, vor allem aber an ihrer manisch-depressiven Erkrankung litt.

Doch es gibt eine andere Seite jener talentierten Autorin, die vielleicht manche überraschen wird: Sylvia Plath verfasste ebenfalls zauberhafte Kinderbücher und Gedichte für Leser jeden Alters, oft ergänzt durch eigene Zeichnungen, die richtig reizend und auch witzig sind.

Bei der „Insel Bücherei“ wurde nun wieder das bezaubernde Gedicht „Das Bett-Buch“ aufgelegt, das Sylvia Plath 1959 erstmals veröffentlicht hatte: Die geeignete Bettlektüre für kleine und große Leser, die mit viel Phantasie ausgestattet sind.

Da geht es nicht um das

„…white little Tucked-in-tight little
Nighty-night little
Turn-out-the-light little
Bed -„

sondern da wird die Schlafstätte, eben „die richtige Art Bett“ wahlweise zum U-Boot, zum Düsenjet, gerne auch zum Freßbett, wenn der mitternächtliche Hunger kommt oder aber, wenn die Zeiten stürmischer und gefährlicher sind zum Panzerbett, mit dem man durch die Stadt rumpeln kann.

Zwar nicht gerade pädagogisch korrekt, aber liebevoll und unterhaltsam fordert Sylvia Plath Kinder dazu auf, im Bett gerne zu schreiben, zu malen oder Marmelade zu futtern: Wer eine bunte Bettwäsche hat, muss sich keine Sorgen machen, meint sie.

Und ein wertvoller Tipp für den nahenden Winter ist das Nordpol-Bett:

„Im Nordpol-Bett kannst Du
Auf Pelzen liegen
Das ist für Er-o-be-rer
Ein Riesenvergnügen, 

Und wenn Dir die Nase
so kalt wird wie Eis
Hält ein Einbau-Ofen
Die Zehen dir heiß.“

Wenn man dieses Gedicht liest, dann kuschelt man sich am besten selbst ein bisschen ein – aber nicht in so ein profanes „Turn-out-the-light“-Bett, sondern, wie Sylvia Plath empfiehlt, man lege sich für die Nachtruhe (und andere Dinge) ein „Spaßwunderbett“ zu.

Ihren eigenen Kindern konnte Sylvia Plath nicht mehr allzu lange selber vorlesen: 1963 nahm sie sich, erst 31 Jahre alt, das Leben. Ihre Tochter und ihr Sohn waren zu diesem Zeitpunkt drei Jahre beziehungsweise ein Jahr alt. 

 


„Das Bett-Buch“ wurde von Eva Demski in das Deutsche übertragen. Schön ist, dass neben der deutschen Übersetzung auch das englische Original zu lesen ist. Zudem macht der kleine Band so richtig viel Freunde auch durch die zauberhaften Illustrationen von Rotraut Susanne Berner.

Bibliographische Angaben:

Sylvia Plath
Das Bett-Buch
Übersetzt von Eva Demski
Insel Bücherei, 2020
ISBN: 978-3-458-17863-7


Anna Mitgutsch: Die Welt, die Rätsel bleibt

In ihrem Essayband „Die Welt, die Rätsel bleibt“ (2013) kreist Anna Mitgutsch um Möglichkeiten und Grenzen der Sprache.

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Kann man mit Sprache das Unsagbare benennen?“

Anna Mitgutsch, „Die Welt, die Rätsel bleibt“


Anna Mitgutsch ist Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin. Ich kannte bisher nur ihre belletristische Seite – von ihren Romanen hatte ich „Die Züchtigung“ und „Familienfest“ gelesen. „Die Züchtigung“ ist ein Buch, das einen lange nicht loslässt. Familienfest“ handelt von einer jüdischen Familie in den USA und das Ringen um ihre Identität. Anna Mitgutsch ist eine Schriftstellerin mit einer klaren, leisen, streckenweise auch sehr lyrischen Sprache.

Ein Stil, den offenbar auch die Wissenschaftlerin pflegt. Das ist einerseits erfreulich: Da ist keine, die dem Leser meint, die Welt erklären zu müssen. Da ist eine, der die Welt ebenso ein Rätsel bleibt, dem sie sich fragend, fast schon zögerlich annähert. Wo andere Statements abgeben, wirft Anna Mitgutsch Fragen auf: Das ist das Kennzeichnende ihres Essaybandes „Die Welt, die Rätsel bleibt“. 17 Essays, in vier Kapitel gegliedert: Schriftstellerportraits, Literatur, Transzendenz, Fremdsein. Schon die letzten beiden Kapiteltitel verdeutlichen: Nichts erschließt sich der Grazerin auf den ersten Blick, die Welt ist kein offenes Buch.

Fragen statt Antworten

Diese Qualität, die Fähigkeit, Fragen zu stellen, statt Antworten vom Band zu liefern, macht die Wissenschaftlerin aus. Es macht dem Leser das Buch jedoch auch den Zugang mitunter schwer. Gerade dort, wo man eventuell konkrete Informationen erwartet, insbesondere bei den Schriftsteller-Portraits, werden so viele Fragen aufgeworfen, dass ab und an das Ziel, die Absicht des Portraits hinter den Fragen verschwindet. So in dem „nachgetragenen“, also fiktiven Brief an Sylvia Plath, der die Abgrenzung zwischen Kunst und Leben zu ergründen versucht. Übrigens ist jedem Beitrag eine Frage als Leitmotiv vorangestellt.

Anna Mitgutsch versucht also nicht, mit Sprache das Unsagbare zu benennen, aber sie unternimmt den Versuch, die Welt der Literatur, der Sprache, der Philosophie etwas zu enträtseln. Besonders stark, informativ und detailreich sind in diesem Essayband die Beiträge über jüdische Literatur und Literaten sowie der Essay „Die Grenzen der Integrität – Überlegungen zur Situation der Künstler und Schriftsteller in totalitären Diktaturen“. Allein ihre Gedanken über den umstrittenen Begriff der „inneren Emigration“ lohnen die Lektüre dieses Buches.

Zitat:

„Der Emigrant Hans Sahl nennt die Zeit von 1933 bis 1945, die Zeit von Verfolgung und Flucht, die Zeit der Diktatur und des Zivilisationsbruchs, eine Geschichte vom Leben und Sterben einer Kultur.“


Aus dem Inhalt: Essays unter anderem über Elias Canetti, Paul Celan, Emily Dickinson, Franz Kafka, Imre Kertesz, Herman Melville, Amos Oz, Sylvia Plath, Rainer Maria Rilke, Marlen Haushofer, Isabella Stewart Gardner, und andere.

Über die Autorin: Anna Mitgutsch wurde in Linz geboren. Sie unterrichtete Germanistik und amerikanische Literatur an österreichischen und amerikanischen Universitäten, lebte und arbeitete viele Jahre in den USA. Sie erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Solothurner Literaturpreis.


Bibliographische Angaben:

Anna Mitgutsch
Die Welt, die Rätsel bleibt
Luchterhand Verlag, 2013
ISBN: 978-3-630-87418-0

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