Joachim Ringelnatz – Herbst im Fluß

Als sein Gedichtband erschien, hatte Ringelnatz nur noch ein Jahr zu leben. Dieses Herbstgedicht erschien in seinem letzten Buch, „103 Gedichte“.

Bild von Free-Photos auf Pixabay

Der Strom trug das ins Wasser gestreute
Laub der Bäume fort. –
Ich dachte an alte Leute,
Die auswandern ohne ein Klagewort

Die Blätter treiben und trudeln,
Gewendet von Winden und Strudeln
Gezügig, und sinken dann still. – –

Wie jeder, der Großes erlebte,
Als er an Größerem bebte,
Schließlich tief ausruhen will.

Joachim Ringelnatz (1883 – 1934), aus: „103 Gedichte“, 1933.

Als sein Gedichtband erschien, hatte Ringelnatz nur noch ein Jahr zu leben. Vielleicht ein Glück, dass er zwar jung, aber in seinem eigenen Bett sterben konnte: Denn die Nationalsozialisten hatten ihm da bereits Auftrittsverbot erteilt, seine Bücher wurden beschlagnahmt und verbrannt. Wer weiß, was mit ihm geschehen wäre.
Eine Ahnung davon, ein Abschiednehmen auf die eine oder andere Weise, eine leise Melancholie durchweht diese späten Zeilen eines Dichterlebens.

Joachim Ringelnatz – Herbstliche Wege

Viele wissen von ihm nur als verspielten Dichter. Dabei war die Bandbreite von Ringelnatz enorm – vom puren Expressionismus bis zur leichten Melancholie.

Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

Des Sommers weiße Wolkengrüße
zieh`n  stumm den Vogelschwärmen nach,
die letzte Beere gärt voll Süße,
zärtliches Wort liegt wieder brach.

Und Schatten folgt den langen Wegen
aus Bäumen, die das Licht verfärbt,
der Himmel wächst, in Wind und Regen
stirbt Laub, verdorrt und braun gegerbt.

Der Duft der Blume ist vergessen,
Frucht birgt und Sonne nun der Wein
und du trägst, was dir zugemessen,
geklärt in deinen Herbst hinein.

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Georg Trakl – Verklärter Herbst

Erstmals erschienen Trakls Zeilen 1912 in der Innsbrucker Publikation „Der Brenner“. Ein fast schon optimistisch gehaltenes Naturgedicht.

Bild von yoyo61 auf Pixabay

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluss hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht –
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Georg Trakl (1887 – 1914)

Die mobile Version verlassen
%%footer%%