Paul Fleming – An Sich

„An sich“ erschien nach dem Tod des Lyrikers, 1641 oder 1642 Das Sonett trägt alle Merkmale barocker Lyrik bis hin zum Vanitas-Motiv.

Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

Sey dennoch unverzagt. Gieb dennoch unverlohren.
Weich keinem Glücke nicht. Steh´ höher als der Neid.
Vergnüge dich an dir / und achte es für kein Leid /
hat sich gleich wieder dich Glück´/ Ort / und Zeit verschworen.
Was dich betrübt und labt / halt alles für erkohren.
Nim dein Verhängnüß an. Laß´ alles unbereut.
Thu / was gethan muß seyn / und eh mans dir gebeut.
Was du noch hoffen kanst / das wird noch stets gebohren.
Was klagt / was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
ist ihm ein ieder selbst. Schau alle Sachen an.
Diß alles ist in dir / laß deinen eiteln Wahn /
und eh du förder gehst / so geh` in dich zu rücke.
Wer sein selbst Meister ist / und sich beherrschen kan /
dem ist die weite Welt und alles unterthan.

Paul Fleming (1609 – 1640)

Literarische Orte: Klosterbibliothek Wiblingen – Lost in Rokoko

Die Bibliothek des Benediktinerklosters Wiblingen wurde ab 1757 genutzt. Sie diente sowohl dem Wissenserwerb als auch der Demonstration von Macht.

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Es ist schon ein wenig eine Überforderung für die Augen, wenn man den Bibliothekssaal in der ehemaligen Benediktinerabtei Wiblingen (bei Ulm) betritt: Erschlagen vom Rokoko. Zugegeben, meine Art der Hausbibliothek wäre das nicht – zu viele Staubfänger, hier vornehmer Allegorien genannt. Und zudem ist die Geschichte solcher Prestigebauten ebenso erdrückend wie ihr erster Anblick: Die Bibliothek als Hort der Bildung und Wissenschaft, erbaut auf dem Rücken und mit dem Geld der meist notleidenden Bevölkerung zu jener Zeit. Das 1093 gegründete Kloster wurde ab 1714 zum Objekt barocker Bauwut und Prestigesucht: Es wurde erweitert und komplett zu einem monumentalen barocken Bauensemble umgebaut.

„In quo sunt omnes thesauri sapientiae et scientiae absconditi“: Hier sind alle Schätze der Weisheit und Wissenschaft bewahrt – begleitet von dieser selbstbewussten Aussage über der Bibliothekstür betritt man den Saal, der heute als eine der gelungensten Raumschöpfungen des Rokoko gilt. Er entstand zwischen 1740 und 1750, das Deckenfresko schuf der Maler Franz Martin Kuen: Die göttliche Weisheit, die über unserer aller Köpfe schwebt. Der Saal wurde 1757 bezogen, mehr als 13.000 Bücher fanden hier ihren Platz.

„Die Bibliothek ist ein schöner Saal, von dem es scheint, daß die Herren von Schussenried das Modell zum ihrigen möchten genommen haben; schön, was Malerkunst, Bildhauerei, Architektur und das Äußerliche überhaupt betrifft. Von der Büchersammlung sind die Meinungen nicht gleich; einige sagen, daß sie sehr ansehlich sei, andere wollen wissen, daß man in diesem Punkte allzu haushälterisch zu Werke gehe, als daß die Sammlung jährlich einen wichtigen Zuwachs bekommen sollte, und daran soll das schöne Kirchengebäude schuld sein. Von der Erfahrung kann ich da nicht sprechen; es war uns unmöglich uns länger als einige Minuten an diesem Orte aufzuhalten, und die Fustische Bibelausgabe von 1462 (die ich auf meiner Reise das dritte Mal hier sah) ausgenommen, bemerkte ich weiter nichts. Sonst wird hier auch ein in den Jahren 1384 und 1385 abgeschriebenes Nachfolgungs-Christibüchlein gezeigt, worin obgedachte Jahrzahlen drei- bis viermal vorkommen. Es ist dies ein Buch, über dessen Autor sich die Gelehrten schon lange zanken; wenn diese Jahrzahlen authentisch sind, so ist dem Streite bald abgeholfen.“

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Pater Johann Nepomuk Hauntinger (1756 – 1823), Stiftsbibliothekar des Benediktinerklosters St. Gallen, nach einem Besuch in Kloster Wiblingen. Sowohl St. Gallen als auch das im Text erwähnte Kloster Schussenried verfügen ebenfalls über einzigartige Klosterbibliotheken.

Zahlreiche allegorische Figuren tummeln sich in der Klosterbibliothek – sie stehen unter anderem für die Liturgie, Naturwissenschaften, Jurisprudenz, Mathematik, Askese und Weltverachtung und Wissenschaft. Über allem thront das Wissen der Welt. Und natürlich: Die Theologie.

Kein Geld für Bücher, aber an den repräsentativen Werken wurde trotzdem fleißig weitergebaut: 1783 wurde die neue Klosterkirche eingeweiht, ein Zeugnis der Barockzeit mit gewaltigen Dimensionen: 72 Meter lang, 27 Meter breit. Der Architekt der Kirche, Januarius Zick lieferte auch die Motive für die Deckenfresken, die bis heute als herausragende Beispiele süddeutscher Freskomalerei gelten.

Erschlagen vom Rokoko musste ein offenbar junger Besucher im Gästebuch seinem Herzen Luft machen: „Alles nur aus Plastik“. Wer sich selbst davon überzeugen will, ob Plastik oder echter Gips…hier geht es zu den näheren Informationen über Kloster Wiblingen.


Bilder zum Download:

Bild 1, Detailaufnahme Zirkel
Bild 2, Bibliothek
Bild 3, Skulptur groß
Bild 4, Bücherregal
Bild 5, Skulptur klein
Bild 6, Detailaufnahme Fächer
Bild 7, Innenhof
Bild 8, Innenhof mit Kirche
Bild 9, Portal Kirche


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