#MeinKlassiker (37): Mit Kästner und der Kulturbowle im kleinen Grenzverkehr

Für Barbara Pfeiffer vom Blog „Kulturbowle“ steht „Der kleine Grenzverkehr“ von Erich Kästner für Kulturgenuss und sommerliche Leichtigkeit. Sie stellt den Roman in der Reihe #MeinKlassiker“ vor.

Über die Zusage von Barbara Pfeiffer, ihren literarischen Klassiker vorzustellen, habe ich mich sehr gefreut. Sie begann mit ihrem Blog, als andere längst schon riefen: „Blogs sind tot!“. Und hat sich gegen den angeblichen Trend und ohne viel Aufhebens eine Menge Leser*innenherzen erobert. Denn die „Kulturbowle“ steht für „KulturGenuss, Bücherlust und Lebensfreude“ und strahlt dies auch aus. So wird jede Rezension ergänzt, u.a. mit weiterführenden Buchtipps, Gaumenfreuden oder was für die Ohren. Und mit ihrem Klassiker verspricht sie nun sommerliche Leichtigkeit!


Ein Gastbeitrag von Barbara Pfeiffer

Die Sonne scheint, es ist Sommer und man bekommt Lust auf literarische Leichtigkeit. Ich zumindest. Kann das ein Klassiker? Absolut, und wie! Denn einer meiner allerallerliebsten Klassiker ist für mich genau das: sommerliche Leichtigkeit pur. Eines meiner immerwährenden Herzensbücher geschrieben von einem Lieblingsautor, der mich zeit meines Lebens begleitet hat und auch immer begleiten wird: Erich Kästner. Und so war für mich schnell klar, als mich Birgit Böllinger fragte, ob ich in ihrer Reihe „Mein Klassiker“ ein Buch meiner Wahl vorstellen möchte, dass es „Der kleine Grenzverkehr“ sein würde.

Nach fünf Minuten Schwanken zwischen Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern“ gaben die Sommerzeit und die langen hellen Tage im Juni den Ausschlag pro Kästner.

Ein unvergesslicher Sommer in Salzburg mit Erich Kästner. Bild von Martin Herfurt auf Pixabay

Das Buch ist in Tagebuchform aus Sicht des Georg Rentmeister im Sommer 1937 verfasst und erschien 1938 ursprünglich unter dem Titel „Georg und die Zwischenfälle“. Erst später bekam der Roman, der durch Erich Kästners Aufenthalt bei den Salzburger Festspielen 1937 in vielen Aspekten autobiografisch inspiriert ist, den Titel „Der kleine Grenzverkehr“.

„In Österreich ins Theater gehen, in Deutschland essen und schlafen: die Ferien versprechen einigermaßen originell zu werden! Mein alter Schulatlas hat mich davon überzeugt, daß Reichenhall und Salzburg keine halbe Bahnstunde auseinanderliegen. Eisenbahnverbindungen sind vorhanden. Der Paß ist in Ordnung. So werde ich denn für meine Person den sogenannten kleinen Grenzverkehr permanent gestalten.“ (S.20)

Und schon das Vorwort des Autors für die Ausgabe aus dem Jahr 1948 macht klar, dass es in wechselvollen Zeiten entstand:

„Als ich dieses kleine Buch, während der Salzburger Festspiele Anno 1937, im Kopf vorbereitete, waren Österreich und Deutschland durch Grenzpfähle, Schlagbäume und unterschiedliche Briefmarken „auf ewig“ von einander getrennt. Als das Büchlein im Jahre 1938 erschien, waren die beiden Länder gerade „auf ewig“ miteinander verbunden worden. Man hatte nun die gleichen Briefmarken und keinerlei Schranken mehr. Und das kleine Buch begab sich, um nicht beschlagnahmt zu werden, hastig außer Landes.“ (S.7)

Ein verspätet gestellter Antrag bei der Devisenstelle zwingt den jungen Georg Rentmeister für seinen Besuch der Salzburger Festspiele zu einem außergewöhnlichen Arrangement: er bezieht Quartier im bayerischen Bad Reichenhall und pendelt per Zug täglich nach Salzburg, wo ihn sein Freund Karl weitgehend freihält und mit Eintrittskarten versorgt. Denn mit zehn Mark für vier Wochen kommt man nicht weit.

In seinem Tagebuch berichtet er über seinen Sommer in Salzburg und schon bald auch ausführlich über seine Begegnung mit dem Stubenmädchen Konstanze, das ihm den Kopf gehörig verdreht und über erstaunliche Sprachkenntnisse und Bildung verfügt…

„Verliebtheit gehört ins Gebiet des akuten Irreseins. Die Infektion des Gemüts deformiert das Verstandes- und Willensleben des Kranken bis zur Unkenntlichkeit.“ (S.29)

Besuche im Café Glockenspiel, sowie im Theater und Konzert, ein Ausflug zum Baden an den nahen Wolfgangsee, Georg und Konstanze genießen den Salzburger Sommer und spielen schließlich selbst Hauptrollen in einem ganz besonderen Theaterstück.

Niemand – auch wenn u.a. Herbert Rosendorfer in seinem „Salzburg für Anfänger“ zugegebenermaßen nahe herankommt – hat für die Stadt Salzburg in meinen Augen schönere, poetischere Worte gefunden als Erich Kästner:

„Der Zusammenklang der verschiedenen Farben und Farbtöne, die alle ins Heitere zielen, vollendet, was eigentlich keiner Vollendung bedarf. Die Dächer schimmern grün, schiefergrau und mennigerot. Über allem ragen die marmorweißen Türme des Doms, das dunkelgrau, weinrot und weiß gesprenkelte Dach der Franziskanerkirche, die altrosa Türme der Kollegenkirche mit ihren weißen Heiligenfiguren, der graugrüne Turm des Glockenspiels und andre rostrote und oxydgrüne Kuppeln und Turmhelme. Man sieht eine Symphonie.“ (S.22/23)

Die Hauptfigur Georg kommt neben den Schönheiten der Stadt auch in den Genuss zahlreicher Aufführungen und Höhepunkte der Salzburger Festspiele: er sieht den „Faust“, den „Jedermann“ von Hofmannsthal, hört das Domkonzert mit einer Beethovenmesse, zudem natürlich Mozart und geht in die Oper zum „Rosenkavalier“ – ein Programm, um das ich ihn heute noch beneide.

Für mich ist daher „Der kleine Grenzverkehr“ auch ein Buch über Kultur, Musik, Kunst, Theater, Oper und Literatur sowie deren Stellenwert und Schönheit. Wenn Georg (alias Erich Kästner) mit dem Maler Karl (alias Walter Trier, der Schöpfer der weltberühmten Illustrationen für Kästners Kinderbücher) und Konstanze – schon der Name ist ja einer Mozartoper entsprungen – durch Salzburg zieht und die kulturellen Angebote genießt, wäre man selbst gerne dabei.

Barbara Pfeiffer las für ihren Beitrag die dtv-Ausgabe. Bild: Barbara Pfeiffer

Das Buch steht unter dem Motto „Hic habitat felicitas“ (Hier wohnt das Glück) – laut Anmerkung Kästners wurde es auf einem altrömischen Mosaikfußboden in Salzburg gefunden, als man den Grundstein zum Mozart-Denkmal legte (vgl. S. 16).

Und das trifft es genau, denn für mich wohnt das Glück in diesem Buch, in dieser schönen sommerlichen Liebesgeschichte, die für kurze Zeit alle Sorgen vergessen lässt, ein Lächeln ins Gesicht zaubert und Balsam für die Seele ist.

Zugegeben, wer bei Salzburg nur an den legendären Schnürlregen und die zähflüssigen Touristenströme in der Getreidegasse denkt, der wird dem Buch vielleicht nicht so viel abgewinnen können. Aber wer wie ich die Stadt an der Salzach kennt und schätzt, Erich Kästner mag und die gut 100 Seiten zum Beispiel an einem schönen Sommerabend auf einen Rutsch genießt, der wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit für immer ins Herz schließen.

Aber bitte Risiken und Nebenwirkungen beachten: Das Buch weckt ein riesiges Verlangen, schnellstmöglich wieder einmal nach Salzburg zu fahren, durch den Mirabellgarten zu flanieren, sich in ein Kaffeehaus oder in einen Biergarten zu setzen und das eindrucksvolle Panorama und rege Treiben um sich herum auf sich wirken zu lassen.

Obwohl ich ich irgendwann aufgehört habe zu zählen, wie oft ich das Buch bereits gelesen habe, hat es mich bei der Lektüre für diesen Beitrag wieder aufs Neue begeistert. Der Zauber dieses Sommer-Kästners (für den Winter ist es übrigens „Drei Männer im Schnee“) hat auch nach 85 Jahren nichts von seiner Magie und Leichtigkeit verloren und wirkt bei mir immer und in allen Lebenslagen wie Medizin: meine persönliche literarische Kästner’sche „Hausapotheke“!

In diesem Sinne wünsche ich allen viel Freude bei der Kästner-Lektüre bzw. in Salzburg und einen schönen Sommer!

Barbara Pfeiffer
https://kulturbowle.com/


Buchinformation:

Erich Kästner
Der kleine Grenzverkehr
dtv Verlag
ISBN: 3-423-11010-4

Meine Ausgabe ist schon etwas älter, aber aktuell ist der Roman in einer Ausgabe des Atrium Verlags erhältlich:

Erich Kästner
Der kleine Grenzverkehr
Atrium Verlag
ISBN: 978-3-03882-015-4

Shaun Usher: More Letters Of Note

Das Medium Brief ist ja ein wenig aus der Mode gekommen. Dabei gibt es so wunderbare Beispiele, wie Briefesammler Shaun Usher in seinen Büchern demonstriert.

Bild von blitzmaerker auf Pixabay

Dear Mr. Usher,

I was really, really neugierig, when I heard that you made a new book with letters, because I am a great fan of your blog letters of note dot com and I am a fan of writing letters myself, so as I do now in this moment to you.

I am thankful that your Verlag has send me the new book really umgehend. But someone should have told me before that it is so heavy, so I would have no such problem to taking it home from the post because at this day I had made my weekly Einkauf also – it is so heavy, that my Küchenwaage can`t measure it, because this thing is only going to 1 Kilo. But there you can also see that a lot of people, famous and not so famous, some also want-to-be-famos, are writing letters and so this gives in the end big books. And really impressive letters – so in Germany the Verlag gave the book the Untertitel „Briefe für die Ewigkeit“.

Yes, I think we should always keep some of he letters of this prominent people in mind, because we can use it for our own Nutzen someday. So if someone is going me really, really on the Nerven, I will write him like the Künstler Asger Jorn did 1964 to the Guggenheim-Stiftung:

„FAHR ZUR HÖLLE MIT DEINEM GELD, DRECKSKERL. PREIS ABGELEHNT. HABE MICH NIE DRUM BEWORBEN. WIDER JEDEN ANSTAND LÄSST DU EINEN KÜNSTLER GEGEN SEINEN WILLEN FÜR DICH REKLAME MACHEN. ERWARTE ÖFFENTLICHE BESTÄTIGUNG DASS ICH BEI DEINER LÄCHERLICHEN CHARADE NICHT MITSPIELE. JOHN“

Leider is in your book not vermerkt, if he gets a answer to this furios telegramm which he wrote when he erfuhr, that he should get the Guggenheim International Award. But this does not matter, because the telegramm alone is much fun, but when I think over it, we should not take it as a good Beispiel. And the chance that someone is giving me a price for my Kunstwerke is also gering.

There a more so people with really bad Manieren who write letters, sometimes impulsiv and sometimes mit Absicht, in your book. So I am froh, that I did not to have work in the Tiger Oil Company – it does not make me wonder, that it make Bankrott – because its chief, this Mr. Edward Mike Davis wrote really ugly memos to his Mitarbeiter:

„This memorandum is intended as an addendum to a memo I wrote on January 12, 1978 about people speaking to me. Any supervisor who has anything to say to me, day or night, the fastest way he can say it to me is too slow.“

So I will make it short now and not longer waste your and my time: Your book „More Letters of Note“ is a real pleasure to me, because I have no problem with the Briefgeheimnis, when it is about famous people. There are lot of letters in it, which are funny, tragisch, liebevoll, full of hate, full of tears, full of emotions. That`s life.

And it is good, that you give some erklärende words to every letter, a lot of pictures and faksimile – so this erklärs too the bigness oft he book, because there is beispielsweise one really impressive letter from an insane woman, Lorina Bulwer, who wrote, like the book says, „kaum ins Deutsche übertragbare Prosa“, but this in an impressive Handschrift and like a work of art. This letter you can ausklappen and that is really eindrucksvoll.

A little bit I missed a rote Faden, because the letters spring from Abraham Lincoln to Janis Joplin, from Mozart to William S. Burrouhgs. I will say, this is a wilde Mischung, but very interessant.

And I think you are a little bit of a letter-messie, isn`t it so? This I can understand well and so I will keep your book because it is nice to blätter in it and if I search something good it will be a real Fundgrube.

So thank you very much und many greatings from your reader

Birgit aus Augschburg.

PS: Neben vielen unterhaltsamen, witzigen, bösartigen, aber auch liebevollen, fast schon kitschigen Briefen tauchen in diesem Band – das Nachfolgebuch zu „Letters of Note“ – auch sehr anrührende Schreiben auf. So der Brief des argentinischen Schriftstellers Juan Gelman an seinen Enkel – Gelmans Sohn und Schwiegertochter „verschwanden“ in den Katakomben der argentinischen Folterdiktatur, das Kind überlebte. Dieser Brief – wie die meisten anderen in diesem Buch – sind Zeitdokumente, die „More Letters of Note“ eben nicht nur zu einem vergnüglichen Kompendium machen, sondern tatsächlich zu einem Nachschlagwerk, das einen Blick auf unsere Welt aus sehr persönlicher Sicht – der der Briefeschreiber – eröffnet.


 Bibliographische Angaben:

Shaun Usher
More Letters of Note
Heyne Verlag, 2016
ISBN: 978-3-453-27002-2

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