James Joyce: Die Katzen von Kopenhagen

Von einer ganz unvermuteten Seite zeigt sich hier der Schöpfer von „Ulysses“: Als verspielter, neckischer Großpapa mit viel Humor.

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LEIDER!
KANN ICH DIR KEINE KOPENHAGENER KATZE SCHICKEN,
WEIL ES IN KOPENHAGEN KEINE KATZEN GIBT.

James Joyce, der liebevolle Opa: Ganz begeistert bin ich von einem Brief, den der Schriftsteller vermutlich 1936 aus Dänemark an seinen Enkel Stephen James schickte. Er teilt dem Vierjährigen auf eine recht skurrile, lyrisch-versponnene Art und Weise mit, warum er ihm keine Katze aus Kopenhagen schicken kann – mit Süßigkeiten gefüllte Katzen waren zu dieser Zeit ein beliebtes Geschenk.
Statt über Süßigkeiten schreibt Joyce seinem Enkel aus Kopenhagen über dänische Polizisten, die den ganzen Tag im Bett liegen und Buttermilch trinken, über rote Jungs auf roten Rädern, die den Job der Polizisten erledigen – und kommt ganz am Schluss auf eine geniale Idee. Aber die wird hier nicht verraten…

Schließlich mussten auch die Joyce-Anhänger viel Geduld haben, bis „Die Katzen von Kopenhagen“ erscheinen durften: Es dauerte bis 2012, bis die rechtlichen Voraussetzungen für die „Welturausgabe“ geklärt waren. Das Kinderbuch zeigt den augenzwinkernden, humorvollen Joyce, wie er auch im „Ulysees“ aufblitzt und dem Harry Rowohlt mit seiner Übersetzung den passenden Ton gibt. „Die Katzen von Kopenhagen“ erschien beim Hanser Verlag. Die Illustrationen von Wolf Erlbruch (2003 für sein Lebenswerk mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet) stehlen dem skurrilen Text beinahe die Schau – so richtig schöne, dicke Buttermilch-Katzen und faulenzende Polizisten, die als Illustrationen auch für sich stehen können.


Informationen zum Buch:

James Joyce
Die Katzen von Kopenhagen
Übersetzt von Harry Rowohlt
Hanser Verlag, 2013
ISBN 978-3-446-24159-6

Alan Alexander Milne: Pu der Bär

A. A. Milne schrieb „Pu der Bär“ 1926 für seinen Sohn Christopher Robin. Ein Klassiker, der vor allem eines feiert: Die Bande der Freundschaft.

Bild von redmupfe auf Pixabay

Wir gehen auf eine Expedition“, sagte Christopher Robin, als er aufstand und sich abbürstete. „Danke, Pu.“

„Auf eine Expotition?“, sagte Pu eifrig. „Ich glaube, auf so was war ich noch nie. Wohin müssen wir, um auf diese Expotition zu kommen?“

„Expedition, dummer alter Bär. Da ist ein x drin.“

„Ach!“, sagte Pu. „Ich weiß.“ Aber das stimmte eigentlich gar nicht.

„Wir werden den Nordpohl entdecken.“

„Ach!“, sagte Pu wieder. „Was ist der Nordpohl?“, fragte er.

„Das ist eben etwas, was man entdeckt“, sagte Christopher Robin leichthin, denn genau wusste er es auch nicht.

„Pu der Bär“, Alan Alexander Milne, 1926


Die größten Abenteuer finden im Kopf statt. Dann ist es auch möglich, jeden Tag auf eine „Expotition“ zu gehen, selbst an so trist-grauen Februartagen wie diesen. Dann lässt sich immer „irgendwas“, wie Pu schließlich meint, entdecken. Und wenn man dann noch gute Freunde hat wie Ferkel, Känga mit Ruh, Eule und I-Ah, dann macht es auch nichts aus, wenn die Expotition etwas wild wird und nebenbei das Essen ausgeht: Hauptsache, man ist zusammen.

Es ist vor allem die Freundschaft, die in dieser kleinen, skurrilen Clique herrscht, die Alan Alexander Milne in seinem Buch feiert. Milne (1882-1956) studierte Mathematik, arbeitete dann aber als Journalist und wurde Mitherausgeber der Satirezeitschrift „Punch“.

Für den Sohn Christopher Robin geschrieben

„Pu der Bär“ schrieb er 1926 für seinen Sohn Christopher Robin, der durch das Buch ebenfalls weltberühmt wurde. Harry Rowohlt, der geniale Übersetzer und Verfasser von „Pooh`s Corner“, meinte dazu in der ihm eigenen Art:

„Und Christopher Robin findet heute natürlich nichts alberner, als wenn man zu ihm sagt: Ach, Sie sind Christopher Robin? Wie nett. Dann erzählen Sie mal.“ Fehlte nur noch: „Ich habe Sie mir viel jünger vorgestellt.“

Die Kolumne „Pooh`s Corner“, in der die Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand zu lesen waren, erschien in der Zeit. Dass der bärige Rowohlt Verstand hatte: Keine Frage. Manchmal ist es aber auch klüger, sich erst einmal dumm zu stellen. Und im Übrigen: Was nützt einem der Verstand, wenn man kein Herz hat? Pu, das ist klar, hat eines.

„Pu der Bär“ sollte man übrigens in zwei Sprachen lesen, so Deutsch die Mutter(Vater)sprache ist: Das englische Original ist bezaubernd, nicht weniger rühmenswert jedoch die Übersetzungsleistung von Rauschebart Harry Rowohlt. Trotzdem hinterlässt dieser Klassiker unter Kinderbüchern bei mir immer wieder den Eindruck, es sei letztendlich doch ein Buch für Erwachsene: Die können herzlich und laut lachen über die Exzentriker, die Christopher Robins Welt bevölkern. Kinder sitzen staunend daneben und wundern sich, warum die Alten plötzlich so losgackern.

Lachen mit etwas Schadenfreude

Vielleicht ist beim Lachen auch etwas Schadenfreude dabei – meint man doch, in I-AH seinen sturen, stets miesepetrigen Nachbarn zu erkennen, und Ferkel ist die aufgeschreckte Kollegin im Büro hinten rechts. Übrigens blieb natürlich auch dieses Kinderbuch von Analysen nicht verschont. Gunter Müller hat in seinem Buch „Fette Vögel gehen öfter fremd“ (2012) skurrile Studien zusammengefasst. Und da ist über „Pu der Bär“ zu lesen:

„Der stets unglückliche Pu hat gleich mehrere Störungsbilder. Am auffälligsten ist seine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Außerdem leidet er an einer obsessiven Fixierung auf Honig, was auch seine Fettleibigkeit erklärt. Das kleine Ferkel, das so süß ist, wenn es ängstlich, errötet und nervös umherirrt, leidet an einer Angststörung. Auch die Eule hat mit erheblichen Entwicklungsstörungen zu kämpfen. Es handelt sich wohl um eine Legasthenikerin, die durch altkluges Verhalten versucht, ihre phonologischen Defizite zu überspielen.“

Was soll`s. Wenn wir alle perfekt wären, wäre die Welt stinklangweilig. Und es gäbe keinen „Pu der Bär“.

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