Literarische Orte: Hier entstanden Brechts Buckower Elegien

Ab 1952 lebten und arbeiteten Helene Weigel und Bertolt Brecht auf einem Anwesen in Buckow in der Mark Brandenburg. Heute ist es Museum und Kulturort.

Lienhard Schulz [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]

Von Angelika Felber

In ihrem Gastbeitrag berichtet Angelika Felber von einem Besuch im Brecht-Weigel-Haus in Buckow am Scharmützelsee:

Mitten in der hügelig, wald- und seenreichen Landschaft der Märkischen Schweiz fand Bertolt Brecht 1952 ein Refugium, wo er ungestört arbeiten und Gesprächspartner empfangen konnte. Dort schrieb er im Sommer 1953 die Buckower Elegien, in denen er lyrisch seine Gedanken und Eindrücke nach dem 17. Juni 1953 verarbeitete. Sie sind ein Zeugnis seiner kritischen Auseinandersetzung mit der frühen DDR. Bekannt sind die Verse aus dem Gedicht „Die Lösung“:
„[…] Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“

Bei einer Führung durch den Garten des Hauses am Scharmützelsee rezitierte eine Brecht-Expertin aus Buckow verschiedene Gedichte aus den Buckower Elegien.
Dabei erschloss sich mir eine neue Lesart zu dem Gedicht „Der Rauch“. Neben der naheliegenden gesellschaftskritischen Lesart kann man dieses Gedicht auch als Liebesgedicht lesen. Brecht hatte Käthe Reichel ein Haus in der Nähe besorgt – Rauchzeichen dort zeigten ihm an, dass Käthe Reichel da war und eventuell auch für ihn kochte. Heutzutage fungiert das Brecht-Weigel-Haus übrigens auch als Standesamt!

Hans-Otto Dill wird auf der Seite von „Norberto42“, die stets fundierte Gedichtinterpretationen bietet, so zitiert:

„Hier unterliegt dem Text eine autobiographische Situation: Brecht sieht bei der Ankunft in Buckow aus dem Haus Rauch aufsteigen, ein Zeichen dafür, dass Helene Weigel oder Käthe Reichel für ihn ein Festmahl bereitet. Diesen Sachverhalt evoziert er aber nicht, sondern verfremdet ihn zu einer Verallgemeinerung ins Philosophische, der Rauch als Symbol von Liebe, der Fürsorge für Andere, und für menschliche Anwesenheit überhaupt. Dieser zweite, symbolische Sinn führt über den wörtlichen Sinn, eine Landschaftsidylle zu malen, hinaus. Dies Gedicht verliert durch diese Verallgemeinerungspotenzen die Eindeutigkeit und Eindimensionalität, also die Einfachheit, und gewinnt Mehr- oder Vieldeutigkeit. Von der syntaktischen Einfachheit der Parataxe der ersten zwei Zeilen geht es in den letzen drei zur Hypotaxe über, die per negationem  eine verallgemeinernde Symbolik realisiert.“

Unter diesem Link finden sich auch weiterführende Links unter anderem zu den Buckower Elegien, Käthe Reichel etc.

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

5 Gedanken zu „Literarische Orte: Hier entstanden Brechts Buckower Elegien“

  1. Toller Beitrag. In dem Zusammenhang empfehle ich den Film „Abschied. Brechts letzter Sommer“ von Jan Schütte mit den in dem Film herausragenden Akteuren Sepp Bierbichler und Monica Bleibtreu, Film-Musik übrigens vom hochverehrten John Cale.
    Viele Grüße,
    Gerhard.

  2. Ein schöner und informativer Post zum Chamäleon. Leider ist er ja mit seinem Vorschlag

    “[…] Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?”

    nicht so richtig erfolgreich gewesen. Aber macht nix. Am Ende unterstelle ich ihm dann eh dieses Gründgens’sche „Ich bin ja nur ein Schauspieler.“

    Für mich war er ein grosser Lyriker, ein wichtiger Dramatiker, ein praller Egoist und in der DDR ein grottenunglaubwürdiger politischer Künstler.

    Die Buckower Elegien sind wunderbar, was nicht wundert bei diesem herrlich bourgoisen Entstehungsort und den versorgungstechnischen Umständen, Leib und Seele betreffend…

    Liebe Grüsse
    Kai

  3. Es ist eine schöne Idee, literarische Orte vorzustellen. Dabei bin ich mehr an den Plätzen interessiert, an denen Bücher entstanden, Autoren leben / lebten und z. B. im Exil waren. Die Verknüpfung von Werk und Ort macht das nochmal reizvoller. Auch wenn für die Germanistik der Autor tot ist, ich stehe dann halt gern am Grab.

  4. …und jedesmal, wenn dieser Beitrag als Querverweis kommt, klicke ich mich hin und denke, hier müsste ich unbedingt mal hinfahren!

    Ganz herzliche Grüße an dich von
    Birgit

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