Kurz&knapp: Richard Yates und John Cheever in der Vorstadthölle

Die Konformität der amerikanischen Vorstadt, in der Träume junger Ehepaare schnell ersticken, sie war das Thema einiger großer amerikanischer Autoren.

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In der amerikanischen Literatur der 1950-er bis 1970-er Jahre finden sich einige großartige Romane über ein ganz spezielles Biotop: Über die mittelständischen (und natürlich ausschließlich „weißen“) suburbs. Selten wurde die Vorhölle der Vorstadt und ihre spezielle Einwohnerschaft so klarsichtig, unnachgiebig und auch zynisch geschildert wie in einigen Romanen der großen amerikanischen Autoren dieser Zeit – Richard Yates vorneweg, aber auch bei John Updike, Sloan Wilson und bei John Cheever.

Das Suburbia-Leben scheint sich in diesen Büchern nur alkoholisiert ertragen zu lassen: Der Ehemann gehört zur Spezies Pendler, der mittags mit den Kollegen (oder der Geliebten in der Stadt, oft eine Sekretärin aus der Firma) gerne schon die ersten Drinks kippt. Derweil verabschiedet sich die Gattin, langsam resignierend, von eigenen Lebensentwürfen und ertränkt im Kreise ihrer Leidensgenossinnen die Langeweile in Cocktails. Auch die gemeinsamen Stunden am Abend sind nur promillegeschwängert zu ertragen. So sind die Vorstadtromane oftmals auch Psychogramme junger Ehepaare auf dem Weg hin zu einer eheimmanenten Altersgereiztheit – wenn der Tod sie nicht schon vorher scheidet. Liebe, die kurz und manchmal schmerzhaft erstickt wird von den Konventionen der Vorstadtgesellschaft. Zwei grandiose Beispiele dafür in näherer Betrachtung: „Zeiten des Aufruhrs“ von Richard Yates und „Die Lichter von Bullet Park“ von John Cheever.

Zwei Jahre zuvor hatten sie diese Strecke, als zustimmend nickende Beifahrer im Kombi von Mrs. Helen Givings, einer Immobilienmaklerin, zum ersten Mal zurückgelegt. Am Telefon war Mrs. Givings höflich, aber zurückhaltend gewesen – oft genug kamen Leute aus der Stadt hier heraus und verschwendeten die Zeit der Maklerin damit, dass sie unakzeptable Kaufbedingungen aushandeln wollten -, doch schon von dem Augenblick an, als die Wheelers aus dem Zug gestiegen waren, hatte Mrs. Givings, wie sie später ihrem Mann erzählte, in den beiden ein Paar erkannt, mit dem es, trotz der niedrigen Preiskategorie, nur wenig Probleme geben würde.

Richard Yates, Zeiten des Aufruhrs, 1961

So kann man sich täuschen – denn das Haus in der Revolutionary Road (so der Originaltitel des Romans) bringt dem Paar kein Glück. Nur anfangs scheinen April und Frank voller Ambitionen und Hoffnungen, voller Liebe und Zuneigung. Doch die Vorstadt kriegt sie alle: Es gibt keine Revolution in der Straße der Revolution. Es ist der falsche Ort, es ist das  falsche Leben. Während Frank sich zunächst bei seinem Job langweilt, hofft April immer noch, dass die einstmaligen Träume von der Bühne wahr werden könnten. Doch das Leben läuft anders: Frank beginnt die übliche Karriere und April verblüht in der Vorstadt.

Ein letztes Aufbäumen ist ihr Plan, nach Frankreich auszuwandern. Während April noch an Aus- und Aufbruch glaubt, entpuppt sich Frank als Blender. Seine hochfliegenden Träume von einer kreativen Karriere verpuffen, er gibt sich – weil er sich seine eigenen kleinen Freiheiten herausnehmen kann – gerne mit dem kleinen Leben in der kleinen Stadt zufrieden. April jedoch bezahlt dafür einen hohen Preis. Ein Roman, der sich flüssig liest, der seine vielen inhaltlichen Ebenen bei wiederholten Lektüren nach und nach offenbart.

„Im Ort gibt es vier Kirchen. Vom Gorey Brook Country Club haben Sie wahrscheinlich schon gehört. Dort gibt es einen herrlichen, von Pete Ellison entworfenen Achtzehn-Loch-Golfplatz, vier regenfeste Tennisplätze und ein Schwimmbad. Hoffentlich sind Sie kein Jude. Da gelten hier nämlich strenge Prinzipien. Ich selbst habe keinen Pool und empfinde das, ehrlich gesagt, als Manko. Wenn sich die anderen über Chemikalien und so weiter unterhalten, ist man vom Gespräch ausgeschlossen.

John Cheever, Die Lichter von Bullet Park, 1969

Wer meint, hinter- und untergründiger ließe sich Vorstadt-Tristesse nicht beschreiben, der täuscht. Das giftigste, böseste Buch zum Thema stammt von John Cheever: „Die Lichter von Bullet Park“, 1969 erschienen. Was in dieser fiktiven, aber wirklichkeitsnahen Vorhölle von denen, die sich hier ansiedeln wollen, erwartet wird, das wird schon beim Hausverkaufsgespräch ganz klar.

Cheever, der auch mal gerne als „Tschechow Amerikas“ oder „Chechov of Suburbia“ bezeichnet wird, erzählt hier mit einem gnadenlosen Blick auf die Mittelschicht. Nichts ist und bleibt dabei so „herrlich, herrlich, herrlich, herrlich wie früher“, um den allerletzten, bösen Satz dieses Buches zu zitieren.

Im Roman wird der Blick auf zwei Familien geworfen: Zunächst steht der unauffällige Marketingangestellte Nailles im Fokus. Die blendende Fassade kann er jedoch nur noch mit Medikamenten aufrechterhalten. Eliot Nailles trifft auf seinen neuen Nachbarn Paul Hammer, dem der zweite Teil des Buches gewidmet ist. Ein Alkoholiker, der mit dem psychopathischen Plan, Nailles zu töten, nach Bullet Park gezogen ist. Die Verbindung der beiden Männer, die selber nur Opfer dieser Hölle der Vorgärten sind, erschließt sich erst im Laufe des Buchs. Doch eines wird schnell klar: In diesem Biotop bigotter, judenfeindlicher, schwulenhassender Vorstadtscheinheiliger braucht man so oder so alle Geisteskräfte, um nicht den Verstand zu verlieren.