Lesezeichen von: Jutta Reichelt

Manchmal geht es nicht darum, über etwas zu schreiben, sondern sich seine eigene Geschichte zu erschreiben – Jutta Reichelt über ihren Werdegang zur Autorin.

Jutta„Eine Frau, die am Abgrund steht und ihn nicht sieht. Vielleicht hat mich die Suche nach diesem Bild zur Schriftstellerin gemacht. Jedenfalls kommt es mir so vor, als habe ich mit diesem Bild den Raum des Symbolischen erstmals betreten. Als es mir eines Tages einfiel, kam es mir sofort wahrer vor als jede Erinnerung, die ich besitze, zutreffender als jeder Satz, mit dem ich versuchen könnte zu beschreiben, wer ich bin oder was mich ausmacht.“

Jutta Reichelt, “Wie ich Schriftstellerin wurde. Geschichte einer Hochstapelei.

Wie bist du zum Schreiben gekommen, wie wurden Sie Schriftstellerin? Keine Autorin, kein Autor, die nie mit dieser Frage konfrontiert würden. Oftmals klingen die Antworten phrasenhaft, häufig ist die Frage vielleicht auch nicht in einem Satz aufzuklären, meist liegt die Antwort vergraben in der eigenen Biographie. So wie bei Jutta Reichelt, die viele Blogger dank ihrer virtuellen Schreibwerkstatt, in der sie Wissen und Tipps weitergibt und zum eigenen Schreiben ermuntert, kennen.

Seit einiger Zeit arbeitet sie an einem Buch über „Lebensgeschichtslosigkeit“: Es handelt von Menschen, die über keine oder zumindest keine Lebensgeschichte im klassischen Sinne verfügen, es handelt auch von ihr selbst. Einen Auszug aus diesem Text hat Jutta Reichelt nun als Sonderdruck veröffentlicht: „Wie ich Schriftstellerin wurde. Geschichte einer Hochstapelei.“

Darin erzählt sie, wie sie spät zur Schriftstellerin wurde. Und warum. Ein Zitat:

„Viele Menschen denken, dass der therapeutische Effekt des Schreibens vor allem im Loswerden liegt und natürlich gibt es das auch, dass man sich etwas von der Seele schreibt und allein schon durch die Transformation des Erlebten in das Medium der Sprache Distanz gewinnt. Aber für mich ging es im Schreiben immer viel weniger ums Loswerden als ums Finden.“

Wer nun neugierig geworden ist: Der Sonderdruck kann direkt bei Jutta Reichelt bestellt werden.

https://juttareichelt.com/

Wilhelm Genazino: Tarzan am Main

Wilhelm Genazino hat sich Frankfurt als Wahlheimat ausgesucht. Frankfurt, ausgerechnet! Eine Hassliebe, die er immer wieder gekonnt literarisch aufarbeitet.

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Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

„Wer in einem Flugzeug sitzt und sich langsam der Stadt Frankfurt am Main nähert, wird Opfer einer harmlosen Blendung. Etwa fünfzehn Minuten dauert der Sinkflug, und er spielt sich über schier endlosen Häusermeeren ab. In der Mitte des Panoramas erhebt sich machtvoll eine Wand von Hochhäusern, die zusammengewachsen scheinen. Wer die Geographie nicht kennt, hält den riesigen Teppich für Teile von Frankfurt, das seit langer Zeit damit leben muss, dass sie für die amerikanischste Stadt Deutschlands gehalten wird.“

Wilhelm Genazino, „Tarzan am Main. Spaziergänge in der Mitte Deutschlands“

Über den Wolken scheint nicht nur die Freiheit grenzenlos zu sein. Eine Täuschung. Denn im Grunde, so macht es Wilhelm Genazino seinen Lesern deutlich, ist Frankfurt ein provinzielles Dorf, dessen Stadtkern in 20 Minuten durchquert werden kann (wenn einem nicht ständig die Massen an überwiegend asiatischen Touristen im Weg stünden).

Zu gern wäre ich mit dem mittlerweile über 70jährigen Schriftsteller, dessen Romanhelden durch die Bank exzellente Flaneure sind, durch „Mainhattan“ oder auch „Painfurt“, wie ich es nenne, gebummelt. Hab` mich aber nicht getraut, bei ihm zu klingeln. Stattdessen habe ich seinen „Tarzan am Main“ als Begleitung dabei.

„Zum einen gefällt sich die Stadt in ihrer hausbackenen Eppelwoi-Seligkeit, zum anderen will sie als Mainhattan gelten. Man muss annehmen, dass Menschen, die derlei Verschmelzungen angemessen finden, noch nie in New York gewesen sind.“

Eine Sammlung kurzer Texte, das „Genazinos Frankfurt-Buch“ genannt wird. Natürlich nehmen die Stadtbetrachtungen in diesem schmalen Band einen breiten Raum ein – zugleich sind sie aber auch Aufhänger für Biographisches. Genazino, der 1970 nach Frankfurt kam, um dort beim Satiremagazin „Pardon“ zu arbeiten, erzählt von den Anfängen seiner Schriftstellerexistenz, vom Schriftstellerdasein an sich („Ich sitze am Schreibtisch und suche nach Wörtern“), von den „zwiespältigen Wochen“ des Wartens auf die Herren vom Deutschen Literaturarchiv Marbach, die seine Aufzeichnungen übernehmen wollen („Vorlass“ genannt), von Kollegen (und dem leidigen und sträflich nachlässigen Umgang der Hochkultur mit den unterschätzten Vertretern des Fachs „Humor“ wie seinem Freund Robert Gernhardt). Es ist ein Buch über die Stadt, das Spazierengehen, das Schreiben.

Beides gehört für den Büchner-Preisträger unmittelbar zusammen, denn:
„Vermutlich ist der Schreibende das Gefäß einer Reizung, für die er sich immer besser präparieren lernt. Aus diesem Grund ist es irreführend, sich Literatur nur aus Sprache bestehend vorzustellen. Ohne die andauernde Wechselbelebung zwischen äußeren Bildern, ihrem verzögerten inneren Echo und deren Drang nach Gestaltung würde niemand schreiben wollen.“

Ich schreib hier keine Literatur. Und doch merke ich, dass mich meine Frankfurt-Eindrücke der letzten Tage so beschäftigen, dass ich sie schreibend erfassen will. Für eine Besucherin für mich aus der bayerischen Provinz ist die Stadt, die ich überwiegend vom Weg vom Bahnhof bis zur Buchmesse und zurück kenne, eine Stadt der Extreme: Himmelsstürmende Wolkenkratzer, Obdachlose auf Matratzenlager am Boden. Christopher-Street-Day auf der Zeil, der brummelnde alte Hesse, Schwulen-und-Ausländer-Hass-Parolen in seine Bierflasche murmelnd. Menschenmassen zwischen Alter Oper und Hirschgraben, dazwischen, beim Bücherflohmarkt am „Haus des Buches“, plötzlich ein Ort gepflegter Ruhe.

„An manchen Nachmittagen, besonders im Frühjahr und im Sommer, verwandeln sich Teile der Innenstadt in eine Art Szenario der Verwahrlosung. (…) Ich fürchte sowieso, unser Wirtschaftssystem hat einen Grad von Geschlossenheit erreicht, der die einmal Ausgeschlossenen nicht mehr zurücklässt. (…) Wie sehr die heutige Gesellschaft in geschlossene Segmente auseinandergefallen ist, kann man erleben, wenn man einen Abend in der Oper oder im Schauspielhaus verbringt. Wer in der Pause – ein Glas Prosecco für fünf Euro in der Hand – ein wenig im weiträumigen Foyer umherwandelt, kann ganz nah und doch im Dunkeln die herumhuschenden Schatten derer sehen, die in der Grünanlage unmittelbar vor dem Theater die Nacht verbringen.“

Dass Genazino, dieser begnadete Alltagsbeobachter, in seinen Frankfurt-Beobachtungen keine Sehenswürdigkeiten (Römer, Paulskirche, Bankenviertel, Schaumankai, Goethehaus) abhandeln würde, davon bin ich ausgegangen. Wer sich der „Seele“ dieser Stadt ein wenig annähern möchte, für den ist der „Tarzan am Main“ (das Titel“bild“ entstammt eigentlich einer Vignette über Genazinos Geburtsstadt Mannheim, wo sich Klein-Genazino inmitten der Kriegstrümmer vorstellte, er könne sich mit Lianen buchstäblich abseilen) richtig. Und es erklärt sich aus Buch und Stadterleben auch, warum Frankfurt den passenden Nährboden abgab, damit Genazino hier mit seinem „Abschaffel“ das Genre des Angestelltenromans „erfinden“ konnte. Im Park joggt ein junger Mann an mir vorbei, eigentlich noch ein Milchgesicht, an den Füßen stinkteure Sneakers, und hechelt beim Laufen in sein Headset: „Ja, Mama, aber die haben gesagt, dass ich dieses Jahr noch nicht zum Consultant upgegradet werden kann.“ That`s Ebbelwoi-City.

Informationen zum Buch:

Wilhelm Genazino
Tarzan am Main
Hanser Verlag, 2013
ISBN 978-3-446-24122-0

Daniel Faßbender im Gespräch: Roofen oder Schreiben – was ist Fiktion, was Realität?

Ein Interview ohne Worte mit meinem Blogbuster-Favoriten und eine sensationelle Leseprobe in luftigen Höhen: Die weltbeste Geschichte vom Fallen.

Daniel Faßbender hat mich mit “Die weltbeste Geschichte vom Fallen” begeistert. Das Manuskript um einen jungen Mann, der sich in der Roofer-Szene bewegt, hatte es mir vom ersten Satz an angetan – und so wurde dieser Roman mein Favorit für den Literaturpreis Blogbuster. Weil der Text selbst von einer so ungewöhnlichen Szene erzählt, haben Daniel und ich uns entschieden, ihn auch außergewöhnlich in Szene zu setzen: Ein Interview ohne Worte über den Dächern von Köln.

Daniel, Dein Text handelt von einem Roofer. Kennst Du das aus eigener Erfahrung?

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Alle Bilder: Markus Syska

Roofen, Freiheit über den Dächern, und der Handlungsort Stockholm. Gibt es dafür spezielle Gründe?

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Dein junger Protagonist ernährt sich überwiegend von Kakao und Zimtwecken. Ist das auch Dein täglich Brot?

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Gibt es für Dich literarische Vorbilder?

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Arbeitest Du bereits an einem neuen Manuskript?

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Was bedeutet Schreiben für Dich?

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Und hier gibt es noch eine sensationelle Leseprobe:

Lesezeichen von: Paul Auster

1974 ersteht Paul Auster eine Reiseschreibmaschine: Auf ihr schreibt er immer noch. Und setzte ihr ein kleines Denkmal mit diesem Buch.

Bild von laszlo zakarias auf Pixabay

“Also blieb ich bei meiner Schreibmaschine, und die achtziger Jahre gingen in die neunziger über. Einer nach dem anderen stiegen meine Freunde auf Mac oder IBM um. Allmählich kam ich mir vor wie ein Fortschrittsfeind, der letzte heidnische Posten in einer Welt voller digitalen Konvertiten. (…) Bis dahin hatte ich mich meiner Schreibmaschine nicht sonderlich zugetan gefühlt. Sie war einfach ein Werkzeug, das mir erlaubte, meine Arbeit zu tun; aber jetzt, da sie zu einer gefährdeten Spezies geworden war, zu einer der letzten überlebenden Gerätschaften des Homo scriptorus des 20. Jahrhunderts, begann ich eine gewisse Zuneigung zu ihr zu empfinden.”

Paul Auster/Sam Messer, “Die Geschichte meiner Schreibmaschine”, Rowohlt Verlag, 2005, Hardcover mit zahlreichen Bildtafeln.

1974 ersteht Paul Auster von einem Freund für 40 Dollar eine Olympia-Reiseschreibmaschine, “hergestellt in Westdeutschland. Dieses Land gibt es nicht mehr, aber seit jenem Tag im Jahr 1974 ist jedes Wort, das ich geschrieben habe, auf dieser Maschine getippt worden”. Wahrscheinlich gilt diese Aussage auch heute noch, 14 Jahre nach Erscheinen des amerikanischen Originals dieses kleinen Bildbandes: Denn Auster erstand vorsorglich 50 Farbbänder für seine Olympia. Technisch unbegabt, scheute der Schriftsteller die Anschaffung eines Computers. Das allein ist jedoch nicht der Grund für die immer intensiver gewordene “Beziehung” zu seinem Schreibgerät: “Ich hatte nie die Absicht, meine Schreibmaschine zu einer Heldin zu machen. Das ist das Werk von Sam Messer, einem Mann, der eines Tages in mein Haus kam und sich in die Maschine verliebte.”

Der New Yorker Künstler begann “Portraits” der Olympia zu malen, manchmal durfte auch Paul Auster mit ins Bild. Und so ist “Die Geschichte meiner Schreibmaschine” vor allem eine bildhafte, schöne Liebeserklärung an diesen Gegenstand, der immer mehr aus unserem Alltag verschwindet.

Jutta Reichelt im Gespräch: Wie war der Weg vom Manuskript zum Buch?

Das Schreiben ist nur ein Teil der Arbeit. Wie aber kommt ein Manuskript zum Verlag? Die Schriftstellerin Jutta Reichelt im Interview über ihre Erfahrungen.

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Bild von StartupStockPhotos auf Pixabay

Jutta Reichelt, 1967 in Bonn geboren, studierte Jura und Soziologie in Bonn und Bremen. Freie Schriftstellerin, lebt und arbeitet in Bremen, unterrichtet Literarisches Schreiben, leitet diverse Literaturwerkstätten, gehört dem Masken-Ensemble des Bremer Blaumeier-Ateliers an. Bisher erschienen von ihr Erzählbände, die Romane „Nebenfolgen“ und „Wiederholte Verdächtigungen“. Jutta Reichelt erhielt mehrere renommierte Auszeichnungen, u. a. war sie Stipendiatin der „Bremer Romanwerkstatt“, Preisträgerin des Tübinger Würth-Literaturpreises sowie des Irseer Pegasus. Und in der Blogosphäre kennt man sie durch ihren eigenen Blog “Über das Schreiben von Geschichten”, auf dem sie wertvolle Schreibtipps teilt.

Höchste Zeit einmal für ein Interview mit Jutta zu der Geschichte ihres Romans: Wie wurde aus den wiederholten Verdächtigungen der wunderbare Roman, den ich nicht oft genug empfehlen kann?

Liebe Jutta, Du hast fast sechs Jahre an Deinem Roman “Wiederholte Verdächtigungen” gearbeitet – wann kam der Punkt für Dich während dieser Zeit, als Du wusstest: Jetzt ist es soweit – ich will das Manuskript einem Verlag vorstellen?

Ich glaube nach etwa drei Jahren entwickelte sich bei mir (auch durch die Rückmeldungen anderer AutorInnen) die Einschätzung, dass die „Wiederholten Verdächtigungen“ sich auch in einem größeren Literaturverlag würden behaupten können. Von dem Zeitpunkt an habe ich das Manuskript immer mal wieder verschickt.

Wie geht man als Autorin dabei vor – einfach ein Manuskript einzuschicken, ist da wohl wenig erfolgsversprechend?

Nach allem, was ich höre, ist es der am wenigsten erfolgversprechende Weg – aber hin und wieder kommen wohl auch so Veröffentlichungen zustande. Das Problem ist, dass es gerade für „literarische AutorInnen“ generell schwierig ist – jedenfalls bilde ich mir ein, dass es erheblich einfacher wäre, wenn ich mal einer meiner Krimi-Ideen nachginge. Anders gesagt: eine gute Agentur zu finden ist ähnlich schwer, wie einen guten Verlag zu finden.

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Jutta Reichelt. Bild: Caro Dirscherl

Hast Du Dir gezielt mehrere Verlage ausgesucht und kontaktiert?

Ich habe in einer ersten Runde nacheinander Kontakt zu vier größeren Agenturen aufgenommen, bei denen ich mich auf Empfehlungen anderer AutorInnen beziehen konnte. Da gab es durchweg positive Reaktionen, allerdings  auch immer ein „aber“.

Ich erzähle mal von einer Absage,  weil es eine schöne Geschichte ist und weil sie mir tatsächlich sehr weitergeholfen hat: Ich erhielt von einem Agenten eine sehr knappe Absage (wofür man schon fast dankbar sein muss, weil manche Agenturen sich überhaupt nicht melden) und vom selben Agenten nochmals sechs Monate später eine weitere. Er entschuldigte sich, dass er so spät erst reagierte, wusste also offenbar nicht mehr von der früheren Absage. Er lobte dann sehr den Ton, die Sprache, die „fast makellose Prosa“, monierte aber, dass er in die Geschichte nicht richtig reingekommen wäre, dass ihm das alles zu lang gedauert hätte. Als ich das las, dachte ich: Das darf nicht wahr sein! Die Geschichte, die ich vor mir sehe, die ich in den „Wiederholten Verdächtigungen“ erzähle, ist so stark, es muss mir doch gelingen, dafür eine Form zu finden. Und dann habe ich jeden Absatz, jeden Satz daraufhin überprüft, welche Funktion er für den Text hat – und etwa 50 Seiten gestrichen…

 Wie war das emotional für Dich – ein Stück Arbeit, die ja auch ein Stück Deines Lebens ist, zur “Bewertung” durch Lektoren und Verlagsmitarbeiter aus der Hand zu geben?

 Was ich schwierig finde, ist der Umstand, den ich eben angedeutet habe: Dadurch, dass die Agenturen und Verlage derart mit Manuskripten überschwemmt werden, gelingt es den wenigsten, den Ablauf zu gewährleisten, den sich vermutlich alle Beteiligten wünschen würden: Eingangsbestätigung und innerhalb von 6 – 8 Wochen eine Entscheidung. Manche Agenturen schreiben z. B. auf ihrer Homepage: „Wenn Sie nach 3 –6 Monaten nichts von uns gehört haben, können Sie davon ausgehen, dass wir kein Interesse haben.“ Da ist dann die Diskrepanz zwischen der Bedeutung, die das Manuskript für die Autorin, den Autor hat und der Bedeutung, die ihm vom Gegenüber entgegengebracht wird, schon frustrierend. Und, dass alles so lange dauert: Bei einem größeren Verlag sah es längere Zeit ganz gut aus – und dann wurde es doch nichts und es waren wieder insgesamt neun Monate vergangen, in denen ich auch nichts anderes hatte versuchen können.

Wie gingst Du mit Absagen um?

Das war ganz unterschiedlich. Es gab welche, die ich  recht sportlich nehmen konnte, bei denen ich mich wie eben geschildert auch gefreut habe, dass vieles offenbar stimmt und dann aber auch ein oder zwei, die mich wegen ihres Tons  geärgert haben. Und natürlich ist es eine Enttäuschung. Aber es waren für mich immer eher Tage als Wochen oder gar Monate, in denen sich das auf meine Stimmung ausgewirkt hat. Und man muss einfach auch sehen, dass es für den großen Aufwand, den es für einen Verlag bedeutet, ein Buch zu „machen“, einfach auch nicht reicht, es „nur“ gut oder sehr gut zu finden – es muss dann wirklich begeistern oder zumindest die Hoffnung wecken, es würde genug LeserInnen begeistern.

Veröffentlicht wurde “Wiederholte Verdächtigungen” bei Klöpfer&Meyer, einem Verlag der sich neueren Stimmen der deutschen Literatur öffnet. Wie fandet ihr zusammen?

Ich habe 2008 den Preis der Jury des Irseer Pegasus erhalten, der in eben diesem Jahr sein zehntes Jubiläum feierte, weswegen eine schöne Anthologie erschien – im Klöpfer & Meyer Verlag. Huber Klöpfer, der Verleger, brachte die druckfrischen Exemplare direkt nach Irsee und es kam zu einer kurzen Begegnung zwischen uns, auf die ich mich dann berufen konnte, als ich ihn vor gut zwei Jahren anschrieb. Und dann gab es noch einen weiteren Anknüpfungspunkt nach Tübingen, wo der Verlag sitzt, der sicherlich ein „Türöffner“ war: Ich hatte 2001 den Würth-Preis der Tübinger Poetik-Dozentur erhalten, verbunden mit einer Laudatio von Herta Müller.

Vom Vertrag bis zur Veröffentlichung: Wie lange hast Du dann noch am Manuskript gearbeitet? Wie sah Deine Zusammenarbeit mit dem Verlagslektorat aus?

Im  Frühjahr 2014 hatte ich die Zusage von Hubert Klöpfer, dass er das Buch verlegen wird, im Sommer haben wir uns dann in Tübingen getroffen und über Details gesprochen und dann war klar, dass der Text im Spätsommer ins Lektorat ginge und ich bis dahin Zeit hätte ihn nochmals zu überarbeiten. Zunächst dachte ich daraufhin: Ich habe den Text jetzt schon so oft überarbeitet, ich warte erstmal ab, was die Lektorin Petra Wägenbaur dazu sagt. Aber dann habe ich bei einer weiteren Lektüre des Textes festgestellt, dass ich mit dem letzten Drittel des Textes und auch mit dem unmittelbaren Ende noch nicht vollkommen zufrieden war und habe also den Sommer über nochmals sehr konzentriert an dem Text gearbeitet.

Die Zusammenarbeit mit der Lektorin war dann sehr entspannt, von wechselseitigem Respekt geprägt. Aber da war der Text auch schon in einer sehr „guten Verfassung“ – was ich auch den beiden wunderbaren Autoren-Kolleginnen Ulrike Ulrich und Kerstin Becker zu verdanken habe, die den Text über die Jahre mehrfach gelesen haben.

Und wieviel Einfluss hattest Du als Autorin auf die Buchgestaltung?

Ich hatte die Möglichkeit, Vorschläge zur Cover-Gestaltung zu formulieren, aber eher, um zur Ideenfindung beizutragen und weniger, um einen sehr konkreten Vorschlag zu machen, der dann übernommen wird. Aber ich hatte die Zusage, dass ich bei allem (Cover, Klappentext, Vorschau) eine Art Veto-Recht habe. Bei der Vorschau war es dann auch keine Frage, dass meine Änderungswünsche angenommen wurden, was oft vor allem ein Zeitproblem ist. Für mich war wichtig, dass es bei dem Titel bleibt und ansonsten kann ich sehr gut andere ihre Arbeit machen lassen und anerkennen, dass sie davon mehr verstehen als ich – zum Beispiel von Gestaltung.

Wiederholte Verdächtigungen ist Deine vierte Buchveröffentlichung – fängt für Dich mit dem fünften Buchprojekt dieses Procedere der Verlagssuche dann wieder von vorne an? Oder wird es von Buch zu Buch aufgrund wachsender Kontakte – so wie ja auch der Kontakt zu Klöpfer&Meyer durch ein persönliches Zusammentreffen entstand – einfacher?

Was den “neuen Roman” betrifft, gibt es von meiner wie auch von Verlagsseite die Absicht, weiter miteinander zu arbeiten – was mich auch deswegen sehr freut, weil ich die Zusammenarbeit mit dem ganzen Verlagsteam als ungewöhnlich angenehm empfunden habe: sehr engagiert, qualitativ hochwertig und humorvoll. Aber ich habe mittlerweile auch noch ein paar andere Projekte, die nicht in das Profil von  Klöpfer & Meyer passen (ein Kinderbuch und einen “anderen” Schreibratgeber um mal die zu nennen, die schon weit gediehen sind) – und da bin ich wieder auf der Suche und merke, dass ich jetzt schon in einer besseren Position bin, als noch vor einem Jahr – aber mal schauen, vielleicht versuche ich es auch noch mal mit einer Agentur …