HANNA BJØRGAAS: Das geheime Leben in der Stadt

Die norwegische Biologin Hanna Bjørgaas unternahm während der Pandemie eine spezielle Expedition: Ein Jahr lang ging sie in Oslo mit Fernglas, Lupe und Skizzenbuch vor die Tür, schaute, horchte, roch und befragte andere Experten zum geheimen, wilden Leben in der Stadt. Ihre Nachrichten aus der urbanen Wildnis begeistern die Leser.

Die norwegische Biologin Hanna Bjørgaas unternahm während der Pandemie eine spezielle Expedition: Ein Jahr lang ging sie in Oslo mit Fernglas, Lupe und Skizzenbuch vor die Tür, schaute, horchte, roch und befragte andere Experten zum geheimen, wilden Leben in der Stadt. Sie ließ (und lässt) sich immer wieder aufs Neue von deren Begeisterung für die Natur im urbanen Lebensraum mitreißen. Sehr unterhaltsam und gespickt mit neuesten Forschungsergebnissen erzählt sie uns von eigentlich vertrauten Lebewesen, die man nach diesem Buch in einem neuen Licht sieht: Krähen, Amseln, Möwen, Ameisen (die plötzlich in ihrer Küche auftauchen), Fledermäuse, Sperlinge, Lindenbäume (als Urpflanzen nach der letzten Eiszeit), Flechten und die bizarre Mikrowelt des Erdreichs.

Jedes Kapitel beginnt mit einer wundervollen Illustration durch das Künstlerkollektiv MI.

Wie schaffen es Tiere und Pflanzen, sich an die besonderen Herausforderungen der „Felsenlandschaft Stadt“ anzupassen – mit den schnellen technischen Entwicklungen und geänderten Nahrungsangeboten? Wie unterstützen sie sich gegenseitig und wie wehren sie sich gegen Konkurrenten und gegen die Einengung ihrer Lebensräume? “Das geheime Leben in der Stadt. Nachrichten aus der urbanen Wildnis” ist ein überraschendes, künstlerisch illustriertes Tagebuch voller Entdeckungs- und Lebensfreude, das Lust macht auf Expeditionen in nächster Umgebung.

Nach dem norwegischen Original 2021 ist nun vor einigen Wochen die englischsprachige Ausgabe im kanadischen Verlag “Greystone Books” erschienen und wird bereits in “The Washington Post” äußerst positiv besprochen: “Secret life of the City is a marvelous journey through Oslo’s nonhuman societies as Bjorgaas passes a calendar year exploring the internal lives of crows, bats, nightingales, gulls, lichens and urban soils, a grounded account of the sublime adventures that come from slowing down and paying attention”, schwärmt Kate Brown.

In deutscher Übersetzung durch Sabine Richter erscheint das Buch nun in der STROUX edition.


Stimmen zum Buch:

“Es (das Buch) enthält auch so etwas wie Reisebeschreibungen, Autobiographisches inkl. Erinnerungen und Rückblicken, Bekenntnisse, Reflexionen, Kommentare, Statements und explizite Adressen an den Leser, Experteninterviews, Expeditions-, Abenteuer- und sogar Horrorerzählungen, anekdotische Abschweifungen, erzählerische Einbettungen und Ausschmückungen, Porträts von (zum Teil skurrilen) Zeitgenossen sowie Wissenschafts- und Kulturgeschichtliches – gewiss ließe sich noch anderes anführen. Das macht in Summe: Den Leser erwartet ein ebenso lehrreiches wie abwechslungsreiches wie unterhaltsam-unkonventionelles Lesevergnügen.” – Günter Helmes bei literaturkritik.de

“Eine sehr entspannte, konstruktive, freundliche, weitreichende Zeitgeistkritik.” – Alexander Carmele bei Kommunikatives Lesen

“Das ist Nature Writing vom Feinsten. Überall gern empfohlen.” – Petra Friedmann, ekz Bibliotheksservice

“Ein Sachbuch in erzählender Form – wirklich informativ, gut zu lesen und sehr individuell und persönlich.” – Heike Baller bei Kölner Leselust

“Das geheime Leben in der Stadt” ist ein lehrreiches Buch, das einerseits das Interesse und Freude an der städtischen Natur weckt und uns diesen besonderen Lebensraum näher bringt, aber auch die negativen Einflüsse des Menschen nicht außer Acht lässt. Lesenswert für alle Naturliebhaber, die in ihre Umgebung tiefer eintauchen möchten und mehr über die Wildnis vor der eigenen Haustür entdecken wollen.  – Barbara Schulze bei Sommerleses Bücherkiste

“Dank dieses Buches schaut man ein bisschen anders auf die Welt.” – Celina Sauter bei Books and a Cuppa Tea

“Hanna Bjørgaas erkundet das Sozialleben von Ameisen, die sich Blattläuse als Haustiere halten, weil sie ihnen als Nahrungsquelle dienen, oder erläutert die Bedeutung von Mikroben und steigt für Fledermäuse in die Unterwelt. Darüber erzählt sie wunderbare Geschichten und Anekdoten.Ihr Buch öffnet neue Horizonte und ist dazu eine höchst vergnügliche Lektüre. Weil es irgendwie immer auch Freude macht, etwas zu lernen.” – Annemarie Stoltenberg im NDR

“Bjørgaas führt am eigenen Beispiel vor, wie sehr uns die Wahrnehmung für die Umwelt verloren gegangen ist und welche Gefahren diese Entwicklung birgt. Sie möchte unser Interesse wiederbeleben, indem sie zeigt, wie unmittelbar Natur – sogar mitten in der Stadt – direkt vor unserer Nase stattfindet. Ihr Buch ist dafür die perfekte Einladung. Eine sympatische Anleitung zum Neugierigsein.” – Britta Röder bei booknerds

“Die schönsten und besten Bücher sind jene, die man Lieblingsmenschen schenkt. „Das geheime Leben in der Stadt“ gehört dazu. Nicht nur für Naturfreunde geeignet, sondern auch für jene, die es noch werden wollen. Denn Bjørgaas‘ Band beweist, dass man selbst über das vermeintlich Bekannte noch immer Staunen kann.” – Constanze Matthes bei Zeichen & Zeiten

„Das geheime Leben in der Stadt“ ist ein faktenreiches Werk über das Leben in der Stadt abseits der Menschen. Es sensibilisiert uns für die, die in dem vom Menschen bevorzugten Habitat schon länger oder neu beheimatet sind. – Philipps kleines Universum

“Die Aufmachung des Buches ist sehr gelungen. In einer Art Tagebuchform geschrieben, behandelt jeder Monat ein spezielles “Naturphänomen”. Die Grafiken zu Beginn jedes Kapitels sind sehr schön.” – Isabel Fredriksson, Seitenwandler

“Die Autorin versteht es, mit ihrer Sprache und Erzählweise beim Publikum Interesse zu erwecken und man folgt ihr gern auf den Spuren all der unterschiedlichen Organismen, die die Stadt ‚bewohnen‘. ” – Paul Hübscher bei litteratur.ch

„Das geheime Leben in der Stadt“ von Hanna Bjørgaas ist definitiv eine Leseempfehlung und ebenso ein Plädoyer für mehr Bewusstsein – für die Umwelt, für die Tiere und die Pflanzen, denen wir tagtäglich begegnen. – Jamie Lindner bei Librovore

“Empfehle ich dieses Buch? Jaaa! (…) Eine beinahe kindliche Freude springt einen aus den Seiten an und der Ruf, bleibt doch neugierig (…)” – Petra Kuhn bei Petras Bücherapotheke

“Ein liebevoll gestaltetes Buch über die Natur in der Stadt, über Anpassung, Überleben und besetzte Nischen, das dazu einlädt, mit wachen Augen das eigene Umfeld zu beobachten.” – Frau Lehmann liest

“Was das Buch besonders lesenswert macht, ist die Art und Weise, wie es den Leserinnen und Lesern die Augen für die Schönheit und Vielfalt der Natur in der Stadt öffnet.” – Manuela Hahn von “Lesenswertes aus dem Bücherhaus”

“Ein durch wunderbare Illustrationen ergänztes, lehr- und aufschlussreiches, aber vor allem inspirierendes Buch, das Neugier weckt und Lust macht, selbst auf Entdeckungstour zu gehen und das aufgrund der Lebensfreude und Begeisterungsfähigkeit der Autorin, die es versteht, den Funken überspringen zu lassen, wirklich für jedermann und jederfrau geeignet ist.” – Barbara Pfeiffer bei Kulturbowle

“(…) ist „Das geheime Leben in der Stadt“ ein ganz wundervolles Buch. Wir müssen rausgehen, die Augen öffnen und das Alltägliche, das Unsichtbar gewordene, wieder neu entdecken.” – Sascha Thoma bei koreander.net

“Bjørgaas lädt dazu ein, die Natur vor der eigenen Haustüre neu zu sehen und zu erleben.” – Simone Regina Adams bei “freitagsplastikfrei.de”

“Ein tolles Buch, nicht nur für Natur- und Wissenschaftsfans!” – Alena Vogel bei zugetextet


Zur Autorin:

Hanna Bjørgaas (Jahrgang 1986) hat an der Universität Oslo Biodiversität und Evolution studiert, mit einer Zusatzausbildung für „Outdoor Life“. Sie hat als Fremdenführerin in der Arktis und Antarktis gearbeitet und Touren zum Thema Pflanzen, Pilze und Flechten durchgeführt. Biologie ist für Bjørgaas mehr als eine Berufung: Ohne Fernglas und Lupe um den Hals fühlt sie sich ‚fast nackt‘.
Bild: Åsmund Holien Mo

Sabine Richter ist Germanistin und Skandinavistin mit Schwerpunkt Norwegen. Sie lebt in Madrid und Wien, arbeitet als Literatur-Dozentin unter anderem für die Universität Oslo, als Dolmetscherin sowie als freie Übersetzerin für Sachbücher und Belletristik aus dem Norwegischen.


Zum Buch:

HANNA BJØRGAAS
Das geheime Leben in der Stadt
Nachrichten aus der urbanen Wildnis Aus dem Norwegischen von Sabine Richter
STROUX edition, München
304 Seiten, Hardcover – mit farbigen Illustrationen
€ 26,00 [D]
ISBN 978-3-948065-27-0
Erscheinungstermin: 10. Juli 2023


Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für den Verlag

TORIL BREKKE: Ein rostiger Klang von Freiheit

Oslo 1968: Auch in Norwegen testen junge Menschen neue Freiheiten aus. Mitten unter ihnen die 18 Jahre alte Agathe. Doch der Klang der Freiheit hat für sie einen rostigen Beigeschmack: Auf ihr lastet eine verwickelte Familiengeschichte.

Oslo 1968: Es herrscht Aufbruchsstimmung, von überall her ist der Klang von Frei­heit zu hören. Es gibt politische Diskussionen, Proteste gegen den Vietnamkrieg, sexuelle Freiheiten werden ausgetestet, Büstenhalter brennen. Die 18-jährige Agathe meldet sich kurz vor dem Abitur von ihrem konservativen Gymnasium ab, um im einem neu gegründeten Versuchsgymnasium die freie Atmosphäre von Summerhill atmen zu können.

Doch die Leichtigkeit, die dieser Roman scheinbar atmet, trügt: Alles könnte gut sein für die junge Frau, die sich einfach ausprobieren will, wäre da nicht die eigene Familie mit einem dunklen Geheimnis belastet. Agathe lebt mit ihrem jüngeren Bruder bei ihrem Stiefvater Isak. Die Mutter, eine Musikerin, ist sang- und klanglos mit einem anderen Mann nach Dänemark verschwunden, lässt die Kinder zurück, lehnt jeden Kontakt zu ihnen ab. Der Klang von Freiheit: Er hat einen rostigen, sprich melancholisch-knirschenden Unterton, den auch Gabriele Haefs in ihrer Übersetzung aus dem Norwegischen wunderbar in diesen nur oberflächlich leichten Familien- und Coming-of-Age-Roman einfließen lässt.

Katharina Granzin schreibt in der Frankfurter Rundschau über dieses Buch: „Die perspektivische Doppelbödigkeit des Erzähltons trägt viel zum atmosphärisch schwebenden Charakter des Romans bei.” Trotz des scheinbar unbekümmerten Tonfalls biete Toril Brekke einen Stoff von einer tiefsitzenden Ambivalenz.

Die Autorin:

TORIL BREKKE wuchs als Tochter des Dichters Paal Brekke in Künstlerkreisen in Oslo auf. Nach einer Ausbildung zur Typografin arbeitete sie als Lehrerin und Journalistin. Seit 1976 verfasst sie Romane und Erzählungen sowie Kinder- und Jugendbücher. Zwischen 1987 und 1991 war sie Vorsitzende des norwegischen Schriftstellerverbandes und in den 1990er Jahren Mitglied des Komitees für den Literaturpreis des Nordischen Rates. Sie wurde im Jahr 2000 mit dem Literaturpreis der Riksmål-Gesellschaft und 2004 mit dem Amalie-Skram-Preis ausgezeichnet.

Toril Brekkes Arbeiten sind geprägt von ihrem Interesse an menschlichen Beziehungen und der Frage, warum wir in engen Beziehungen, aber auch zwischen den Geschlechtern, Klassen oder Ländern so handeln, wie wir es tun.

Stimmen zum Buch:

“Träumerisch leicht und in einem ungewöhnlichen, ambivalenten Erzählton führt die Norwegerin Toril Brekke ins Oslo der sechziger Jahre.” – Katharina Granzin, Frankfurter Rundschau

“Eine literarische Entdeckung.” – Sandra Zaplin, Bayerischer Rundfunk

“Ein intensiver Roman über ungeheuerliche Familienverhältnisse und nicht erziehungsfähige Erwachsene.” – Annemarie Stoltenberg, NDR

“Ein intensiver Roman über schwierige Familienverhältnisse” – Radio Bremen

“Toril Brekkes Ein rostiger Klang von Freiheit ist eine bewegende Lektüre, die
nicht zuletzt dank der umsichtigen Übersetzung von Gabriele Haefs LeserInnen
jeglichen Alters ansprechen dürfte.” – Anke Strunz in der Virginia FrauenBuchKritik

“Dieser besondere Sound verleiht dem etwas mehr als ein Jahr umspannenden und mit markanten Figuren ausgestatteten Roman eine ganz eigene Stimmung – wie auch ein besonderer Protagonist: So ist „Ein rostiger Klang der Freiheit“ auch ein Oslo-Roman, der in verschiedene Stadtteile und zu unterschiedlichen Orten führt.” – Constanze Matthes, Zeichen & Zeiten

“Die ganz große Stärke in meinen Augen ist die regelrecht spür- und greifbare, dichte Atmosphäre des Romans, die Toril Brekke – mit feinem Blick und sensiblem Gespür für Stimmungen und Milieus – erschafft.” – Barbara Pfeiffer, Kulturbowle

Ein rostiger Klang von Freiheit von Toril Brekke besitzt viel von einem Hans Christian Andersen Märchen. Es kommt unverdächtig und in schlichter Sprache daher, erzeugt aber einen unterschwelligen Grusel, fesselt, schockt und lässt einen betroffen und konsterniert zurück.” – Alexander Carmele, Kommunikatives Lesen

“Freiheitsbegehren und die Sehnsucht nach Selbstbestimmung treffen dabei auf familiäre Verluste und die Verpflichtung, Verantwortung zu übernehmen. Ein Roman, der zeigt, dass sich die wirklich großen Reformen im Schatten der öffentlichen Proteste vollziehen.” – Jens Roger, Lesering.de

“Bei der Arbeit an der Übersetzung war das Wiedersehen mit Torils Stil die pure Freude. Sie benutzt so viele Bilder, die oft aus der Musik stammen.” – Gabriele Haefs über ihre Arbeit beim Übersetzen des Romans

“So wie die Erzählerin Agathe und die Protagonistin Agathe nicht völlig deckungsgleich sind, gibt es auch einen Unterschied zwischen der Oberfläche des Geschehens und verborgenen Zusammenhängen, Traumatisierungen und Familiengeheimnissen, die Toril Brekke an mehreren Stellen in „Ein rostiger Klang von Freiheit“ andeutet und erst am Ende zur Gänze aufdeckt. Diese Diskrepanzen machen den literarischen Reiz der Lektüre aus.” – Dieter Wunderlich


Zum Buch:

Toril Brekke
Ein rostiger Klang von Freiheit
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
STROUX edition, München
332 Seiten, gebunden, € 24,00 [D]
ISBN 978-3-948065-22-5
https://stroux-edition.de/


Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für den Verlag

#MeinKlassiker (13): Die Zeichen der Zeit standen für Hamsun auf Hunger

Das Buch begleitet sie fast schon ein Leben lang: Bloggerin Constanze Matthes über “Hunger” von Knut Hamsun.

man-3744997_1920
Bild von H. Hach auf Pixabay

Die Journalistin Constanze Matthes überzeugt auf ihrem Blog “Zeichen & Zeiten” durch eine feine Buchauswahl, die ebenso Gegenwartsliteratur wie vergessene Bücher berücksichtigt. Ihre Rezensionen sind überzeugend, von einer schönen Sprache und von Fachwissen geprägt. Und nicht zu überlesen ist ihr Faible für Literatur aus dem hohen Norden. Ich war daher nicht überrascht, dass ihr Klassiker aus Norwegen kommt – und es freut mich, dass die Reihe sich damit nicht nur auf den deutschen und englischen Sprachraum beschränkt:

Der dünne Band stammt aus dem Jahr 1978; ein Jahr nach meiner Geburt. Die leicht vergilbten Seiten sind mit Anstreichungen und Kommentaren versehen. Bunte Haftnotizen ragen aus dem Buch heraus. Erschienen im Reclam-Verlag, hat es mich mehrere Monate begleitet, am Ende eines besonderen Lebensabschnittes. Als Birgit vom Blog “Sätze & Schätze” mich anschrieb und fragte, ob ich nicht einen Beitrag zu ihrer Serie “#MeinKlassiker” verfasse, war mir schnell klar, dass es “Hunger” von Knut Hamsun (1859 – 1952) sein soll. „Hamsuns frühe Werke und die deutsche Literatur der Jahrhundertwende“ hieß das Thema meiner Magisterarbeit, die ich nun ebenfalls mal wieder aus dem  Regal hole, nicht ohne in der einen oder anderen Erinnerung zu schwelgen. Der Name des norwegischen Nobelpreisträgers war mir in den Studienjahren immer wieder begegnet, wirkte er doch maßgeblich auf die moderne europäische Literatur. Bekannte Schriftsteller wie Thomas Mann, Arthur Schnitzler oder Franz Kafka lasen dessen Werke, die zu den beliebtesten in Deutschland zählten, mit Begeisterung. Gerade auch in einer Zeit, als allgemein die Skandinavier auf dem künstlerischen Bereich viel Beachtung fanden. Der Maler Edvard Munch, die Dramatiker August Strindberg und Henrik Ibsen, der Komponist Edvard Grieg sollen an dieser Stelle beispielhaft erwähnt werden. In Metropolen wie Berlin, München oder auch Paris entstanden von Skandinaviern geprägte Künstlerkreise.

Doch in den 1940er Jahren wurde der Norweger zur persona non grata erklärt. Was war geschehen? Zeitlebens bewunderte er Deutschland, auch dann noch, als Hitler 1933 die Macht ergriffen hat. 1936 appellierte er an seine Landsleute, den Parteiführer der faschistischen National Samling, Vidkun Quisling, zu wählen, der nach der Besetzung Norwegens durch die Wehrmacht mit den Deutschen kollaborierte und an der Spitze einer Schattenregierung stand. 1943 schenkte Hamsun Joseph Goebbels seine 1920 erhaltene Nobelpreis-Medaille. In Norwegen wurde der Schriftsteller fortan geschmäht und nach dem Krieg wegen Landesverrats vor Gericht gestellt. Seine Bücher verschwanden aus den Regalen. Sowohl Hamsuns Leserschaft als auch die Wissenschaft tat sich in den kommenden Jahrzehnten schwer mit dem Literaten und seinem reichen Schaffen. Erst in den vergangenen Jahren erfolgte eine Wieder-Annäherung – allerdings ohne diese dunkle Facette im Leben Hamsuns zu vergessen.

Während der Roman “Segen der Erde” heutzutage wohl vielen bekannt ist, war es die Erzählung “Hunger”, die Hamsun  zur erhofften Aufmerksamkeit der literarischen Szene und zu erstem Ruhm verhalf. Das Werk erschien in Auszügen und anonym erstmals 1888 in der dänischen Zeitung “Ny Jord”, 1891 schließlich in einer deutschen Übersetzung und in gekürzter Fassung in der Zeitschrift “Freie Bühne”. Das Geschehen in diesem recht eigenwilligen Erzählwerk ist überschaubar. Ein namenloser Protagonist, dessen Vergangenheit ebenfalls im Dunklen liegt, wandelt einsam und hungrig durch die Straßen Kristianias, des heutigen Oslos, ohne wirklich gegen seinen erbarmungswürdigen Zustand anzukämpfen. Banalitäten beziehungsweise kleine Dinge gewinnen im Alltag an Bedeutung. Das Schreiben ist das einzige Streben des Helden.

Vor allem sein besonderer Erzählmodus ließ dieses schmale Werk so einzigartig werden. Das gesamte Geschehen wird vollständig als innerer Monolog und aus der Sicht des Helden wiedergegeben. Vor allem dessen Innenleben, Gefühle und Gedanken werden beleuchtet. Beschreibungen der Umgebung und der Begegnungen mit Menschen wechseln sich mit Selbstreflexionen, einer Seelenschau ab. Hamsun betrat damit nahezu Neuland und fand vielfach Anerkennung. Manche sahen mit diesem Werk einen Epochenwandel und stellten dessen Autor folgend in die Reihe namhafter Künstler wie Franz Kafka und James Joyce.  “Hunger” gilt als frühes Beispiel des “stream of consciousness” (übersetzt Bewusstseinsstrom) und spiegelt Hamsuns eigenes Erleben wider: Er versuchte, als Journalist in Kristiania Fuß zu fassen, um jedoch wenig später ohne nennenswerten Erfolg ein Schiff in Richtung Westen zu besteigen. Der Norweger reiste zweimal in die USA, um dort sein Glück zu suchen. Vergeblich. Wer sich für den Schriftsteller und diese Lebensepoche interessiert, dem sei an dieser Stelle der Roman “Die heiklen Passagen der wundersamen Herren Hamsun und Wilde” von Matthias Engels empfohlen.

Was macht diese eigenwillige Erzähltechnik mit dem Leser? Sie sorgt für eine ganz spezielle Leser-Held-Beziehung. Der Leser wird zu einem Beobachter, der zugleich in die intime Gedankenwelt des Protagonisten und Erzählers hineinsehen kann. Es entsteht ein konzentrierter Blick, der durch den von meist kurzen Sätzen, oft gar nur einzelnen Wörter geprägten erzählerischen Stil verstärkt wird. “Hunger” hat mich insofern geprägt, dass ich ähnliche Werke mit einer spartanen, aber dafür prägnanten sowie psychologischen Erzählweise sehr zu schätzen lernte. Hamsun selbst hat sein Frühwerk  weder einem bestimmten Stil noch der Gattung Roman zuordnen wollen. Womöglich ragt es bis heute auch deshalb so heraus und kann Beginn einer neuen oder auch einer Wieder-Begegnung mit dem großen Literaten aus Norwegen sein.

Constanze Matthes
https://zeichenundzeiten.com/

Tomas Espedal: Wider die Natur

Es scheint, Männer schreiben von der Liebe besonders schön dann, wenn sie vergangen ist. “Wider die Natur”: Traurig, berührend, schmerzhaft.

wooden-shoes-4521169_1920
Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

„An manchen Tagen, so wie heute, bekomme ich nicht einen einzigen Satz zustande, kein einziges Wort. Trotzdem verbringe ich die meiste Zeit des Tages am Schreibtisch. Ich sitze da und warte. Warte auf die Wörter. Warte auf die Sprache. Warte darauf, dass sie anruft. Aber das tut sie nicht. Bisher haben wir jeden Tag miteinander geredet; bis spät nachts lagen wir da und redeten, und am Morgen fuhren wir fort. Jetzt habe ich seit einer Woche nicht mehr mit ihr geredet. Das ist nicht natürlich. Ich werde mich nie daran gewöhnen, dass ich nicht mehr mit ihr reden kann.“

Tomas Espedal, “Wider die Natur”, 2014

Der Mann ist Schriftsteller, Ende Vierzig, und er ist vor allem eins: Der Verlassene. Sie, die jüngere Frau, ist weg und er erkennt: Wenn man in diesem Alter noch einmal ganz „groß“ liebt, dann wird es lebensgefährlich.

Es riecht nach Klischee: Älterer Mann liebt junge, schöne Frau, wird verlassen, versinkt in Einsamkeit, Schmerz, Alkohol, Müll. Und auf den ersten Seiten dieses Romans werden denn auch einige (wenige) Klischees aufgezogen. Klischeehafte Erotik, fast ein wenig Porno, jedoch auf hohem sprachlichem Niveau. Die klassischen Ingredienzien: Hormonschub des älteren Mannes bei hochhakigem Vorbeigestöpsel schöner junger Frau, ein One-Night-Stand auf einer Party in der Silvesternacht, weiße Haut, weiße Brüste, schwarzer BH, sie auf seinem Schoß, Koks & Champagner. Doch tritt ein, was nicht vorhersehbar und wohl auch nicht beabsichtigt war: Aus der kurzen, aufgeladenen Begegnung entsteht eine tiefe Liebe. Zumindest auf seiner Seite.
Zwei Jahre später verlässt sie ihn, die jüngere Frau. Ihre Motive bleiben im Unklaren, werden in Andeutungen nur aus Sicht der Hauptfigur, des verlassenen Mannes, reflektiert. Vielleicht, so mag man rätseln, war auch dieses Ende „beziehungsimmanent“ – denn schon in die erste, sexuelle Begegnung tritt dieser Gedanke bei ihm ein:

„Der Altersunterschied kam später, in der Bibliothek, als sie sich im Spiegel sahen. Ein beunruhigendes Bild; die beiden Gesichter, so ähnlich in ihrer Verschiedenheit, wie Geschwister, wie Vater und Tochter, oder Mutter und Sohn, und vielleicht war es dies Naturwidrige, das Groteske und Malerische, ja, das Zeitlose an dem Bild im Spiegel, weswegen sie einander nicht loslassen wollten, sie wollten einander nicht loslassen.“

Wie Abaelard und Heloise?

Die Verschiedenheiten, sei es nun der Altersunterschied, die Kultur, die Religion, die Herkunft, sie sind es, die die Paarattraktion auslösen können. Sie sind es aber auch, die die Trennung herbeiführen können. Ein älterer Mann, eine junge Frau: Es kann ja nicht gut gehen. Es scheint, als würde der Mann, ein mittelmäßig erfolgreicher Schriftsteller, dies immer wieder auch selbst beschwören, in Nebensätzen, in Halbsätzen, in Andeutungen.
Dort, wo es von der Beschreibung des Faktischen zur Reflektion der Gefühle kommt, greift Tomas Espedal zu Kunstgriffen – greift auf Abaelard und Heloise, die großen, ewigen, getrennten Liebenden zurück, umkreist die Gedanken mit Fragmenten, kurzen Abschnitten, Tagebucheinträgen.

„Das Glück war wie eine Maske, es hatte sich wie eine fein gewebte Maske eng über Augen und Gesicht gelegt; ich saß auf ihrem Schoß, sie zog meinen Kopf an ihre Brust, es war, als würde die Zeit in einer fürchterlichen Verkehrung umgedreht; ich wurde zum Jüngeren von uns beiden.“

„Und etwas vom Glück legt sich über den Körper. Eine neue Haut, sie wächst über der alten, eine dünne, feine, wächserne Haut dehnt sich aus und schmiegt sich genau und weich dem Körper an; ich bemerkte nicht mehr, wie es ihr eigentlich ging.“

Es scheint, Männer schreiben von der Liebe besonders schön dann, wenn sie vergangen, verloren oder gefährdet ist, wenn an sie erinnert wird – siehe Navid Kermanis „Große Liebe“, siehe Philiph Roth „Das sterbende Tier“. Und nun „Wider die Natur“. Ein schmales Buch. Aber ein wuchtiges Buch. Ein Trauersog. Nüchtern, fragmentarisch und doch zutiefst berührend. Die verlorene Liebe, die vielleicht letzte Liebe, ist für den Schriftsteller Anlass, sich zu erinnern an die weiteren großen Lieben seines Lebens, derer da zwei sind.

Rückblick auf die vergangenen Lieben

Die Jugendliebe, die von Beginn an ein Ende hat, die nur der Übergang ist in ein anderes Leben, raus aus dem Vorort, raus aus der Fabrik. Und dann die „Liebesarbeit“ (so die Kapitelbezeichnung): Die Verbindung mit einer kapriziösen Schauspielerin, der Versuch, mit der „falschen“ Frau Paardasein, Familiendasein, Haus auf dem Land und große Welt, Stabilität und Künstlerdasein zu vereinen. Für ihn, den Verlassen, scheint es aus der Rückschau so zu sein, als sei er erst mit ihr, der letzten Liebe, angekommen. Gedanken über das Glück:

Ein kleines Buch über das Glück

Lange träumte ich davon, eine Serie von kleinen Büchern zu schreiben. Ein kleines Buch über die Liebe. Ein kleines Buch über die Freundschaft. Ein kleines Buch über das Schreiben. Ein kleines Buch für meine Tochter. Ein kleines Buch über das Glück usw.
Das Buch über das Glück kann ohnehin nicht besonders dick werden.
Nicht dick, und auch nicht besonders tief, die glückliche Sprache ist einfach und banal, es gibt keine Tiefe im Glück, oder etwa doch?
Das Buch über das Glück muss kurz sein. Kurz und fragmentarisch, eine zusammenhänge Erzählung über das Glück zu schaffen, ist unmöglich. Keine Chronologie. Keine Logik oder Vernunft; es ist nicht möglich, einen Roman über das Glück zu schreiben.

Die letzten Seiten, Tagebucheinträge:

Montag, 31. Mai

Du hast die Fähigkeit zu lieben verloren.

Du bringst es nicht über dich, kannst niemanden mehr lieben.

Es ist zu Ende.

Du sagst Ende, aber die Liebe wird nicht enden.

Man kann es so ausdrücken wie Andreas Breitenstein in der Neuen Zürcher Zeitung (3.Juni 2014):

„Blickt man auf den Lakonismus von Künstlern wie Jon Fosse, Niels Fredrik Dahl, Per Petterson, Ketil Bjǿrnstad und Jan Garbarek, scheint es so etwas wie einen norwegischen Minimalismus der Melancholie zu geben. Tomas Espedal mit seinen radikalautobiografischen Prosa-Essays, in denen empathisches Sehen und dichtes Erleben, wortkarges Erzählen und bohrendes Nachdenken sich zu einem Amalgam von existenzialistischer Dringlichkeit vereinen, gehört wie Karl Ove Knausgǻrd zu jenen Autoren, die der postindustriellen Pasteurisierung der Lebenswelt die nackte Wahrheit des eigenen Daseins entgegenhalten.“

Oder man kann es so ausdrücken: Dieses Buch ist schön. Schön traurig. Ein kurzes, schönes, trauriges Buch über die Verzweiflung, die die Einsamkeit, das Älterwerden, der Liebesschmerz mit sich bringt. „Wider die Natur“ ist ein Buch über die Liebe, jedoch vor allem ein Buch über den Schmerz. Über die Verheerungen, die die Liebe anrichten kann. Schlicht und einfach über den großen, nie enden wollenden Kummer. Schlicht und einfach auch in der Sprache (oder wie Iris Radisch in der “Zeit” schreibt: “Sprache wie klares Wasser”). Schlicht und einfach: Ergreifend.

Freitag, 7. Mai
Ich schlafe mit dem Mobiltelefon auf der Brust. Näher kann ich ihr nicht kommen.

Informationen zum Buch:

Tomas Espedal
“Wider die Natur”
Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
Matthes & Seitz, 2014
ISBN: 978-3-88221-188-7