Klabund – Einmal noch den Abend halten

Seinen richtigen Namen, Alfred Georg Hermann Henschke, kennen die wenigsten. Man liebt ihn als “Klabund”, den früh verstorbenen Schriftsteller (1890 – 1928).

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Einmal noch den Abend halten
Im versinkenden Gefühl!
Der Gestalten, der Gewalten
Sind zu viel.

Sie umbrausen den verwegnen Leuchter,
Der die Nacht erhellt.
Fiebriger und feuchter
Glänzt das Angesicht der Welt.

Erste Sterne, erste Tropfen regnen,
Immer süßer singt das Blatt am Baum.
Und die brüderlichen Blitze segnen
Blau wie Veilchen den erwachten Traum.

Klabund (1890 – 1928)

Rainer Maria Rilke – Einmal nahm ich

Neben den “Duineser Elegien” ist es sein wichtigstes Werk der späten Jahre: Der Zyklus “Gedichte an die Nacht”, den Rilke 1916 zusammenstellt.

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Bild von nicholasrobb1989 auf Pixabay

Einmal nahm ich zwischen meine Hände dein Gesicht.
Der Mond fiel darauf ein.
Unbegreiflichster der Gegenstände
unter überfließendem Gewein.

Wie ein williges, das still besteht,
beinah war es wie ein Ding zu halten.
Und doch war kein Wesen in der kalten
Nacht, das mir unendlicher entgeht.

O da strömen wir zu diesen Stellen,
drängen in die kleine Oberfläche
alle Wellen unsres Herzens,
Lust und Schwäche,
und wem halten wir sie schließlich hin?

Ach dem Fremden, der uns mißverstanden,
ach dem andern, den wir niemals fanden,
denen Knechten, die uns banden,
Frühlingswinden, die damit entschwanden,
und der Stille, der Verliererin.

Rainer Maria Rilke, Aus dem Nachlass.

Else Lasker-Schüler – Ein Liebeslied

Dieses sehnsuchtsvolle Liebeslied erschien 1917 in dem Buch “Gesammelte Gedichte”. Veröffentlicht im “Verlag der Weißen Bücher”.

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Bild: (c) Michael Flötotto

Komm zu mir in der Nacht – wir schlafen eng verschlungen.
Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen.

Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
Und färben sich mit Deiner Augen Immortellen …

Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen
Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.

Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.

Else Lasker-Schüler