Vom Gift des Verschweigens – wie der Faschismus eine Familie prägt

Als die italienische Philosophin und Autorin Michela Marzano entdeckt, dass ihr Großvater ein Faschist der ersten Stunde war, ist das ein Schock für sie. In ihrem Buch arbeitet sie sowohl ihre Familiengeschichte auf als auch die Geschichtsvergessenheit eines ganzen Landes.

„Die Geschichte lässt sich nicht auslöschen“, hatte der Bürgermeister von Campi 2017 gesagt, als er gefragt wurde, warum er einen Platz in der Stadt nach Guiseppe Guarino, dem ehemaligen faschistischen Podestà und Schwager von Starace, benannt habe. Warum konnten andere Teile der Geschichte Campis dann einfach unterschlagen werden? Die Geometrie dieser Geschichte scheint äußerst variabel zu sein.“

Michela Marzano, „Falls ich da war, habe ich nichts gesehen“


Als ich vor einigen Jahren in Rom vor dem sogenannten „Mussolini-Obelisk“ stand, wurde mir erstmals richtig bewusst, wie deutlich anders mit der Erinnerung an den Faschismus in unserem Nachbarland umgegangen wird. Denkmäler mit Inschriften, die an den „Führer“ erinnern, der Verkauf entsprechender Devotionalien, offener „Duce“-Kult: All das wäre bei uns nicht denkbar. Und das aus gutem Grund.

Hat auch dieser seltsam „entspannte“ Umgang Italiens mit seiner faschistischen Vergangenheit dazu geführt, dass der Rechtsextremismus immer irgendwie doch „hoffähig“ blieb? Das Getöse, das italienische Neofaschisten wie Salvini, Berlusconi und Meloni in den vergangenen Jahren auf dem Stiefel veranstalteten, nahm ich wahr, aber sah es nicht als wirkliche Gefahr. So kann man sich täuschen – es war ein Schock für mich, als im vergangenen Herbst die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni mit rund 26 Prozent die italienischen Parlamentswahlen gewann.

Das Buch von Michela Marzano ist im Jahr vor der Wahl erschienen. Und wurde in den Medien gefeiert. So wird vom Eichborn Verlag, bei dem das autobiographische Werk der italienischen Philosophin, Autorin und Politikerin heute in deutscher Übersetzung erscheint, auf dem Cover „La Republica“ zitiert: „Dieses Buch legt das Schweigen eines Landes offen, das sich niemals seiner Geschichte gestellt hat. Politisch und zugleich sehr persönlich.“

Das Gift des Faschismus wirkt weiter

Das hat heute ein wenig einen bitteren Nachgeschmack: Zeigt das Buch doch angesichts des italienischen Rechtsrucks wie sehr das nicht aufgearbeitete Erbe der faschistischen Vergangenheit weiterwirkt, wie billig die Rattenfänger mit der angeblichen Erinnerung an alte, vermeintlich bessere Zeiten ihre Anhänger sammeln könnten. Das Gift wirkt weiter – und Marzanos Buch legt auch offen, wie im Falle einer einzelnen Familie der Faschismus die Menschen prägt, sogar über Generationen hinweg, auch wenn die Nachkommen sich politisch ganz anders verorten.

Eher zufällig stolpert Michela Marzano, die selbst als Abgeordnete für die Partito Democratio einige Jahre im italienischen Parlament war, über die Information, dass ihr Vater Ferruccio bei seiner Taufe mit fünf Vornamen ausgestattet wurde – darunter auch mit Benito, nach dem faschistischen Diktator. Nach und nach ergründet Marzano ein „offenes“ Familiengeheimnis: Ihr Großvater Arturo, ein Richter und nach dem Zweiten Weltkrieg Abgeordneter der Monarchistischen Partei, war ein Mussolini-Anhänger der ersten Stunde. Bereits am 15. Mai 1919 schreibt er sich in die Partito Nazionale Fascista ein, nimmt am berüchtigten Marsch auf Rom teil und übt selbstverständlich auch sein Richteramt getreu der faschistischen Gesetzgebung aus.

Immer tiefer gräbt sich Marzano in ihre Familiengeschichte ein, sichtet verschimmelte Unterlagen ihres Großvaters, die bei Verwandten in Campi in einem Keller lagern, liest die Briefe an seine Frau Rosetta, liest Akten über Gerichtsverfahren und die Dokumente, mit denen sich Arturo nach dem Ende des Faschismus um eine schnellstmögliche berufliche Rehabilitierung bemüht. Bezeichnend: Die Empörung, die aus diesen Briefen spricht, er selbst, Faschist der ersten Stunde, versteht nicht, warum er in seiner Doppelfunktion als Parteigänger und Richter Justitia beschädigt haben soll.

Als die italienische Philosophin und Autorin Michela Marzano entdeckt, dass ihr Großvater ein Faschist der ersten Stunde war, ist das ein Schock für sie. In ihrem Buch arbeitet sie sowohl ihre Familiengeschichte auf als auch die Geschichtsvergessenheit eines ganzen Landes.

Scham und Schuldgefühle

Weitaus sensibler reagiert da die Enkelin, die an den Großvater selbst (er starb, als sie gerade sechs Jahre alt war), nur noch wenige Erinnerungen hat:

„Es ist der 25. April 2020, der 75. Jahrestag der Befreiung Italiens. Und zum ersten Mal kann ich ihn nicht ruhigen Gewissens feiern. Auch ich möchte voller Stolz #iorestalibera (ich bleibe frei) in den sozialen Medien posten (…). Meine Geschichte ist eine andere als die der Enkelkinder, Nichten und Neffen der Widerstandskämpfer:innen. Im Gegensatz zu ihnen, habe ich keinen Grund, stolz zu sein.“

Beim Lesen dieser Worte wurde mir jedoch auch nochmals bewusst, dass zwar die öffentliche „Erinnerungskultur“ in Deutschland eine andere sein mag, die familiäre dagegen unterscheidet sich wohl in vielen Fällen nicht. Die Fragen, die Michela Marzano in ihrem Buch stellt –

„Haben sie für die Freiheit gekämpft oder im letzten Moment die Seiten gewechselt? Waren sie im Widerstand oder verspätete Überläufer:innen?“

– sie wurden auch in deutschen Familien nur vage beantwortet, wenn es hieß: „Was hast du getan von 1933 bis 1945?“

Zwar kann Marzano die eine große Frage, die nach dem WARUM, warum ihr Großvater dem Faschismus anhing, nicht entschlüsseln, nicht erklären. Zu Beginn des Buches, noch unter Schock stehend, hält sie dies zudem für unnötig:

„Ich kann und will keine Entschuldigung finden, denn es wäre nicht gerecht. Alles, was ich empfinde, ist Scham.“

Eine Scham, die „von Generation zu Generation weitervererbt wird“. Und so wird ihr Text vor allem zu einer Auseinandersetzung mit ihrem Vater, einem linksliberalen Wirtschaftsprofessor, der politisch zwar alles andere als ein Faschist ist, im Privaten jedoch zu patriarchalischen Wutausbrüchen neigt und eine lieblose Ehe führt, die auch seine Kinder prägt. Michela Marzano leidet als junge Frau an Magersucht, unternimmt einen Suizidversuch, braucht jahrzehntelang psychotherapeutische Unterstützung. Die Recherche zu ihrem Großvater öffnet ihr die Augen, wie sehr ihr Vater selbst durch diese Familiengeschichte geprägt wurde und darunter litt. Und so hat das Buch wenigstens auf der privaten Ebene ein versöhnliches Ende, kann das letzte Kapitel mit „Vergebung“ betitelt werden.

Historische Fakten und aktuelle Politik

Geschickt verknüpft Marzano ihre Familiengeschichte mit historischen Fakten und Kommentaren zur aktuellen italienischen Politik. Sie zeigt auf, wie während Mussolinis Diktatur streikende Arbeiter, Kommunisten, Demokraten, Widerstandskämpfer verfolgt wurden, wie mit Einführung der Rassengesetze jüdische Richter und Anwälte ihrer Ämter enthoben wurden, wie zahllose Menschen Opfer des Faschismus wurden. Und wie die Täter beinahe nahtlos weitermachen konnten.

„Die Zahlen zur Epurazione im Gerichtswesen sind vielsagend: Im März 1946 wurden 4052 von 11 400 Mitarbeitenden des Justizministeriums einem Entfaschisierungsprozess unterzogen, 589 Prozesse wurden eröffnet, 575 beendet und nur 56 Personen verurteilt (…). Andere sagen, dass irgendwann beschlossen wurde, nach vorn zu blicken, um nicht in der Vergangenheit stecken zu bleiben.“

Die Form des Buches, das zwischen persönlicher Erzählung, fiktionalen Passagen, wenn Marzano beispielsweise Dialoge ihrer Großeltern rekonstruiert, introspektiven Betrachtungen und historischer Dokumentation wechselt, mag manchem ein wenig wildwüchsig erscheinen. Zugleich ist es aber ein Ausdruck für die Aufgewühltheit der Erzählerin angesichts ihrer Familiengeschichte und ein emotionaler Aufschrei der Fassungslosigkeit. Michela Marzano macht am Beispiel ihrer Familie deutlich, was diese Geschichtsvergessenheit, das Verschweigen, das Verleugnen und das Lügen, die Menschen kostet. Und was es eine Gesellschaft kosten wird, das, so befürchte ich, werden die nächsten Jahre unter einer neofaschistischen Regierung erst noch zeigen.


Bibliographische Angaben:

Michela Marzano
Falls ich da war, habe ich nichts gesehen
Übersetzt von Lina Robertz
Eichborn Verlag, 25.8.2023
ISBN: 978-3-8479-0150-1

Jhumpa Lahiri: Wo ich mich finde

Veronika Eckl bewundert die Kunstfertigkeit von Jhumpa Lahiri und begleitet deren Protagonistin bei ihren Streifzügen durch Rom.

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EIN GASTBEITRAG VON VERONIKA ECKL

Wenige Schriftsteller schlagen in ihrem Leben solch geographische Kapriolen. Jhumpa Lahiris Weg ging so: Geboren in London als Tochter bengalischer Immigranten, aufgewachsen in Rhode Island, Creative Writing-Studium in Boston. Dann aber, als späte Folge einer prägenden, frühen Reise nach Florenz: Umzug mit Mann und Kindern nach Rom. Als ob ihr Indien und die USA, das Bengalische und das Englische, nicht genügt hätten. Ausschlaggebend für den Beginn eines neuen Leben in Italien waren allerdings nicht Kunstschätze, Mittelmeer und Cappuccino, sondern, so hat es Jhumpa Lahiri oft und gern erklärt, ein colpo di fulmine, eine Art Liebe auf den ersten Blick, und zwar die zur italienischen Sprache. So groß ist diese Liebe, dass Lahiri nach nur vier Jahren in Rom auch gleich einen Roman auf Italienisch schrieb, der nun wiederum ins Deutsche übersetzt wurde: Dove mi trovo, Wo ich mich finde, eine Doppeldeutigkeit ist hier sicher gewollt, denn man könnte auch übersetzen: Wo ich mich befinde.

Trägerin des Pulitzer-Preises

Das alles ist umso erstaunlicher, als Lahiri Pulitzer-Preisträgerin ist, deren Erzählungen und Romane sich bisher hauptsächlich um indische Einwanderer in den USA drehten: Melancholie der Ankunft war der Titel ihres Debüts, einer Sammlung Kurzgeschichten mit einem ganz eigenen, starken Sog. Romane wie Der Namensvetter und Tiefland folgten. Nun aber geht es auf die Straßen und Piazze einer namenlos bleibenden Stadt, die jedoch unschwer als Rom zu erkennen ist. Und die Heldin ist eine Römerin Mitte Vierzig, die an der Uni arbeitet und ohne Mann und Kinder ihrer Wege geht. Mehr Abkehr von Lahiris Familiensagas könnte nicht sein.

Die Autorin bürdet ihrer Protagonistin eine schwere Bürde auf: Die Tatsache, dass diese Frau alleinstehend ist, scheint ihr ganzes Leben zu bestimmen. Während die anderen mit überquellenden Einkaufswägen durch die Supermärkte hasten, ihre mehr oder weniger anstrengenden Kinder bespaßen und zum Geburtstag der Schwiegermutter eilen, streift sie als Beobachterin durch die Stadt, eine Flaneurin mit Blick für die Details. Sie geht ins Museum, ins Schwimmbad, in die Trattoria, in die Buchhandlung. Sieht sich die Menschen, denen sie begegnet, gut an und denkt über sie und ihre Schicksale nach. Nimmt wahr, wie unterschiedlich die Stadt zu verschiedenen Jahreszeiten ist. Und: Sie ist eine Chronistin der Veränderungen, die diese erleiden muss. Mit Hingabe und Präzision beschreibt Lahiri etwa einen alten, von einer Familie geführten Schreibwarenladen, der eines Tages einem Geschäft mit billigen Koffern für Touristen weichen muss. Besser kann man nicht zeigen, was sich in vielen europäischen Metropolen derzeit abspielt.

Einzelgängertum als Lebensweise

Allerdings lässt Lahiri ihre Protagonistin diese Freiheit, zu gehen und zu schauen, nicht genießen. Obwohl die Römerin sich offensichtlich nie eine Familie gewünscht hat und selbstbestimmt lebt, liegt ein Schatten über ihren Wegen, nicht nur dann, wenn sie ihre alte Mutter besucht: „Das Einzelgängertum ist mein Metier geworden. Es ist eine eigene Disziplin. Ich versuche, mich in ihr zu perfektionieren, und doch leide ich darunter“, erklärt sie freimütig. Immer scheint das Leben der Anderen irgendwie spannender zu sein: Sie sind ständig auf Achse, spielen mit ihren Kindern im Meer, haben im Zug den besseren Proviant dabei und die interessanten Männer – die sich dann doch oft als gar nicht so interessant entpuppen – sind sowieso immer verheiratet. Irgendwann möchte man die Signora, die doch feinfühlig, empathisch, an allem interessiert und offenbar auch bei anderen beliebt ist, geradezu schütteln und ihr zurufen, sie solle einfach mal leben, statt sich über Sandwiches ohne Geschmack und verunglückte Mäuse im Landhaus der Freundin zu grämen. Immerhin wird ihr am Ende noch eine Veränderung gegönnt, doch den Leser beschleicht das Gefühl, dass sich in diesem Leben trotzdem nicht mehr viel wenden wird.

Bei aller Achtung für die Beobachtungsgabe dieser Autorin, für die Kunstfertigkeit, mit der diese kleinen Kapitel verfasst sind, für diese ungemeine Leistung, in einer anderen Sprache als der Muttersprache, in einem anspruchsvollen Italienisch einen Roman zu schreiben, sich in einem anderen Idiom neu zu erfinden – ein bisschen bedauerlich ist es trotzdem, dass nicht einmal Frauen anno 2020 anderen Frauen die Möglichkeit zugestehen, alleine zu leben und dabei mehr als nur einigermaßen zufrieden zu sein.

Informationen zum Buch:

Jhumpa Lahiri
Wo ich mich finde
Aus dem Italienischen von Margit Knapp
Rowohlt Verlag, 2020
ISBN 978-3-498-00110-0

Über die Autorin dieses Beitrags:

Veronika Eckl studierte Romanistik und Germanistik. Es folgten journalistische Lehr- und Wanderjahre bei der »Süddeutschen Zeitung«, der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, der »Katholischen Nachrichten-Agentur« und beim »Bayerischen Rundfunk«. Nach ihrer Redakteursausbildung ging sie nach Rom, wo sie längere Zeit als Journalistin arbeitete und das Latium für sich entdeckte. Heute arbeitet sie hauptberuflich als Lehrerin für Deutsch, Französisch und Italienisch.

John von Düffel: “Hotel Angst” und “Wassererzählungen”

Wenn John von Düffel von Familien schreibt, von Vätern und Söhnen wie in „Houwelandt“ und „Vom Wasser“, dann ist er am stärksten. So auch im Hotel Angst.

“Das Hotel Angst war ihre Titanic, es war die Herrlichkeit und Weihe ihres Untergangs, es war das Wrack, mit dem sie langsam, aber unausweichlich in die Tiefe sanken, auf den Grund der Vergangenheit, von dem es heute noch aufragt bis in unsre Zeit, eine Titanic des Festlands, erhaben in ihrem Unheil, glamourös in ihrem Verfall. Und so steht das Hotel heute noch immer da, der untergegangene Traum einer Epoche, und macht dem Namen Angst heute vielleicht mehr Ehre denn je.“ 

John von Düffel, “Hotel Angst”

Ein Mann stirbt und mit ihm seine Träume. Ein Sohn begibt sich auf Spurensuche: Er reist an den Urlaubsort seiner Kindheit, nach Bordighera an der italienischen Riviera. Dort steht, mittlerweile eine verwunschene Ruine, das „Hotel Angst“, das legendäre Grand Hotel der Belle Époque. Ein Traumhotel im wahrsten Sinne – ein Lebenstraum des Vaters war es, dieses mondäne Haus mit neuem Glanz zu erfüllen. Wie zäh und nachhaltig der sonst so verschwiegene Mann diesem Traum nachhing, dies wird dem Sohn erst allmählich an der Riviera klar. Eine feingesponnene Novelle, deren melancholisch-leiser Grundton die passenden Bilder von einer untergegangenen Epoche, einer vergangenen Zeit evoziert.  

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Doch was für diese Gesellschaft sprach, für all die gekrönten und ungekrönten Häupter Europas, die sich im Hotel Angst ein letztes Mal hochleben ließen, war ihre Vergänglichkeit. Sie feierten ihre Ballnächte und Diners am Abgrund der Zeit und schienen insgeheim darum zu wissen, so wie sie sich in Positur warfen vor dem Kameraauge der Ewigkeit. Sie wußten schon damals, daß sie eigentlich nicht mehr existierten, sondern so etwas waren wie Gespenster zu Lebzeiten, die sich noch einmal versammelt hatten für einen letzten körperlosen Tanz im Spiegel des Verschwindens.” 

Die der Geschichte innewohnende Traurigkeit – Trauer um Verluste, Verluste von Menschen, Verluste von Orten, Verluste von Träumen – kontrastiert mit der blendenden Sonne, dem Touristenrummel dieser Tage, den Anflügen von „dolce vita“, denen der Erzähler bei Speis und Trank nachgibt. Elegant verwebt John von Düffel mehrere Erzählstränge in seinem Stoff – er erzählt von jenen Männern, die die feine Welt nach Bordighera brachten, am Ende aber an ihren Träumen scheiterten. Er erzählt von einem italienischen Schriftsteller und Freiheitskämpfer, der im Exil im nebeligen England die italienische Luft und Sonne nicht vergessen kann. Und mit einem etwas kitschigen Roman seinem Heimweh Ausdruck verleiht – ein Roman, der bei anderen die Sehnsucht nach dieser Landschaft wachruft. Und John von Düffel erzählt von dem trockenen Statiker, der so nüchtern in seinen Handlungen wirkt und dabei insgeheim das Träumen nicht lassen kann: Als sich kein Weg findet, dem Hotel Angst wieder Leben einzuhauchen, macht sich der Mann selbst an ein Romanprojekt, in der Hoffnung, Geschichte ließe sich wiederholen.

Eine Erzählung vom Abschiednehmen

Vor allem aber ist dies eine Erzählung vom langsamen Abschiednehmen und dem Näherkommen, das dabei dennoch ermöglicht wird: Je mehr der Sohn von den Träumen seines Vaters erfährt, desto mehr beginnt er ihn zu verstehen – und kann sich so dem Verstorbenen nochmals annähern. Wenn John von Düffel von Familien schreibt, von Vätern und Söhnen wie in „Houwelandt“ und „Vom Wasser“, dann ist er am stärksten – und so birgt auch diese schmale Erzählung wunderbare Sätze, gerade dann, wenn der Sohn den Aufenthalt seines Vaters in der „fünften Dimension“, dem Reich der reinen Möglichkeit, umreißt:

„Er war ein Träumer, aber kein Erfinder, seine Inspiration war die Vergangenheit und das Gefühl, ihr zugehörig zu sein – mehr als allem anderen auf der Welt. (…) Es ging ihm nicht um sich, um seine Phantasie, sondern um das Phantastische, das dem Vergangenen innewohnte, und seine größte Sehnsucht war, ein Teil davon zu sein.“ 

Ein schmales, nostalgisch anmutendes Stück Literatur – eines, das vermag, auch beim Lesen Sehnsüchte zu wecken: Und so ist das „Hotel Angst“ auch für mich zu einem Sehnsuchtsort geworden – einer, der wahrscheinlich nur in der Phantasie weiterbestehen wird.

„Das Wasser an einem Wintertag. Der Himmel über der See ist hauchblau. Eine Bläue, die allen Dunst und Nebel, die Wolken und Schwaden in sich aufgesogen und verwandelt hat in einen Reifatem, der die Sonne blass macht, eine gefrorene Scheibe aus Licht.“

John von Düffel, „Wassererzählungen“

John von Düffel ist also nicht nur ein Langstreckenschwimmer. Seit „Vom Wasser“, sein erster Roman 1998 erschien, bin ich einer der vielen Fische, die ab und an in seinen Fan-Schwarm mit eintauchen. Kein gegenwärtiger deutscher Autor schreibt eben so schön, aber auch so viel über das Element Wasser und die Leidenschaft des Schwimmens wie er. In seine guten Romane kann man einsinken, abtauchen, für einige Stunden untergehen. Dazu zähle ich auch „Houwelandt“, diese Familiengeschichte, in der ebenfalls das Meer eigentlich die Hauptrolle spielt. Oder die Novelle „Hotel Angst“. Aber auf die Ebbe folgt auch die Flut beziehungsweise nach der Flut die Ebbe: „Ego“, die Geschichte eines fitnessbesessenen, karrieregetriebenen Egomanen – sie trieb mich als Leserin dann wieder eine Weile weg von der Düffel-Fangemeinde, ließ mich eher ratlos zurück.

Nun also die Kurzstrecke – Erzählungen. Natürlich drehen auch sie sich bei diesem Autoren, der schon einmal in der Presse auch als „amphibischer Schriftsteller“ bezeichnet wird, um das nasse Element. Und mir erging es beim Lesen der „Wassererzählungen“ ähnlich wie mit den oben genannten Langwerken – ein Auf und Ab, eine Wellenbewegung zwischen abtauchen, sinken lassen, mittreiben und dann wieder ein abebben der Begeisterung bis hin zum – naja, Untergang wäre übertrieben. Soll heißen: Die Mehrzahl der Erzählungen sind „von Düffels“, das heißt, schön zu lesen, dort wo eine leichte Melancholie mitschwingt, wo der Seegrund so tief ist wie die Trauer in manchen Herzen, wo das Meer so blau leuchtet wie die Hoffnung in einem Menschen. „Das Spiel ohne auf die Erde zu kommen“, „Der schwarze Pool“, „Ostsee“ – ein sprachlich eleganter Erzählfluss. Schöne Bilder:

„Als sie den schmalen, geschlängelten Weg hügelan fuhren, erhob sich der Wald vor ihnen wie eine Wand. Die Dämmerung stand zwischen den schwarzen Tannen, während der Himmel noch licht war, hell und stufenlos grau. Die ungemähte Wiese zum Wald hin sah aus, als hätte sich eine Herde von Nebeltieren darin gewälzt. Bleiches, verblühtes Gras lag nass und regenschwer in Wellen darnieder.“

Ab und an meint John von Düffel jedoch, er müsse in die Tiefen der Ironie eintauchen, der Satire oder Kritik am Zeitgeist, wo auch immer er da schriftstellerisch dahinschwimmt. „Die Vorschwimmerin“ und „Das permanente Wanken und Schwanken von eigentlich allem“ sind Beispiele dafür, Erzählungen als Monolog und Dialog verfasst. Hier kommt der Theatermann durch. Wo von Düffel jedoch mit spitzer Feder schreibt, kommt bei mir als Leserin eher Geplätscher an, seichte Wellenausläufer.

So lautet mein Fazit der „Wassererzählungen“: Flut und Ebbe.

Informationen zu den Büchern:

John von Düffel
Hotel Angst
dtv Verlag, 2007
ISBN: 978-3423135719

Wassererzählungen
dtv Verlag, 2017
ISBN: 978-3-423-14554-1

Lutz Seiler: Die römische Saison

Römisches Abenteuer: Lutz Seiler erzählt von Schreibblockaden in der Villa Massimo und Fußballfreuden in der ewigen Stadt.

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Bild von Mauricio A. auf Pixabay

„Wozu die Qual? Der Gedanke, alles sein zu lassen, stand im Raum und beruhigte mich. Ich sah Rom, und Rom war der Ort, wo das Schreiben aufgegeben werden konnte. Auf dem Rückweg von V. zur Villa Massimo machte ich einen Umweg über die Via Aurelia. Ich rannte nicht mehr, der Ausblick über die Stadt und den Fluss wurde mir gereicht wie zur Belohnung nach Wochen sinnloser Qual, eine absurde Verkehrung der Dinge, sicher, aber das war egal. Noch einmal der sagenhafte Petersplatz, die gewaltige Kuppel, dann die Piazza del Risorgimento mit einem Reiterstandbild, ein Denkmal für die Arma dei Carabinieri.”

Lutz Seiler, „Die römische Saison“


Ingeborg Bachmann sagte in einem Fernsehinterview sinngemäß, in Rom sei sie eine bessere Wienerin. Zu jener Zeit schrieb sie bereits an „Malina“, jenem Roman über eine Schriftstellerin, die nicht am Schreiben, sondern am Leben zerbricht.
Aus einer räumlichen Distanz zu den Herkunftsräumen zu schreiben – manchen, wie der Bachmann, ist erst oder auch nur dieses möglich. Mit einigem Abstand meint man, man könne dieses einleiten:

„Phase 1: Rekonstruktions- und Vergegenwärtigungsarbeit, Aufbereitung der Erlebnismaterials, eine Art Erinnungsmaschinerie.“

Doch da sitzt Lutz Seiler, in diesem riesigen Atelier, einst für einen Bildhauer eingerichtet, in der Villa Massimo, verloren in dem riesigen Raum, verloren in der Fülle des Material, und es geht: nichts. Endlich hat er, was sich jeder Schriftsteller wünscht: Zeit, viel Zeit, um an seinem ersten Roman zu schreiben. Die Villa Massimo, eigentlich ein Ruhepol in der Hitze und dem Trubel der italienischen Metropole. Doch wer selbst schreibt, weiß, dass, hat einen erst das Monster namens „Blockade“ im Griff, alles zur Ablenkung und Störung gereichen kann: Der Fleck an der Wand. Die makellos weiße Wand. Die Größe des Raums. Die Enge des Raums. Die Stille. Die Geräusche der Gärtner vor dem offenen Fenster. Lutz Seiler will „Von Rom nach Hiddensee“ (so der Name der ersten Erzählung in diesem Buch) und kommt nicht weit.

„Und Rom, Roma, Roman – klang das etwa nicht nach einer beinah natürlichen Steigerung der Dinge? Stattdessen Krise. Herzrasen, Hitze, Schweißausbrüche und Schlaflosigkeit, Magenkrämpfe und zu hoher Blutdruck – was folgte, war die rasche Entfaltung des kompletten Spektrums meiner hypochondrischen Möglichkeiten, ähnlich übertrieben, wie das Scheitern des Romans mit dem Einsturz des Kolosseums zu vergleichen, der im Aberglauben der Römer den Untergang Roms und dieser wiederum das Ende der Zeiten bedeutet: lächerlich – und nein, kein Vergleich, natürlich nicht. Aber ein Schriftsteller, der nicht schreibt, ist nichts wert, vor allem vor sich selber nicht.“

Das Kolosseum ist nicht eingestürzt, Rom bleibt die „ewige Stadt“ und der Roman wurde, wie wir wissen, vollendet – grandios vollendet: „Kruso“, der erste Roman des Lyrikers und Erzählers, erschien 2014 und erhielt den Deutschen Buchpreis. Ein poetisches, sprachgewaltiges Buch – mit viel römischen Schweiß und Schlaflosigkeit erkauft. Eine begeisterte Besprechung von „Kruso“ findet sich beim „Kaffeehaussitzer“ (“Im Rausch der Sprache”).

Vom Überwinden der Schreibblockade

Wie Lutz Seiler seine Schreibblockade überwand? Durch Loslassen, durch Leben. Irgendwann während seines Aufenthaltes in Rom anno 2011 beschließt Seiler, nicht mehr hinter dem symbolträchtigen Schrank, den er sich im Atelier sozusagen als Schutzwall zum Schreibtisch gerückt hatte, zu sitzen. Er geht raus, erkundet die Stadt, begleitet den Sohn Viktor zum Fußballtraining (dieser Beschäftigung ist die zweite, herrlich amüsante Erzählung des Bandes, „Die römische Saison“, gewidmet). „Nebenbei“ beginnt er wieder zu schreiben und beinahe unmerklich werden zufällige Begebenheiten zur Inspiration, durch ein Geräusch, einen Zufall, verwandelt sich ein Ort in einem Augenblick „in einen Ort des Schreibens“.

Ein Freiluftkonzert, kurz übertönt von einem landenden Flugzeug, „- es war das übliche Getöse Roms, Krach gegen Kunst“, und in diesem Augenblick überschwappen Ostseewellen vor dem inneren Auge Lutz Seilers die Hosenbeine des russischen Generals, Krusos Vater, der seinen Sohn heimholen will:

„Und da stand er nun, in der Fülle seiner Macht, die jetzt gebrochen war auf die vielfältigste Weise. Ein Bild, das augenblicklich die ganze Geschichte enthielt, ein Bild, dem ich absolut vertrauen konnte, ein Portal, durch das ich gehen konnte, hinein in den Stoff dieser Zeit.“

Schöner Beinahe-Scheitern: Poetisch, humorvoll, nicht ohne Selbstironie erzählt Lutz Seiler von den Plagen des Schriftstellerdaseins. Eine Erzählung, die nicht nur Schreibende anspricht – denn sie beinhaltet eigentlich eine Allerweltsweisheit: Erzwingen lässt sich nichts. Erst ohne äußeren und inneren Druck wächst Kreativität. When in Rome, do as the romans do ….

Zwischen Bürokratie und Fußballkult

Beinahe ein stilistisches-sprachliches Gegenstück ist in diesem Band die zweite, oben bereits erwähnte Erzählung – fast schon eine Glosse über italienische Bürokratie, italienischen Fußballkult, das Geheimnis des „Catenaccios“. Bravo, Lutz! Durch diesen Text versteht man die Tränen Buffons noch einmal besser!

Zu einem Schmuckstück wird dieser Band des noch jungen Ulmer Verlags „Topalian & Milani“ ebenso durch die Gestaltung – das weckt Sammlerinstinkte und macht die Hoffnung auf mehr (im Herbst erscheinen in dieser Reihe zwei Novellen von Stefan Zweig). Den beiden Seiler-Erzählungen sind beigestellt Illustrationen von Max P. Häring (hier kann man sich einen Eindruck von seinen Arbeiten machen: http://www.maxhaering.de/), weit mehr als Ergänzungen zum Text, eigenständige Kunstwerke, die Rom in einem anderen Licht erscheinen lassen …

Zudem ist das gebundene Buch gedruckt auf handschmeichlerischem Munken-Papier, hochwertig und einfach schön gemacht!


Bibliographische Angaben:

Lutz Seiler
Die römische Saison
Topalian & Milani, 2016
ISBN 978-3-946-42303-4

Erika und Klaus Mann: Das Buch von der Riviera

Ein Reiseführer, der nach Sonne schmeckt und nach dem Meer riecht: Die Geschwister Erika und Klaus Mann entführen 1931 ihre Leser an die Riviera.

Erika Mann
Bild: (c) Michael Flötotto

„Entschuldigen Sie, wir haben Sie ein bißchen kreuz und quer geführt, Ihnen zwar im Vorübergehen manches gezeigt, aber es war kein rechtes System drin. – Wo esse ich? Wo wohne ich? Wo trinke ich meinen Cocktail? Wo kaufe ich mir einen Kragen? Wo tanze ich? Wo langweile ich mich? Wo gebe ich, um Gottes willen, mein Geld aus?“

Erika und Klaus Mann, „Das Buch von der Riviera“


Auf die Manns konnte man sich als Reisender Anfang der 1930er Jahre verlassen – keine der Fragen bleibt unbeantwortet im Buch von der Riviera. Dieser literarische Reiseführer schmeckt nach Sonne. Man meint, das Meer zu riechen. Der Duft von Bouillabaisse steigt in die Nase. Der Geschmack von südlichen Früchten. Fischgeruch und Blumenduft, dazwischen betörendes Parfum und Angstschweiß, wenn die Roulettekugel klackert.

Noch unbeschwerte Tage für Klaus in Cannes

Und doch, bei allem Laissez-faire und aller Leichtigkeit wird einem beim Lesen weh ums Herz. Weiß man doch um die Vergänglichkeit der Dinge. Das Ende des Seins. Die Riviera, sie ist nicht mehr, so wie sie einmal war. Schon anno 1931, als dieses Buch entstand, verblasste der Glanz früherer Tage, die Belle Epoque, die Glanzzeit dieser Küste, liegt zurück. Jahre später werden manche der Orte, insbesondere Marseille, Sammelpunkte der Verzweifelten, Flüchtenden und Wartenden, die auf eine Schiffspassage, ein Visum, ein Schlupfloch aus dem Mauseloch hoffen, die den brennenden Kontinent verlassen müssen.

„Cannes hat viele Gesichter“, schreibt das Autoren-Duo in seinem Buch. Für einen der Beiden trägt die Stadt eine tödliche Maske: Klaus Mann arbeitet hier 1949 an seinem letzten, unvollendet gebliebenen Roman, unterzieht sich dann noch einige Tage einer Entziehungskur in Nizza und kehrt in diese Stadt zurück, in die „man“ hingehen kann: 1931 ist damit noch „le monde“, sind die oberen Zehntausend gemeint, 1949 ist es eine Rückkehr zum Sterben. Am 21. Mai nimmt Klaus Mann sich mit Schlaftabletten das Leben. Seine letzte Ruhestätte nach einem unruhigen, getriebenen Leben ist auf dem Friedhof Cimetière du Grand Jas zu finden.

Was nicht im Baedeker steht…

Doch als Erika und Klaus Mann im Auftrag des Piper Verlages die Côte d` Azur bereisen, um einen Band der Reihe „Was nicht im `Baedeker´ steht“ zu schreiben, ist die Welt halbwegs noch in Ordnung. Das Buch sprüht vor französisch-südlicher Leichtigkeit. Immer wieder wird dieser spritzig-witzige Text ironisch durchbrochen. So heißt es denn auch:

„Cannes hat viele Gesichter. Schauen Sie doch in die kleine Austernstube „Le Caveau“ (auch ziemlich in der Nähe des Hafens), wo Sie für ein paar Francs frische, wenn auch etwas grüne huîtres bekommen: so was an verräucherter Gemütlichkeit war ja noch gar nicht da, das ist schon direkt Rothenburg ob der Tauber.“

Man kann es sich so gut vorstellen, dieses junge, überschäumende, elegante, kreative Paar auf seinen Streifzügen durch die eleganten Hotels, die Kasinos, die kleinen Bars, die billigen Kaschemmen, die Rotlichtviertel. Wieder einmal sind die so eng Verschwisterten, beinahe Zwillinge (es trennt sie nur ein Lebensjahr), aus der Enge des großbürgerlichen Milieus ausgerückt, der Strenge des „Großmeisters“ entkommen. Dessen Name öffnet zwar auch an der Riviera Türen, wirft aber auch seine Schatten – nicht zuletzt einer jener Schatten, an denen Klaus zerbrechen wird. Doch auch wenn der Nobelpreisträger über manches literarische Unternehmen seiner beiden Ältesten die Nase rümpft – wenn an der blauen Küste das Geld zur Neige geht, schießt Thomas Mann aus dem fernen München neues zu.

Reiseführer und Who is who der Bohème

Natürlich ist „Das Buch von der Riviera“ nicht nur ein Reiseführer, der von Marseille, Toulon, Cannes und Nizza bis Monte Carlo führt, sondern auch ein „Who is who“ der feinen Gesellschaft und der Bohème, die sich dort tummelt:

„Der kleine, geistreiche Balte, der dort drüben über ausgefallene literarische Leckerbissen spricht, ist der Zeichner Rolf von Hoerschelmann, eine der berühmtesten Schwabinger Koryphäen; und die lange Figur, die dort hinten naht, ist kein geringerer als Aldous Huxley, dessen Romane richtunggebend für die junge englische Literatur sind, und kostbarster Bestandteil der europäischen. Hier nennen ihn die Leute Uelex, weil es ihnen bequemer ist, es klingt eher münchnerisch, als provençalisch. Die Angelsachsen sind eine Clique für sich, die sich aber mit der französisch-deutschen gelegentlich berührt und vermischt. Sie ist im Trinken noch stärker, als die der anderen Nationen. Der Lyriker Campbell, der einen großen Namen bei seinen Landsleuten hat, soll darin das Phantastischste leisten.“

Es ist freilich nicht die ganz große Literatur, die die Geschwister mit diesem Auftragsbuch verfasst haben, oft ein wenig ermüdend, dieses Stippvisitieren einer Lokalität nach der anderen, dieses „name-dropping“. Aber eher stellt sich die Müdigkeit in der Art nach einem faulen, sonnenverbrannten Tag am Strand ein, dieses leise Gähnen, das ein Vorzeichen ist für den Appetit auf einen Aperitif, ein Abendessen im Freien und mehr Meer. Das Buch lässt einen die imaginären Koffer packen – trotz der beinahe seherischen Warnung der Manns:

„Die Konturen dieser Landschaft werden auf den Bildern von Derain und vieler anderer von der Nachwelt geliebt werden, wenn hier alles von großen Hotels zugebaut sein wird und die Bohème sich bis an den Kongo flüchten muß.“


 Bibliographische Angaben:

Erika und Klaus Mann
Das Buch von der Riviera
Kindler Verlag, 2019
ISBN: 978-3-463-40715-9