Neu im axel dielmann – verlag: Die Box “Die wilden Slowenen”

Passend zum Gastland-Auftritt Sloweniens bei der Frankfurter Buchmesse veröffentlicht der axel dielmann – verlag die Box “Die wildenen Slowenen”. Bereits jetzt liegen vier Bände mit slowenischer Literatur vor – ein Streifzug durch ein literarisch reiches Land.

Eigensinnige Texte eigenwilliger Autor*innen in einem eigenständigen Verlagsprogramm – das prägt seit nun 30 Jahren das Profil des axel dielmann – verlags Frankfurt am Main. Und was könnte besser zu diesem Programm passen als Sloweniens Literatur und die slowenischen Autor*innen in all ihrer Vielfalt und in ihren Besonderheiten? Zum Gastland-Auftritt Sloweniens auf der Frankfurt Buchmesse 2023 erscheinen in der kleinsten Reihe des Verlags, den einzeln von Hand fadengehefteten Bändchen der 16er-Reihe, 16 Publikationen mit Slowenen. Bereits jetzt liegen die ersten vier Bände vor. Die nächsten Bände werden peu à peu in den nächsten Wochen veröffentlicht. Vollständig wird die »BOX – die wilden Slowenen« dann zur Buchmesse in Frankfurt sein.

Aus der Geschichte und Gegenwart Sloweniens sind bereits diese ersten vier Funkelstücke erschienen:
Mladen Dolar: Vor dem Gericht der Gerüchte, Essay
Aleš Šteger im Gespräch mit Tomaž Šalamun, übersetzt von Matthias Göritz
Slowenische Klassiker, zusammengestellt von Erwin Köstler
Barbara Korun: Der Wolf und die Wunde, Gedichte, Übersetzt von Amalija Maček & Matthias Göritz

Bis zur Frankfurter Buchmesse 2023 folgen:
Texte von Jani Kovačič, Ivan Cankar, Breda Smolnikar, Miha Mazzini, ein zweiter Band zu slowenischen Klassikern und ein Dystopischer Omnibus – diese Bände werden betreut von Erwin Köstler; dazu Texte von Dane Zajc, Jure Detela, Gregor Strniša, in der Obhut von Matthias Göritz; sowie Herman Noordung, Peter Mlakar und Veronika Simoniti.

Außerhalb der 16-er Reihe kommt von Veronika Simoniti zudem ihr großartiger Erzählband »Teufelssprache«, übersetzt von Tamara Kerschbaumer: 18 Erzählungen, die Sloweniens Kultur und Geschichte vom kurzen Küstenstreifen zwischen Portoroz und Ankaran aus zugänglich machen.

Die große, unterhaltsame Lesereise durch Sloweniens wilde Literatur wird begleitet durch ein intensives Veranstaltungsprogramm: In guter Tradition wird es zu jedem der Bändchen einen ANSTICH geben – Verleger Axel Dielmann zeigt bei Erscheinen jedes neuen 16er-Bändchens, wie man mit Ahle und Faden händisch solch ein Bändchen sticht und liest dazu aus den Büchern, erzählt Anekdoten zu der 16er-Reihe und plaudert aus 30 Jahren Verlagsgeschichte, jeweils in einer anderen schönen Buchhandlung.

Über das Veranstaltungsformat Anstiche sprach Axel Dielmann unlängst im Börsenblatt.


Die BOX “Die wilden Slowenen in den Medien”:

Axel Dielmann zur “BOX – Die wilden Slowenen” im Interview beim Hessischen Rundfunk.

“Spannend, das alles. Mitunter ein bisschen fremd. Und gerade deshalb lesenswert.” – Ursula Maria Wartmann bei Faust Kultur über “Der Wolf und die Wunde” von Barbara Korun

“Das Gespräch zwischen Šteger und Šalamun ist enthalten in der wohl ungewöhnlichsten Veröffentlichung zum Messeauftritt: «Die wilden Slowenen» versammelt in sechzehn Bändchen Kurzes: einen Aufsatz des Philosophen Mladen Dolar, Gedichte von Barbara Korun und Dane Zajc, einen «Dystopischen Omnibus».” – Jörg Plath in der NZZ über Literatur aus Slowenien


Die bereits vorliegenden Bände im Detail:

Mladen Dolar
Vor dem Gericht der Gerüchte
Ein Essay über Klatsch und Tratsch

Mladen Dolar, 1951 geboren, ist Philosoph, Psychoanalytiker, Kulturtheoretiker und Filmkritiker und zusammen mit Slavoj Žižek and Rastko Močnik Gründer der „Gesellschaft für Theoretische Psychoanalyse“. Er ist einem – bei aller philosophischen Finesse und sprachlichen Wachheit – kaum beizukommenden Thema auf der Spur: dem Gerücht. Indem er in die Gerüchteküchen der Weltliteratur einsteigt, enthüllt er uns einiges über die finstere Lust am Tratsch …


Barbara Korun
Der Wolf und die Wunde
Gedichte

Barbara Korun, 1963 in Ljubljana geboren, erhielt für ihren ersten Gedichtband »Ostrina miline« (Die Schärfe der Milde) 1999 den Preis der slowenischen Buchmesse als bestes Lyrikdebüt. Ihr viertes Buch »Pridem takoj« (Ich bin gleich wieder da) wurde 2011 mit als bester Gedichtband des Jahres ausgezeichnet und erhielt den »Goldenen Vogel« für herausragende Leistungen in der Literatur. Ihre Gedichte sind voll beißendem Spott und gehen tief, wenn es um weibliche Lust, um den Körper und die merkwürdige Transformation ins Tierhafte geht, welche wir alle vollziehen, wenn wir lieben.


Aleš Šteger im Gespräch mit Tomaž Šalamun
Die Fähre


Im Jahr 2007 sprechen der 1973 in Ptuj geborene Autor, Übersetzer und Verleger Aleš Šteger und der 1941 in Zagreb geborene, in Koper aufgewachsene Tomaž Šalamun, einer der bedeutendsten slowenischen Dichter, miteinander. Dieser Austausch über die Begegnung mit Sprache, die Verständigung über dichterische Welten und den Ort der Dichtung in der Welt, dürfen als außerordentlich seltener Glücksmoment gelesen werden: Weil der Moment dieses Gesprächs in größtmöglicher Offenheit und gleichzeitig mit unbeirrbarer Präzision ausgekostet und in zahlreiche historische, gesellschaftliche, poetologische, persönliche Dimensionen hin entfaltet wird.


Erwin Köstler (Hrsg.)
Slowenische Klassiker
Band I


Erwin Köstler, Übersetzer slowenischer Literatur und freier Literaturwissenschaftler, hat für den ersten Band “Slowenische Klassiker” Texte einer Autorin und acht Autoren zusammengestellt, die eine gute Einführung geben in die Vielfalt slowenischer Literatur. Enthalten sind:
– Primož Trubar: Vorrede
– Johann Weichard Valvasor: Die Ehre des Herzogtums Krain
– Urban Jarnik: Andeutungen über Kärntens Germanisierung
– France Prešeren: Von der schönen Vida
– Ivan Cankar: Skizzen
– Zofka Kveder: Ihr Leben
– Ivan Pregelj: Plebanus Joannes
– Rečko Kosovel: Integrale
– Vitomil Zupan: Reise ans Ende des Frühlings


Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für den Verlag

STANISLAW BARANCZAK: Ethik & Poetik

Stanisław Barańczaks Essaysammlung Ethik&Poetik ist das Zeugnis eines literarischen und kritischen Ringens mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts – ein Ringen um die Literatur und deren erhofften Rolle bei der Wiederherstellung eines ethischen Wertesystems. Der Band liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung vor.

Bewegt von der ernsthaften Sorge um die ethische Integrität von Literatur, die immer dann am stärksten gefährdet zu sein scheint, wenn Schriftsteller*innen in die Klauen der Politik geraten und zwischen Gehorsam und Widerstand wählen müssen, ist Stanisław Barańczaks frühe Essaysammlung Ethik und Poetik (EA 1979) das Zeugnis eines literarischen und kritischen Ringens mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts – ein Ringen um die Literatur und deren erhofften Rolle bei der Wiederherstellung eines ethischen Wertesystems. An Klassikern wie Thomas Mann, Ossip Mandelstam, Dietrich Bonhoeffer, Czesław Miłosz, Miron Białoszewski, Wisława Szymborska, Zbigniew Herbert und anderen mehr zeichnet Barańczak in “Ethik&Poetik” jene poetischen Überzeugungen nach, für die deren Autor*innen mit Schreibverbot, Exil oder Tod bezahlen mussten.

„Auf dem großen Gruppenfoto des polnischen Geistes im 20. Jahrhundert, wie wir es kennen, war immer eine Leerstelle, ein weißer Fleck: Er war für Stanisław Barańczak reserviert, den leidenschaftlichen Dichter, Denker, Übersetzer und Essayisten – sowie politischen Aktivisten bereits vor der Solidarność-Zeit. Zusammen mit Ryszard Krynicki, Adam Zagajewski, Julian Kornhauser, Ewa Lipska und anderen bildete er eine „neue Welle“ der polnischen Kultur, in der Ethik und Ästhetik einen unauflöslichen Pakt eingegangen waren. Zu meiner großen Freude erscheint nun die erste Auswahl von Barańczaks Arbeiten in deutscher Sprache. Wer diesen gastfreundlichen Intellektuellen Nimmersatt nicht mehr persönlich kennenlernen konnte, hat nun endlich Gelegenheit, ihm über seine Arbeit näherzukommen. Und das Gruppenfoto ist nun (fast) vollständig“ schreibt Michael Krüger, einer der Herausgeber zu diesem Buch, das nun in der Edition Faust erschienen ist.

Stanisław Barańczak wurde 1946 in Posen geboren. Er studierte Polonistik an der Adam-Mickiewicz-Universität, an der er 1973 mit einer Dissertation über Miron Białoszewski promovierte. Sein Debüt als Dichter lieferte er bereits 1965. Er gehörte 1976 zu den Gründern des KOR (Komitee zur Verteidigung der Arbeiter). Der prominente Vertreter der polnischen Neuen Welle / Generation 68 gilt als einer der bedeutendsten Lyriker, Übersetzer und Essayisten der polnischen Gegenwartsliteratur und wurde mehrfach national wie international prämiert. Stanisław Barańczak ist 2014 in Newtonville, Massachusetts, gestorben.


Stimmen zum Buch:

“Das ist schließlich das große Wunder mutiger und aufrichtiger Menschen, zu denen wir Baranczak zählen dürfen: Jahrzehntelange allumfassende Propaganda konnte nicht verhindern, dass sie existieren, sich entwickeln und aufklärerisch tätig werden; und das heißt, dass es unter allen Umständen immer Hoffnung gibt, so düster die Gegenwart auch aussehen mag. Baranczak war mit seiner Kritik am kommunistischen Polen, die er in seinen vielen Texten übt, ein ethischer Visionär: Er wusste, dass er auf der Seite der Guten steht, und dass seine Sache eines Tages notwendig gewinnen musste.” – Arne-Wigand Baganz

12. Juli 2023:Marta Kijowska widmet Stanisław Barańczak und dessen Essays einen ausführlichen und kenntnisreichen Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

“Das ist Ethik, das ist Poetik: Das ist das, was in der heutigen deutschen Dichtung zu selten ans Licht dringt, nämlich: „Der Kern der Sache (…), dass in der heutigen Welt gerade das dichterische Denken am häufigsten zum Gegenpol jeglicher Form des dogmatischen Denkens wird“, wie Baranczak schreibt.” – Artur Becker in der Frankfurter Rundschau


Stanisław Barańczak
Ethik und Poetik
Essays
Herausgegeben von Alexandru Bulucz, Ewa Czerwiakowski, Michael Krüger
Aus dem Polnischen von Jakub Gawlik und Mateusz Gawlik
Broschur, 416 Seiten, € 28,–ISBN 978-3-945400-46-3


Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für die Edition Faust.

GANS VERLAG: Frühjahr 2023

Der Gans Verlag ist ein noch junger Verlag aus Berlin. Schwerpunkt sind neben wiederentdeckten Kinderbüchern jüdischer Autoren ungewöhnliche neue Texte aus der Indie-Literaturszene.

Das Frühjahrsprogramm 2023 bietet ein großartiges Beispiel wiederentdeckter Exilliteratur: “Die Kiste mit dem großen S” von Richard Plant, ein Autor, der, jüdisch und homosexuell, im nationalsozalistischem Deutschland doppelt gefährdet war. Darüber hinaus kamen drei weitere neue Bücher heraus: Mit “Schrift unter Tage” Essays und Kolumnen von Jan Kuhlbrodt, das Jugendtheaterstück “Vampirgirl” von Sophie Reyer und das literarische Debüt des Theatermanns Ron Rosenberg, “Haben Tauben Hoffnung”, bezaubernde Vater-Tochter-Geschichten.

Richard Plant: Die Kiste mit dem großen S

1933: Freunde raten dem jungen, jüdischen und schwulen Mann, Richard Plaut, wie er damals noch heißt, Deutschland zu verlassen. Er geht in die Schweiz und verliebt sich in einen jungen Gärtner. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, schreibt er Detektivromane und Kinderbücher: „Die Kiste mit dem großen S“. Jahrzehnte später sagt er, dass in diesen Roman subtil eigene Erfahrungen aus dem Schweizer Exil eingeflossen seien: Einsamkeit, Fremdsein, erste Liebe. Der Roman erzählt von den vier Kindern der Familie Baumann. Die Eltern sind zur Kur, da wird auch noch die Haushälterin krank: Plötzlich sind die Kinder ganz auf sich gestellt. Da geschieht Unvorhergesehenes und auf die Kinder kommt eine große Herausforderung zu. Das Buch ist ein spannend und lustig erzählter Kinderkrimi, Coming-of-Age-Roman, die Geschichte einer Jungensfreundschaft oder auch schwule Lovestory. Die erste Liebe wird durch die Geschehnisse auf eine harte Probe gestellt.

Zeichnungen: Mit über 30 Illustrationen von Leo Meter (aus der niederländischen Ausgabe von 1937). Geleitwort von Barbara Meter (Filmemacherin, Amsterdam). Kurzbiografie Richard Plauts von Raimund Wolfert.

Der Autor: Richard Plant (zuvor Richard Plaut) wurde 1910 in Frankfurt am Main geboren. Er floh 1933 in die Schweiz, floh 1938 weiter in die USA. Bekannt wurde er durch sein Buch „Rosa Winkel. Der Krieg der Nazis gegen die Homosexuellen“, das 1991 auf Deutsch erschien.

Richard Plant – Die Kiste mit dem großen S
ET April 2023 | ca. 210 Seiten
Fadenbindung | Klappenbroschur | über 30 Zeichnungen
Buchreihe: Historische Kinder- und Jugendbücher jüdisch-deutschsprachiger Autorinnen und Autoren, Band 3, 29,90 Euro | ISBN 978-3-946392-30-9

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Ron Rosenberg – Haben Tauben Hoffnung

Autor Ron Rosenberg macht in Berlin und Zürich sonst Theater mit der Altersgruppe „Ü60“. In seinem Debütband geht es jedoch um „U7“, nämlich um seine Tochter – aber auch um ihn. Es geht um Fragen, wie sie nur Kinder stellen können, um Hupkonzerte und Doraden, um Pfützen und Sterne. Oder um Träume. Und warum es möglich ist, Träume zu sehen, wenn doch die Augen geschlossen sind. Kinderfragen. Wissen Eltern darauf wirklich eine Antwort? Und dann geht es auch noch darum, wie die Tochter dem Vater hilft, sich als Vater zu begreifen – und erwachsen zu werden. Rosenberg erzählt auf eine leichte und schmunzelnde Art, dass es nur so eine Freude ist, den beiden, Tochter und Vater, auf dem Weg durch die weite Welt ihrer Geschichten zu folgen.
Leseprobe: „Wir könnten mit den Tauben reden, lächelt mich mein Kind an. Mit den Tauben reden, wiederhole ich und bin irritiert. Wir sollten uns Zeit nehmen, fährt es fort, mit ihnen ins Gespräch kommen, ihnen sagen, dass wir da sind, für sie, auch wenn sie barfuß sind.“

Zeichnungen: Mit Zeichnungen des Berliner Künstlers Özgür Erkök-Moroder.

Der Autor: Ron Rosenberg, geboren 1976, ist Kurator des internationalen Kinder- und Jugendfilmfestivals in Riga, Theaterregisseur beim Senior Lab in Zürich und den Golden Gorkis in Berlin, zudem unterrichtet er an der Regensburger Akademie für Darstellende Kunst.

Ron Rosenberg – Haben Tauben Hoffnung

ET April 2023 | ca. 128 Seiten | DIN A5
Klappenbroschur | Klebebindung | ca. 10 Zeichnungen
Buchreihe: Gegenwarten, Band 3
Preis: 19,90 EUR (D) | ISBN: 978-3-946392-21-7

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Sophie Reyer – Vampirgirl

Bram Stoker hält der damaligen weithin prüden Gesellschaft mit der Figur des blutrünstig-lustvollen Dracula einen Spiegel vor, sagt Sophie Reyer. Ihr Vampir sei in einer postbürgerlichen, entzauberten Welt angekommen – in Gestalt eines Mädchens. Es gehe in Vampirgirl um jugendliche Todessehnsucht, Unsicherheit, Gender und die erste Liebe, die ewig dauern soll. Reyer hat ein Stück über eine Dreiecksbeziehung mit großen Gefühlen und coolen Songs geschrieben und spielt virtuos und schnell mit (Jugend-)Sprache.

Zeichnungen: Mit Zeichnungen des Berliner Künstlers Petrus Akkordeon.

Die Autorin: Sophie Reyer, geboren 1984, studierte Germanistik und Komposition. Sie veröffentlicht Lyrik, Prosa sowie Texte fürs Theater und ist Lehrende an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich. Sie lebt mit ihrer Schildkröte Kasimir in Baden bei Wien.

Sophie Reyer – Vampirgirl
ET April 2023 | ca. 112 Seiten | DIN A5
Fadenbindung | Klappenbroschur | ca. 10 Zeichnungen
Buchreihe: Theatertexte 1
Preis: 21,90 Euro | ISBN: 978-3-946392-31-6

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Jan Kuhlbrodt – Schrift unter Tage

Der Philosoph und Gastprofessor des Deutschen Literaturinstituts Leipzig, Jan Kuhlbrodt, geboren 1966 in Chemnitz, versammelt in diesem Band Texte, die in einer Isolation, die vor Corona einsetzte, aber auch nachher anhält, entstanden sind, die auf Lektüren reagieren. Die Texte bewegen sich mit Hamann und Derrida in der jüngeren und jüngsten Philosophiegeschichte, blicken bei Elke Erb, Felix Philipp Ingold und Oleg Jurjew auf Gedichte oder eine in Romanen vorgestellte Welt, sie entwerfen Thesen beispielsweise zum Reim und zum Experiment, um sich in der papiernen realen Welt bewegen zu können. Und sie setzen das Gelesene und Geschriebene in einen historischen, aber auch biografischen Kontext.

Leseprobe: „Welche Bücher würdest du verbieten? Meine! Die Frage, welche Bücher ich verbieten würde, lässt den Aufklärer in mir zusammenzucken. Natürlich keines, wäre die politisch korrekte Antwort, weil jedes Verbot den jeweiligen Text einem potentiellen Diskurs entzieht; durch ein Verbot wird ein Text vom Markt gewischt, ökonomisch und inhaltlich. Zumindest könnte man das meinen. In einer Demokratie, wo die Freiheit des Wortes gilt, sollte also ein Verbot von Büchern sich selbst verbieten. Allerdings sorgt diese Freiheit auch dafür, dass so manches Wort ungehört verhallt, und andere bleiben unwidersprochen, auch wenn sie den krudesten Blödsinn verbreiten. Aber so einfach ist das nicht. …“

Zeichnungen: Mit einer Zeichnung des Chemnitzer Künstlers Carlfriedrich Claus auf dem Cover.

Der Autor:
Jan Kuhlbrodt, geboren 1966, studierte Philosophie in Frankfurt am Main und Literatur am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, lehrte dort auch als Dozent und Gastprofessor. Er lebt als freier Schriftsteller und Herausgeber in Leipzig.

Jan Kuhlbrodt – Schrift unter Tage
ET April 2023 | ca. 168 Seiten | DIN A5
Fadenbindung | Klappenbroschur
Buchreihe: Gegenwarten Wissenschaft, Band 2
Preis: 29,90 EUR (D)
ISBN: 978-3-946392-29-3

Link zur Leseprobe


Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für den Gans Verlag.

ULRIKE HEIDER: Die grausame Lust

In ihrem neuen Buch „Die grausame Lust“ geht die bekannte Autorin Ulrike Heider den Philosophien und Ideologien auf den Grund, die sich um das Phänomen des Sadomasochismus ranken. Es ist eine kritische und aufklärerische Erwiderung auf den erotischen Irrationalismus von Philosophen und Literaten, beginnend bei Marquis de Sade, seinem Schüler Georges Bataille und seiner Schülerin Pauline Rèage, Verfasserin der Geschichte der O., bis hin zur Gegenwart und zum Erfolg von „Fifty Shades of Grey“.

Seit den prüden 1950er-Jahren, als es noch den Kuppelparagrafen gab, scheint eine Enttabuisierung sexueller Praktiken erfolgt zu sein. In ihrem neuen Buch „Die grausame Lust“ geht die bekannte Autorin Ulrike Heider den Philosophien und Ideologien auf den Grund, die sich um das Phänomen des Sadomasochismus ranken. Es ist eine kritische und aufklärerische Erwiderung auf den erotischen Irrationalismus von Philosophen und Literaten, beginnend bei Marquis de Sade, seinem Schüler Georges Bataille und seiner Schülerin Pauline Rèage, Verfasserin der Geschichte der O., bis hin zur Gegenwart und zum Erfolg von „Fifty Shades of Grey“. „Mit dem enormen Verkaufserfolg dieses zwischen Kitsch und Pornografie schwankenden Romans wurde der Sadomasochismus endgültig salonfähig. Gleichzeitig war und ist das Bild, das sich die Menschen von der Sexualität machen, bis in den Mainstream hinein davon geprägt. Harmloser (Blümchen)Sex gilt seither Vielen als langweilig, SM- oder BDSM-Praktiken dagegen als unkonventionell, abenteuerlich und innovativ“, so Ulrike Heider.

Doch führt diese scheinbare sexuelle Befreiung tatsächlich zu mehr Selbstbestimmung der Akteure oder ist die Ideologie von SM-Befürwortern Ausdruck einer Entwicklung, die in einer Leistungsgesellschaft von Konkurrenz, Macht, Ohnmacht, Leistungszwang und Gewalt geprägt ist? Provokant hinterfragt sie dabei auch die liberale Haltung des linken und feministischen Milieus, wo SM als Ausdruck persönlicher Freiheit befürwortet wird. Diesen Fragen geht Ulrike Heider in ihrem klugen und spannend zu lesendem Essay „Die grausame Lust“ nach.

Zur Autorin:

Ulrike Heider wuchs in Frankfurt/Main auf, beteiligte sich dort an der Studentenbewegung und war in den 1970er-Jahren Hausbesetzerin. 1978 promovierte sie an der Universität Frankfurt als Politologin. Von 1976 bis 1982 lehrte sie an den Universitäten von Frankfurt und Kassel. Seit 1982 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und Journalistin. 1988 übersiedelte sie nach New York und war dort Visiting Scholar an der Columbia University. Seit 2012 lebt sie in Berlin. Sie schreibt Bücher, Essays und Radiosendungen zu den Themen, Schüler- und Studentenbewegung, Anarchismus, afroamerikanische Politik und Sexualität, zum Beispiel: „Der Schwule und der Spießer. Provokation, Sex und Poesie in der Schwulenbewegung“, Männerschwarm, Berlin, 2019, „Vögeln ist schön – Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt“, Rotbuch, Berlin 2014 und „Schwarzer Zorn und weiße Angst. Reisen durch Afroamerika“, Fischer, Frankfurt am Main, 1996.

Stimmen zum Buch:

«[ein] Buch, das erstaunt und falsche Erwartungen überzeugend widerlegt, stellt es doch alles andere als eine apologetische Darstellung und Rechtfertigung sadomasochistischer Verhaltensweisen dar.»
Micha Brumlik in «Frankfurter Rundschau», 25.1.2023

«‹Die grausame Lust› erinnert daran, dass die falsche Gesellschaft menschenfeindliche Tendenzen unablässig hervor bringt; dass diese Tendenzen sich in immer neue ideologische Gewänder kleiden und daher auch kein linkes, feministisches oder sonstwie progressives Selbstverständnis gegen sie gefeit ist…»
Oliver Schott in «konkret», 4/2023

Ulrike Heider im Interview mit Marco Kammholz in der «Jungle.World» und am 22.04.2023 in einem ganzseitigen Interview in der “nd” (Neues Deutschland)

“Ulrike Heider betrachtet das sexuelle Begehren im Spiegel der gesellschaftlichen Maskerade wie einst Marcel Proust in »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Während Proust literarisch seziert, geht Ulrike Heider ideologiekritisch vor. In ihrem Essay »Die grausame Lust« betrachtet Heider die Jahrzehnte von den 60er Jahren bis heute. Der aktuelle sadomasochistische Trend beginnt ihrer Ansicht nach in den 80er Jahren – als Begleiterscheinung des neuen Konservatismus.” – Elfriede Müller in der nd, 26.4.2023

Bibliographische Angaben:

Ulrike Heider

Die grausame Lust. Sadomasochismus als Ideologie
Schmetterling Verlag GmbH, Stuttgart, Januar 2023
246 Seiten, kartoniert,
19,80 EUR
ISBN 978-3-89657-033-8


Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für die Autorin.

Ein Gastbeitrag von Theo Breuer zu “Was wir scheinen” von Hildegard E. Keller und seiner Literatour 2022

Der Schriftsteller Theo Breuer ging 2022 auf eine umfassende Literatour, die zunächst in der Literaturzeitschrift Matrix veröffentlicht wurde. Wie er selbst zu den 88 Büchern sagt, die darin besprochen werden, galt das Hauptaugenmerk dabei der Sprache: »Ohne den Schall der Sprache geht gar nichts«.

Seit einiger Zeit freue ich mich über einen regelmäßigen Austausch mit dem Schriftsteller Theo Breuer, der im Zuge meiner Pressearbeit für Literaturverlage entstand. Schon früh in diesem Jahr informierte mich Theo Breuer über sein Vorhaben, sein erstaunliches jährliches Lesepensum als Essayzyklus 2022 in der Literaturzeitschrift Matrix zu veröffentlichen und gab mir, mit der Bitte um Einschätzung, die Texte zu lesen. Auch hier nochmals vielen Dank für dieses wunderbare Vertrauen und dass ich diese Literatour begleiten durfte. Ich war von der Idee, die Lektüren mit dem eigenen Alltag zu verknüpfen und dadurch ein Lesetagebuch zu erschaffen, begeistert, ebenso wie von der poetischen Sprache, die den Lyriker durchklingen lässt.
Im Dialog entstand die Idee, diesem Zyklus nach der Veröffentlichung in Matrix noch ein weiteres Forum zu geben. Neben einem Newsletter, den Theo Breuer nun in der Adventszeit verschickt, stellte er mir seinen Text zum Download auf meinem Blog zur Verfügung. Sein Wunsch war es, seine Gedanken zu “Was wir scheinen” von Hildegard E. Keller als Beispiel zu veröffentlichen, die gesamte Lesereise findet sich zum Download hier:


Ein Gastbeitrag von Theo Breuer

Ich betrachte das Buch Was wir scheinen, blicke der Frau in die Augen, lese Titel, Untertitel : Hannah Arendt ∙ Poetische Denkerin, mache mir Gedanken über die Wörter ›lyrisch‹ / ›poetisch‹, ›Lyrik‹ / ›Poesie‹, auch im Zusammenhang mit essayistischem Schreiben, das mich, zum Beispiel, das Mäandern gelehrt hat, das auch für Harald Gröhler längst schon selbstverständlich ist beim Verfassen literarischer Texte : Sie mäandern manchmal und steuern dann nicht schnurstracks auf ein Ende zu, sondern sie nehmen manches mit auf. Vorläufig versteh ich die Wörter gewiß keinesfalls als unmittelbare Synonyme. Sinnverwandt mögen sie sein, aber Vorsicht, lieber noch ein bißchen weitergrübeln. Warum denk ich da jetzt dran? Deshalb: Ich frage mich, ob lyrisch denken, poetisch sinnieren etwa eine Art Sinnestäuschung, Chimäre, Trugbild sei, gar eine Flucht aus Raum, aus Zeit, hinein in Traum – und weit, oder sind das Lyrische, das Poetische wirklicher als die Wirklichkeit, die das lyrische Luftbild, die poetische Phantasie gleichsam zurückholen ins ›reale‹, ›tatsächliche‹ Tagesgeschehen – und somit das Sehen verändern, die menschlichen Beziehungen, das Verhältnis zur Welt. Ob Gedicht oder Roman : Wo diese Fragen nicht mitschwingen im komplexen Geflecht der Wörter – handelt es sich da möglicherweise nicht um literarische Texte im engeren Sinne? Poems, including stories and songs, are more capable of forming, formulating, expressing and communicating care, carefulness, and caringness, and doing so more honestly, truthfully, intensely, fully and profoundly, than any other linguistic expression. (Richard Berengarten) Unmittelbar nach diesem Gedankenschub les ich in Harald Gröhlers Erzählung Eine Selbstmörderin : Dank Goethe ist die Ilm hier nicht begradigt. Das macht mir den Herrn von Goethe schon sehr real. Na also. Also was? Was wir scheinen. Auf dieses Buch hab ich, ohne es zu ahnen, seit Jahren gewartet. Vielleicht schon, seit ich Arendts Vita activa oder Vom tätigen Leben las *, spätestens jedoch, seit ich den Film Hannah Arendt mit Barbara Sukova sah. Was ich nicht wußte : Hannah Arendt, die mir die Banalität des Bösen begreifbar machte, schrieb auch Gedichte. Alles, wirklich alles dreht sich um Sprache, les ich auf Seite 17. Ein Satz, sieben Wörter, und die poetische Existenz dieser Frau scheint auf : zielklar, sichtbar, wahr. Hildegard E. Keller gelingt mit dem romanesken Sprachkunstwerk Was wir scheinen die kongeniale Nachempfindung von Wesen, Wirken und Wollen der worttollen Hannah Arendt. Eine poetische Liebesgabe. Lesen!


* Die drei Grundtätigkeiten Arbeit, Herstellen, Handeln sind nun nochmals in der allgemeinsten Bedingtheit menschlichen Lebens verankert, daß es nämlich durch Geburt zur Welt kommt und durch Tod aus ihm wieder verschwindet. Was die Mortalität anlangt, so sichert die Arbeit das Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung; das Herstellen errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas wie Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte.

Hildegard E. Keller: Was wir scheinen. Hannah Arendt · Poetische Denkerin. Roman. 574 Seiten. Broschur. Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln 2022.


Theo Breuer, Jahrgang 1956, schreibt in erster Linie Gedichte und Essays. Seit 1988 veröffentlicht er Ge­dichtbücher (auch visueller Art) sowie essayistische Monographien zur zeitgenössischen Literatur. Breuers Bücher erscheinen seit 2012 im Pop Verlag: Das gewonnene Alphabet (2012); Zischender Zustand ∙ Mayröcker Time (2017); Scherben saufen (2019); Winterbienen im Urftland Empfundene/erfundene Welten in Norbert Scheuers Gedichten und Geschichten (2019), nicht weniger nicht mehr (2021) sowie Vorschlag zur Blüte (2023). Im siebenteiligen Essayzyklus L·i·t·e·r·a·t·o·u·r »22«, in dem rund 88 – fast ausschließlich 2022 erschienene – Bücher vorstellt werden, hat Theo Breuer es in erster Linie auf die Sprache abgesehen, die er in den jeweiligen Büchern vorfindet: »Ohne den Schall der Sprache geht gar nichts«, heißt es bereits im Vorwort.