Joachim Ringelnatz – Der Bücherfreund

“Der Bücherfreund” erschien in der Gedichtsammlung “Allerdings” 1928. Ringelnatz hatte, auch als Bibliothekar, eigene bibliomanische Erfahrungen gesammelt.

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Bild von Nino Carè auf Pixabay

Ob ich Biblio- was bin?
Phile? „Freund von Büchern“ meinen Sie?
Na, und ob ich das bin!
Ha! und wie!

Mir sind Bücher, was den anderen Leuten
Weiber, Tanz, Gesellschaft, Kartenspiel,
Turnsport, Wein und weiß ich was, bedeuten.
Meine Bücher — wie beliebt? Wieviel?

Was, zum Henker, kümmert mich die Zahl.
Bitte, doch mich auszureden lassen.
Jedenfalls: viel mehr, als mein Regal
Halb imstande ist zu fassen.

Unterhaltung? Ja, bei Gott, das geben
Sie mir reichlich. Morgens zwölfmal nur
Nüchtern zwanzig Brockhausbände heben —
Hei ! das gibt den Muskeln die Latur.

Oh, ich mußte meine Bücherei,
Wenn ich je verreiste, stets vermissen.
Ob ein Stuhl zu hoch, zu niedrig sei,
Sechzig Bücher sind wie sechzig Kissen.

Ja natürlich auch vom künstlerischen
Standpunkt. Denn ich weiß die Rücken
So nach Gold und Lederton zu mischen,
Daß sie wie ein Bild die Stube schmücken.

Äußerlich? Mein Bester, Sie vergessen
Meine ungeheure Leidenschaft,
Pflanzen fürs Herbarium zu pressen.
Bücher lasten, Bücher haben Kraft.

Junger Freund, Sie sind recht unerfahren,
Und Sie fragen etwas reichlich frei.
Auch bei andern Menschen als Barbaren
Gehen schließlich Bücher mal entzwei.

Wie ? – ich jemals auch in Büchern lese??
Oh, sie unerhörter Ese—
Nein, pardon! – Doch positus, ich säße
Auf dem Lokus und Sie harrten
Draußen meiner Rückkehr, ach dann nur
Ja nicht länger auf mich warten.
Denn der Lokus ist bei mir ein Garten,
Den man abseits ohne Zeit und Uhr
Düngt und erntet dann Literatur.

Bücher – Nein, ich bitte Sie inständig:
Nicht mehr fragen! Laß dich doch belehren!
Bücher, auch wenn sie nicht eigenhändig
Handsigniert sind, soll man hochverehren.

Bücher werden, wenn man will, lebendig.
Über Bücher kann man ganz befehlen.
Und wer Bücher kauft, der kauft sich Seelen,
Und die Seelen können sich nicht wehren.

Joachim Ringelnatz

“Der Bücherfreund” erschien erstmals in der Ringelnatzischen Gedichtsammlung “Allerdings” im Jahr 1928. Ob der Bücherfreund Ringelnatz selbst über eine so überbordernde Bibliothek verfügte, bezweifle ich – zu unstet war sein Leben, zu oft war er unterwegs, zu häufig auch in finanziell prekäre Lagen, um selbst eine Bildungsbürgerbüchersammlung um sich zu haben. Allerdings kannte er sich – nicht nur als Lesender und Schreibender – aus im “Verwalten” von Bücherbergen. Vielleicht dachte er bei diesem Gedicht an seine Zeit in Klein-Oels zurück: Dort verwaltete er 1912 die Bibliothek des Grafen Yorck v. Wartenburg. Nachdem er wegen einer Prügelei entlassen worden war, arbeitete er im Jahr darauf als Bibliothekar Börnes v. Münchhausens, später als Bibliothekar und Fremdenführer auf Burg Lauenstein (Oberfranken), bis er 1913 wieder nach München ging, um seiner eigentlichen Berufung als Bühnenkünstler und Schreibender nachzugehen.

Horst Moser: Kleinstadtidyll

“Kleinstadtidyll” ist eine Mischung aus Krimi und Psychogramm. Spannend, rasant und authentisch.

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Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

„Wenn man mit den Abgründen zu tun hat, lernt man viel über die Menschen. Gott hatte ihn mit dieser Gabe gesegnet. Er musste die Menschen nur beobachten, sie wirklich beobachten. Das Verhalten verrät so viel mehr als Worte, die ausgesprochen werden, als wären sie nur eine Ablenkung vom ganzen Rest, wie die Tintenwolke, die der Kalmar ausstößt, um sich unerkannt davonzumachen.“

Horst Moser, „Kleinstadtidyll“


Die Gabe, Menschen zu beobachten, ihren Beweggründen auf den Grund zu gehen, ihr Verhalten nachvollziehbar zu schildern, also kurzum seine Figuren schlüssig zu entwickeln, ohne alles auszusprechen und dennoch keine Tintenwolken aufs Papier zu sprühen, die hat auch der Tiroler Autor Host Moser. „Kleinstadtidyll“ ist sein zweiter Roman beim Verlag „Edition Raetia“ nach „Etwas bleibt immer“.

Mit dem ersten Buch verbindet mich eine besondere Geschichte – Horst Moser hatte mir seinerzeit das Manuskript anvertraut mit der Bitte um kritische Prüfung. Die Story, eine Mischung aus Kriminalroman und Psychogram, fesselte mich, wenngleich ich auch die eine oder andere Wendung nicht ganz nachvollziehen konnte.

Gespür für die Entwicklung seiner Figuren

Und nun „Kleinstadtidyll“: Reifer, ausgereifter, mit weniger spektakulären Schauplätzen, weniger überraschenden Drehungen, aber mit einem noch besseren Gespür für die Entwicklung von Figuren. Im Mittelpunkt steht die 26-jährige Sophie, die aus ihrer Heimatstadt geflüchtet ist. Eine Kleinstadt in den Bergen, jeder kennt jeden, alles scheint überschau- und durchschaubar. Sophie führt ein unabhängiges, freies, wildes Leben, ohne festen Partner, ohne allzu ernstzunehmenden Job.

Doch eines Tages holt sie die Kleinstadt, sprich die Vergangenheit wieder ein: Ein anonymer Schreiber sendet ihr Emails, die auf ein dunkles Geheimnis in ihrer (gemeinsamen) Kindheit hinweisen. Zunächst ist sie versucht, das Ganze zu ignorieren. Doch mehr und mehr lässt sie sich von den Emails, die wie distanzierte Hilferufe klingen, einfangen. Und kehrt zurück in die Kleinstadt, um  das Rätsel zu lüften.

Je mehr die wilde Sophie eigene Kindheitserinnerungen wachruft, je mehr Fragen sie bei ihren Eltern, alten und neuen Bekannten in der kleinen Stadt stellt, je mehr eigentlich gesagt wird, desto größer wird die Mauer des Schweigens.

„Am Ende blieb alles Gerede, allmählich nahm das Interesse an dem Geschehen ab, bis nur mehr wenige davon sprachen, bis auch diese Geschichte auf dem Stapel landete, dem irgendwo im Verborgenen abgelegten Stapel der sich in der Stadt zugetragenen Geschichten. Ohne Folgen, ohne Konsequenz. Es war vorgefallen. Es wurde weggelegt. Schließlich lebte man in einer Gemeinschaft. Bevor man an das Schrecklichste glaubte, freundete man sich dann doch lieber mit dem Einfacheren an. Auch, um sich selbst zu schützen.“

Spannende Geschichte

Das Schrecklichste, das ist eine Gemengelage, wie sie in jedem Ort der Welt vorkommen könnte: Gierige Unternehmer, erpressbare Geistliche mit einem strafbaren Hang zu Kindern, unterdrückte Gelüste, ausgelebte Gemeinheiten. Horst Moser verwebt dies geschickt zu einer Mischung aus Kriminalroman und Entwicklungsgeschichte, erzählt aus mehreren Perspektiven. Sprachlich behutsam, wenn auch da und dort das Lektorat noch etwas hätte eingreifen können, um den einen oder anderen umständlicheren Ausdruck eleganter zu schleifen, um hier und dort zu straffen.

Trotz dieses minimalen Kritikpunktes: Die Geschichte ist stimmig und spannend. Und bietet ein versöhnliches Ende für die Hauptfigur Sophie, in die man sich gut hineinfühlen kann.

„Sie musste daran denken, wie sie vor wenigen Tagen hier vorbeigekommen war. (…) Hier kann man gar nicht anders, als sich eingeengt zu fühlen, hatte sie gedacht. Man bekommt einfach eine Identität verpasst. Familienname. Gesellschaftsstatus. Zuweisungen: Das hat er von seiner Mutter. Schau, ganz der Vater. Oder: Das hat er nicht von uns. Man hat gar keine Wahl, man wird zu dem, was andere von einem erwarten. Das hatte sie noch vor einigen Tagen gedacht. Jetzt spürte sie, dass das nur ein Teil der Wahrheit war. Es lag an einem selbst, was man daraus machte. Ob man sich dem unterwarf oder ob man sich stellte, dem Leben und dem, was es für einen bereithält.“


Informationen zum Buch:

Horst Moser
Kleinstadtidyll
Edition Raetia, 2018
ISBN: 978-88-7283-655-2

Text und Fotografie auf dem Blog des Autoren: http://www.horstmoser.com/

Altes Buch ganz neu – Bücher bringen Arbeit für Menschen mit Behinderung

Was man mit gebrauchten Büchern alles machen kann! Für Menschen mit erworbener Hirnschädigung bietet sich so eine abwechslungsreiche und sinnvolle Arbeit.

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Bilder: Birgit Böllinger

Die Geduld bringt nicht jeder auf: Sorgfältig faltet Andreas Karg Buchseite um Buchseite nach einem genauen „Schnittmuster“, bis am Ende ein kleines, filigranes Kunstwerk entsteht. Gebrauchte Bücher entfalten so eine ganz neue, ungeahnte Schönheit: Als zarte Papierblumen, als außergewöhnliche Weihnachtsbäume oder aber auch mit einem „Danke schön“ beziehungsweise dem Schriftzug des FC Bayern zwischen zwei Buchdeckeln. „Das wollen wir dem Verein mal überreichen – als Werbegag für unsere Einrichtung“. An kreativen Einfällen herrscht bei Roland Haag kein Mangel. Und eines der wichtigsten Vorhaben des Psychologen führte zu einer neuen Einrichtung bei den Wertachtal-Werkstätten in Kaufbeuren (Bayern), einer eigenen Abteilung für Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung. Bundesweit gibt es noch wenige solche Einrichtungen, die sich speziell um Arbeitsmöglichkeiten für Menschen aus dieser Gruppe bemühen.

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Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

Seit 1998 arbeitet Roland Haag bei den Werkstätten, einer Einrichtung der Lebenshilfe Ostallgäu, mit Menschen mit Behinderung. „2001 hatte ich dann das erste Mal mit einem Beschäftigten zu tun, der eine erworbene Hirnschädigung hatte“, so Haag, „und es wurde schnell offensichtlich, dass dieser Personenkreis ein anderes Arbeitsumfeld braucht, als es die Werkstatt in der Regel bieten kann.“

Viel Geduld und ein langer Atem waren nötig, doch 2016 war es dann soweit: Zunächst mit sechs Plätzen – heute sind es zwölf – startete die Wertachtal-Werkstätten gGmbH einen eigenen Berufsbildungsbereich für Menschen, die beispielsweise durch einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder durch ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall mitten aus ihrem Leben gerissen wurden. „Viele der betroffenen Menschen bringen berufliche Fertigkeiten mit, die nach der Rehabilitation wieder aktiviert werden können – sie sind aber oftmals nicht mehr andauernd belastbar“, so Haag. „Sie brauchen jedoch eine Arbeit, die abwechslungsreich ist und sie herausfordert, das ist im normalen Arbeitsablauf einer Werkstätte nicht ganz einfach.“ Zudem müssten die Tätigkeiten Konzentration und Aufmerksamkeit fördern und die motorischen Fähigkeiten müssen intensiv aktiviert werden – die Anforderungen sind also breitgefächert.

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Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

Doch auch dafür fand Ronald Haag eine Lösung: In der Gruppe, die über eigene, freundliche Räumlichkeiten verfügt, dreht sich alles ums Medium Buch. Drei Schwerpunkte machen die Arbeit aus – der Verkauf von gebrauchten Büchern über einen großen Internethändler, der handwerklich-kreative Bereich und das Digitalisieren von Fotos und Dias nach Kundenauftrag. „Wichtig ist, dass jeder unserer Beschäftigten möglichst alles machen kann“, so Roland Haag.

Handel mit gebrauchten Büchern

Das „Kerngeschäft“ ist der Gebrauchtbuchhandel: Mit einem Programm, das ein Buchhändler und Antiquar eigens für Behindertenwerkstätten entwickelt hat, werden an vier Arbeitsplätzen täglich Bücher eingelesen. Fast täglich bringt jemand gebrauchte Bücher vorbei, seit sich das Angebot herumgesprochen hat. Aber auch Aktionen wie ein Wettbewerb an den Kaufbeurer Schulen zum „Tag des Buches“, wer die meisten Bücher sammelt, bringen sowohl literarischen Nachschub als auch Aufmerksamkeit und Kontakte. „Wir haben alle beteiligten Schulklassen hierher eingeladen, etliche kamen – da war ganz schön was los“, sagt Roland Haag schmunzelnd. Dies und die Kooperation mit dem Buchloer Büchermarkt, die Präsenz auf Veranstaltungen und Märkten mit dem kreativen Buchhandwerk, alles dient auch dazu, Präsenz zu zeigen, über die Thematik der erworbenen Hirnschädigung zu informieren und vor allem, die betroffenen Menschen in Kontakt mit der Gesellschaft zu bringen. Denn viele von ihnen haben durch ihre Behinderung oftmals nur noch die Familie als Rückhalt, der Freundeskreis und die sozialen Kontakte über die Arbeit gehen verloren.

IMG_2961„In der Arbeit hier geht es nicht darum, wieder mit den Grundtugenden wie Pünktlichkeit und ähnlichem zu beginnen“, so Roland Haag, der die Gruppe gemeinsam mit der Heilerziehungspflegerin Jeannine Neurieder leitet. „Bei unseren Beschäftigten steht im Vordergrund, dass sie sich wieder etwas zutrauen, dass sie eventuell auch verlorene Fähigkeiten wieder erwerben, vor allem aber darf die Arbeit nicht monoton sein.“

Aus alten Büchern wird Kunst

Was den Mitarbeitern im Buchbereich vor allem gefällt, ist, dass es nie zur Routine wird. Vor allem im kreativen Bereich kann sich jeder auch mal frei ausprobieren. „Viele Bücher, die wir nicht verkaufen können, werden so weiter verwertet“, sagt Roland Haag. So kam eine Besucherin auf die Idee, die Buchrücken kleinteilig zu schneiden und daraus Mosaike zu machen. Was sich nicht im Internet vertreiben lässt, wird auf Flohmärkten angeboten, Bücher, die auf der „roten Liste“ landen, weil sie einfach zu abgenutzt sind, kommen zum Falten, werden zu Lesezeichen oder, wenn gar nichts mehr hilft, dann kommen sie ins Altpapier. Und selbst damit sind sinnvolle Arbeitsschritte verbunden: „Vorher müssen wir die Buchdeckel abtrennen, dafür brauchen wir auch etwas Kraft“, so Andreas Karg. „Ein Training, vor dem du dich gerne drückst“, scherzt einer seiner Kollegen.

Die lockere, freundliche Atmosphäre und das ruhige Umfeld, das konzentriertes Arbeiten zulässt – das, so Roland Haag, ist es, was die Mitarbeiter in dieser Abteilung brauchen. Haag selbst ist überzeugt, dass sich sein Konzept der spezialisierten Berufsbildungs- und Arbeitsgruppen für Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung durchsetzt und Nachahmer findet. Bundesweit geht man davon aus, dass es 800.000 Betroffene gibt, die nach einem Unfall oder Schlaganfall auf Dauer Unterstützung in ihrer Lebensführung brauchen.

IMG_2872Wer sich informieren möchte oder gar eines der Faltobjekte erwerben:

Wertachtal-Werkstätten gGmbH
Werkstatt für behinderte Menschen
Porschestr. 30
87600 Kaufbeuren
Telefon: 0 83 41 – 90 07 124

www.wertachtal.de

Das Programm, das für den Verkauf der Bücher genutzt wird, wurde eigens für den Einsatz in Werkstätten für Menschen mit Behinderung entwickelt:

http://www.buch-meister.de/

Ben Redelings: 55 Jahre Bundesliga

Fußball ist so viel mehr als Ergebnisse, Statistiken und Titel. Ben Redelings zeigt: Es sind die Geschichten, die den Ball erst richtig rund machen.

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Bild: Florian Pittroff, https://flo-job.de/

Ein Gastbeitrag von Florian Pittroff

Rechtzeitig, bevor die Bundesliga morgen wieder startet, liegt das neue Buch von Ben Redelings vor: „55 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum. Unvergessliche Bilder, Fakten, Anekdoten“.

Schon die Erstauflage zum „50-jährigen Bundesliga-Jubiläum“ hat mich restlos begeistert – Das Fußballmagazin “11 Freunde” schrieb damals: “Eine Festschrift auf das, was wir alle so sehr am Fußball lieben.” Kein Wunder, über 50.000 Mal wurde der seit langer Zeit vergriffene Bestseller damals verkauft. Grund genug für den “Verlag Die Werkstatt” und Ben Redelings den aktualisierten und erweiterten Band “55 Jahre Bundesliga – das Jubiläumsalbum” zu veröffentlichen.

Rückschau auf 55 Jahre Bundesliga

Auf 416 Seiten bietet das Buch eine unterhaltsame und informative Rückschau auf 55 Jahre Bundesliga. Die Texte sind nicht zu lang, sie kommen schnell auf den Punkt und sind genauso informativ wie lustig geschrieben.

Es macht arg viel Spaß darin zu schmökern, zu blättern und den ein oder anderen in Vergessenheit geratenen Spieler wieder zu entdecken. Wie wäre es mit Dieter Versen: „Der VfL Bochum gewinnt 3:1 gegen Schalke 04 – mit einer absoluten Notelf. Erst in letzter Minute konnte man den eigentlich bereits ausgemusterten Dieter Versen ausfindig machen – er sitzt mit Freunden gemütlich in einer Kneipe“.

Dazu gibt’s die witzigsten Sprüche. Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: „Ich bin bei meinen Eltern und Großeltern groß geworden – na ja, groß geworden nicht so. Aber bei ihnen aufgewachsen.“ (Philipp Lahm in Anspielung auf seine Körpergröße von 1,70 m).

Meckernder Paul Breitner

Natürlich darf Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder nicht fehlen in „55 Jahre Bundesliga!“ Als Ex-Bayern München-Star Paul Breitner einst meckerte: “Du pfeifst wie ein Arsch”, antwortete Ahlenfelder schlagfertig: “Du spielst ja auch wie ein Arsch“. Zum “Kult-Schiri” wurde er, als er bei der Bundesliga-Partie zwischen Werder Bremen und Hannover 96 in der Saison 1975/1976 die erste Hälfte nach 32 Minuten abpfiff, dann doch weiterspielen ließ und schließlich 90 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit endgültig zur Halbzeit pfiff.

Fußball ist so viel mehr als Ergebnisse, Statistiken und Titel – Ben Redelings sei Dank zeigt sich hier: Es sind die Geschichten, die den Fußball rund machen. Was für ein wunderbares Buch. Für Bundesligajunkies genau die richtige Einstimmung auf das, was nun beginnt – nämlich das 56. Jahr der Fußballbundesliga.


Informationen zum Buch:

Ben Redelings
55 Jahre Bundesliga
Verlag Die Werkstatt, 2018
ISBN: 9783730703267


Über den Gastautor:

Florian Pittroff ist Magister der Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte und arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Journalist und Texter. Seine Buchbesprechungen waren unter anderem zu lesen im Kulturmagazin „a3kultur“ und im deutschsprachigen Männermagazin „Penthouse“.  Er verfasste Kulturbeiträge für das Programm des „Parktheater Augsburg“, war unter anderem verantwortlich für die Medien- & Öffentlichkeitsarbeit des kulturellen Rahmenprogramms „City Of Peace“ (2011) und die deutschsprachigen Slam-Meisterschaften (2015) in Augsburg. Florian Pittroff erhielt 1999 den Hörfunkpreis der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien für den besten Beitrag in der Sparte Kultur.

www.flo-job.de

Petra Gust-Kazakos: Gefahren des Lesens

Das Buch kann eine tödliche Waffe sein. Wer wissen will, wieviel Gefahr Gedrucktes in sich bergen kann, der lese diese Essays.

„Bücher zu lieben, um ihres Inhalts oder ihrer selbst willen, ist an sich noch nicht gefährlich. Und wenn ich Ihnen nun sage, dass sowohl vom Lesen als auch von den Büchern Gefahren ausgehen, die sogar tödliche Folgen haben können, klingt das vielleicht übertrieben. Doch Bibliophilie kann zu einer höchst gefährlichen Liebschaft werden, wenn sie sich zur Bibliomanie auswächst.“

Petra Gust-Kazakos, „Gefahren des Lesens“


Bücher, in denen das Lesen und das Medium Buch beinahe schon reliquienhaft hervorgehoben werden, gibt es viele: Üppige Bildbände mit Aufnahmen prachtvoller Bibliotheken, Erlebnisberichte passionierter Buchhändlerinnen, Einblicke in die Schreibstuben berühmter Schriftsteller, Anthologien über die Liebe zum Buch. Man kann durchaus von einem eigenen Genre reden.

Aber keiner dieser Autoren sagt einem, dass das Lesen auch eine höllisch gefährliche Angelegenheit und das Buch eine tödliche Waffe sein kann. So hat eine Gesamtausgabe Ringelnatz beispielsweise im Hause Böllinger einen Zehennagel ruiniert. Einen Warnhinweis auf dem Schuber – „Achtung, diese Bücher könnten Ihnen auf den Fuß fallen“ – fand ich jedoch nicht. Ebenso wenig warnte mich jemand vor dem Unmut von Umzugshelfern, der durchaus zu psychisch belastenden Situationen führen kann.

Eine Liebeserklärung an das Buch

Wer Bescheid wissen will, wieviel Gefahr so eine Ansammlung von Gedrucktem in sich bergen kann – der lese die Essays von Petra Gust-Kazakos. Vor richtigen, ernstzunehmenden und nachweisbaren Gefahren warnt die Bloggerin und Autorin in ihrem neuestem Werk – allerdings immer mit einem Augenzwinkern, kann sie doch ihre eigene Bibliomanie nicht ganz verbergen. Und so sind die Texte letzten Endes doch eines: Eine Liebeserklärung an das Medium Buch. Bereichert durch zahlreiche ernstzunehmende Daten und Fakten (keine fakes!), aber auch mit „Blüten“ und Anekdoten – insbesondere der Abschnitt über literarische Scherze hat es mir angetan.

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Bild von Daniel Nebreda auf Pixabay

„Gefahren des Lesens“ ist ein  unterhaltsamer und kluger Ausflug zu den dunkleren Seiten dieser mindestens drittschönsten Sache der Welt. Wer den Blog von Petra verfolgt, der weiß schon ein wenig, wie sie schreibt: Intelligent, spritzig, klug und charmant. Und so ist auch „Gefahren des Lesens“ ein Sachbuch, das weder belehrend und mit erhobenem Lehrerfinger geschrieben noch staubtrocken im Ton ist. Sondern eines, das man als Bibliophilin respektive Bibliomanin mit einem kleinen Schmunzeln liest – erkennt man sich doch ab und an auch in den beschriebenen Eigenheiten von Viellesern gut wieder.

„Erfreut sich der gewöhnliche Leser (Lector communis) noch weitgehend allgemeiner Munterkeit, so sieht es für den belesenen Viel-Leser (Lector multiplex) trüb und trüber aus (…). Unter Artgenossen fühlt er sich wohl, anerkannt und ganz in seinem Element. Doch außerhalb dieser kleinen Gemeinschaft gilt er als Exot, seine natürlichen Lebensräume schwinden und seine Arterhaltung steht nicht im Mittelpunkt des Interesses, weder gesellschaftlich noch politisch noch sonstwie.“

Der Vielleser als bedrohte Art sucht sich daher Leidensgenossen – und findet die oftmals, in dem er zu bloggen beginnt. Aber auch da lauern Gefahren, wie Petra weiß – sei es, dass man vor lauter lesen, bloggen und kommentieren kaum mehr unter Menschen geht oder sich mit dem Blick auf Klicks und Statistiken unter Stress setzt und damit die eigentliche Lust am Blog verliert.

Risiken und Nebenwirkungen

Allerdings sind das die kleineren Risiken und Nebenwirkungen, die mit dem Medium Buch zusammenhängen. Weitaus konkreter wird die Gefahr für „Leib und Leben“, wenn es um Schriftsteller und Journalisten in autoritären Staaten geht. Kann der Inhalt eines Buches zur politischen Waffe werden, lauert eine andere Gefahr in der Zensur. Dem ist ebenso ein Kapitel gewidmet wie dem Thema „Informationsfluß und Transparenz“. Petra schreibt anschaulich über wichtige Fragen, die man sich als Leser doch regelmäßig selbst auch vergegenwärtigen sollte – beispielsweise über die Entwicklung von Qualitätskriterien oder auch über den Einfluss von Kritik und öffentlicher Meinung auf die eigene Wahrnehmung beim Lesen eines Buches.

Vor der Gefahr, die unmittelbar von ihrem eigenen Buch ausgeht, hätte sie jedoch warnen müssen: Die zahlreichen Hinweise auf verlockende Lektüren, aus denen Petra Beispiele bringt, haben dazu geführt, dass „zwar nicht Angst essen Seele, aber Gier fressen Geldbeutel“ auf. Auch da wäre ein dicker Warnhinweis angebracht gewesen. Ansonsten aber finde ich die Einbandgestaltung gefährlich gut.


Bibliographische Angaben:

Petra Gust-Kazakos
Gefahren des Lesens
Verlag adson & fecit, 2016
ISBN: 978-3981659429