ANDREAS FISCHER: Die Königin von Troisdorf

In einem weiten Bogen erzählt Andreas Fischer die Geschichte seiner Familie von 1914 bis 2014: Wie sehr werden auch die nachfolgenden Generationen durch die Kriegstraumata der Großeltern und Eltern geprägt?

Die 1960er Jahre. Bundesrepublik Deutschland. Im rheinischen Troisdorf betreiben die Eltern des Erzählers ein gutgehendes Fotoatelier. Nach außen hin demonstriert man seinen Status: Häuser. Neues Auto. Sonntäglicher Kirchgang – zumindest der Frauen und des Kindes.

Doch hinter der gutbürgerlichen Fassade legen die Familienmitglieder verstörende Verhaltensweisen an den Tag. Was treibt die Eltern um, die den Zweiten Weltkrieg als junge Erwachsene erlebten? Warum verabscheut die Oma, die zwei Weltkriege erlebte, ihren Enkel?
Wie sehr ist das Gift des Nationalsozialismus bei diesen Menschen noch wirksam?

In einem weiten Bogen erzählt Andreas Fischer die Geschichte seiner Familie von 1914 bis 2014, vom Einsatz des Großvaters als Soldat im Ersten Weltkrieg bis zum Tod der Mutter. Der Autor verwebt Familienereignisse, die vor seiner Geburt lagen, mit Szenen aus seiner Kindheit und Jugend und Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen: Briefe des gefallenen Bruders der Mutter finden sich ebenso im Buch wie Unterlagen aus Militärarchiven.

DIE KÖNIGIN VON TROISDORF zeigt eindrucksvoll, wie sehr eine ideologische Verblendung und nicht verarbeitete, traumatische Kriegserlebnisse Familien über Generationen hinweg prägen.

Ein beeindruckender Debütroman.
Ein Kriegsenkelroman.

Zum Autor:

Bereits in mehreren Dokumentarfilmen beschäftigte sich der mit mehreren Preisen ausgezeichnete Filmemacher Andreas Fischer mit der Frage, wie sich kriegsbedingte Verluste und Traumata generationenübergreifend auf Familien auswirken, unter anderem in Söhne ohne Väter (3sat / SWR) und Der Hamburger Feuersturm 1943 (NDR).
Seit 1992 ist Andreas Fischer mit eigener Filmproduktionsfirma in Berlin ansässig:
www.moraki.de

Nominiert für die Shortlist beim Literaturpreis Ruhr 2022

In der Finalrunde für “Bonn liest ein Buch” 2023


Stimmen zum Buch:

“In seinen Dokumentarfilmen “Söhne ohne Väter” oder “Töchter ohne Väter” gibt er Kriegskindern das Wort. Themen, die traurige Aktualität haben und denen Andreas Fischer sich seit vielen Jahren widmet. Mit Katrin Heise spricht er über aufwühlende Interviews, Blicke ins Familienarchiv und die schwierigen Arbeitsbedingungen eines freien Filmemachers.”
Andreas Fischer in der einstündigen Sendung “Das Gespräch” – im Gespräch mit Katrin Heise bei RBB Kultur.

“Jeder, der so was auch nur im Ansatz selbst erlebt hat, wird von Fischers so nüchterner wie wirkungsvoller Prosa tief in der Seele angefasst.” – Sebastian Schoepp, Süddeutsche Zeitung

“Andreas Fischers Roman schildert eindrücklich eine westdeutsche Kindheit in den 60er und 70er Jahren: Für die Eltern dreht sich alles ums Fotogeschäft, der Sohn fühlt sich übersehen, von der Oma wird er gehasst. Markus Brügge stellt das Buch vor.” – Markus Brügge äußerst positiv im WDR, zum Nachhören hier: WDR 5, Scala

“Das Erzählen von dem Erlebten ist vielleicht schmerzhaft, aber wo geschwiegen wird, geht es in jedem Falle schlechter.” – Andreas Fischer im Interview im Bonner General-Anzeiger

Portraits erschienen unter anderem im “Tagesspiegel”, der Rhein-Sieg-Zeitung und der Rhein-Sieg-Rundschau.

“Der Autor wühlt nicht in Psychologie. Lakonisch schildert er seine Erfahrungen und überlässt es dem Leser, daraus Schlüsse zu ziehen. So gestaltet sich der Roman im Kopf
weniger als eine Erzählung denn als Reportage.” – Reinhard Kalb, Nürnberger Nachrichten

“Kurzum: ein wahrer und wahrhaftiger Ausnahmeroman!” – Die Lektorin Dr. Yvonne Schauch auf ihrem Blog

“Fischer schreibt das alles ohne erhobenen Zeigefinger oder ideologische Ermahnung an den Leser. So ist es gut erzählt und wird seine Wirkung nicht verfehlen.” – Harald Loch in der Aachener Zeitung

“Mit diesem Kriegsenkel-Roman von Andreas Fischer könnte eine neue literarische Generation angebrochen sein, die das Grauen und die Schrecken des 20. Jahrhunderts aus Sicht der deutlich Nachgeborenen thematisiert.” – Johannes Groß, lehrerbibliothek.de

“Das dramatische Psychogramm seiner Zeit und seiner verlorenen Kindheit (…)” – Franz Becker, Musenblätter

“Andreas Fischer hat in seinem autobiografischen Debutroman ein außergewöhnliches und dennoch paradigmatisches Werk geschrieben, dass hoffentlich eine breite Leserschaft erreicht. Was hier für die deutsche Kriegs- und Nachkriegsgesellschaft beschrieben ist, kann als universell gelten. Die Auswirkungen von Krieg und Zerstörung enden nicht mit dem Einstellen der Kampfhandlungen. Unter der Geißel der Menschheit leiden auch die Nachfolgegenerationen. Eine unbedingte Leseempfehlung!” – Sascha Thoma, koreander.net

“Mit „Die Königin von Troisdorf“ ist Andreas Fischer ein eindrucksvolles, sehr persönliches und tief bewegendes Zeitdokument der 60er und 70er Jahre gelungen. Er blickt nicht einfach nostalgisch zurück, sondern bringt die Verblendungen, Kälte und Verletzungen der Nachkriegsgenerationen ans Tageslicht. Ein faszinierender Roman und Schlüssel zum tieferen Verständnis dieser Zeit. Ein Buch, das geschrieben werden musste.” – Jörg Liesegang, Horatio Bücher

“Mit Die Königin von Troisdorf bringt Fischer der Leserschaft die Befindlichkeit der Kriegsenkel näher, forscht in der Familiengeschichte nach den Ursachen und tut das, was ihm strengstens verboten wurde. Obwohl „Hindenburg und Ludendorff“ immer schwere Geschütze aufgefahren haben, um genau das schon im Vorfeld zu verhindern, hinterfragt Fischer die Dinge und scheut die kontroverse Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen nicht.” – Helga Fitzner, Kultura extra

“Fazit: eine 3 Generationen umfassende Familiengeschichte, die man getrost als exemplarisch für diese Zeit nehmen kann. Ständig beschleicht eine beim Lesen das Gefühl der Allgemeingültigkeit des Erlebten von einem Erzähler, der das Herz am rechten Fleck hat.” – Buchhändler Martin Hungenbach, Das Worthaus

“Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, Erinnerungsfetzen fügen sich wie Puzzleteile zu einem berührenden und stimmigen Familien- und Gesellschaftsportrait.” – Buchhändlerin Sabine Piechaczek von der Buchhandlung Lothar Junius

“Andreas Fischer, der mit großen offenen Kinderaugen schreibt, vermeidet jegliche Psychologisierung, was gut ist. Am Ende des Buches, dessen Cover mich erst einmal abgeschreckt hat,, das ich dann aber mit großer Spannung und in einem Rutsch gelesen habe, sind alle diese Menschen tot. Andreas Fischer hat ihnen ein faszinierendes literarisches Denkmal gesetzt.” – Sabine Schiffner bei lovelybooks

“Nicht nur, weil ich im Rheinland geboren bin, musste ich dieses Werk lesen. Und was soll ich sagen: es hat mich sofort gepackt. Abwechslungsreich und intensiv wird man in das Leben des Erzählers und seiner Familienmitglieder in die verschiedenen Zeiträume und Handlungsorte mitgenommen. Durch Zeitdokumente und Bildmaterial werden die erzählten Eindrücke ergänzt und noch intensiver.
Eine tolle Aufarbeitung einer tragischen Familiengeschichte – eindrucksvoll geschrieben.”
– Buchhändlerin Simone Syska von Buch Otter (Ebersberg)

“Die Form ist eine brillante Entscheidung. Sie distanziert das Geschilderte und verhindert, dass Inhalt und Thema in einem überemotionalen, gefühlstriefenden Morast versinken. Der Leser wird auch genug durchgerüttelt, denn was Andreas Fischer zu berichten hat, führt in ein finsteres Tal, das er als Kind durchschreiten musste. Die Verlierer des Verwüstungskrieges haben ihre Wut an der nächsten Generation ausgelassen; und der übernächsten – unmittelbar oder mittelbar.” – Schriftsteller Alexander Preusse bei schreibgewitter.de

“Schmerzhaft und sehr detailgetreu wird die familiäre Situation beschrieben, dessen Epilog länger als der tatsächliche Epilog ist. Der Roman liest sich nichtsdestotrotz als Zeitdokument der 1970iger Jahre und den technischen Erfindungen, die Andreas eine neue Welt eröffnen. Fischer sucht die Nähe zu den Leser:innen in den Orten seiner Kindheit: Baggergruben, Kirchen, kleine Kinderzimmer, Küchen und die Straßen von Troisdorf. „Die Königin von Troisdorf“ ist harter Tobak, Fischer hinterfragt Glaubensgrundsätze und historische Ereignisse, er geht mit selbst dabei am härtesten ins Gericht.” – Katharina Peham, katkaesk


Bibliographische Angaben:

Andreas Fischer
Die Königin von Troisdorf
Wie der Endsieg ausblieb
eschen 4 verlag, Berlin
473 Seiten, Hardcover mit Lesebändchen, 22,50 €
ISBN: 978-3-00070-369-0
Erscheinungstermin: 31.3.2022

Kontakt zum Verlag:

eschen 4 verlag
Eschenstr. 4
12161 Berlin
030 81006740
verlag@eschen4.de
https://www.eschen4.de/

Presseanfragen und Rezensionsexemplare: Birgit Böllinger, Telefon 0821 4509-133, kontakt@birgit-boellinger.com

Ein Beitrag im Rahmen meiner Pressearbeit für den Verlag.

Ina Bruchlos: Suche Stehplatz Nord

Florian Pittroff hat wieder einmal ein Buch über seine größte Leidenschaft entdeckt: Ina Bruchlos schreibt in “Suche Stehplatz Nord” über die Leiden eines weiblichen FC St. Pauli – Fans.

Ein Gastbeitrag von Florian Pittroff

Florian Pittroff bekennt: “Ehrlich gesagt, war ich anfangs etwas skeptisch. Aber beim Lesen hat sich das schlagartig geändert. Nach der Lektüre der 26 Geschichten von Ina Bruchlos inklusive dem Nachwort von Dagrun Hintze war ich freudig überrascht und musste meine voreilige Kritik revidieren.”

Ina Bruchlos beschreibt in ihrem neuen Buch „Suche Stehplatz Nord“ das prekäre Dasein als Mensch, als Fan, als Lebewesen. Sie nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die vertrackten Windungen ihres Gehirns, das eines weiblichen, spät berufenen St. Pauli-Fans.

Das Fußballtaschenbuch ist spaßig und amüsant geschrieben, enthält Passagen über Leidenschaft und Hingabe. Es geht um Besserwisserei, um Ungewissheit und um die Suche nach dem Glück. In manchen Textpassagen spricht mir die Autorin aus dem Herzen. Alles schon selbst erlebte Geschichten über Fußball, Fans und Stadion – wunderbar zeitlos.

Mitfiebern, mitreden, mitgrölen

„Mann, das war Abseits, rufe ich. Zu spät. Schon fällt das Tor, das ich hätte verhindern können. Ein bärtiger Typ dreht sich zu mir um (…) Wenn der Ball aus der eigenen Hälfte kommt… Ich sehe auf seine Mütze und ich sehe seinen Bart, während die Worte bruchstückhaft mein Gehör streifen (…) Natürlich kommt der Ball aus der eigenen Hälfte. Wenn Himmelmann den Ball zu Kalla wirft, kommt der Ball aus der eigenen Hälfte. Soll man den Ball deshalb liegen lassen?“

Als Fußballfan denkt man wirklich so – es war halt Abseits – es war immer Abseits, wenn es der eigenen Mannschaft schadet – voll den Nagel auf den Kopf getroffen!

Auch für Fans gibt es eiserne Regeln

Begeistert hat mich u.a. auch die Geschichte „Was ich tun muss“. Dabei geht es um Regeln, die man als Fan beachten sollte. Die Regeln sind natürlich nicht allgemeingültig und beziehen sich entweder auf Dinge, die man tun, oder auf Dinge, die man unbedingt vermeiden muss. Anzuwenden sind sie auf alle Fälle auf alle Fans:

„Ich darf mir keine Niederlage wünschen, auch wenn ich mittlerweile in einem selbstzerstörerischen Modus angelangt bin und verbittert denke, dass wir sie verdient hätten. (…) Ich muss meinen Gegengeradenschal tragen. Ich muss morgens aus meinem Totenkopf-Becher trinken.“

Und zur aktuellen Lage des Fußballs mit Geisterspielen und einer Atmosphäre wie beim Bezirksligaderby auf dem Land schreibt Ina Bruchlos:

„Irgendwann durften wir bestimmt wieder ins Stadion und irgendwann fiele bestimmt wieder ein Gegentor, während wir in der Bierschlange anstanden. Das wäre ungerecht und der Freistoß, der dieser Schweinerei vorangegangen war, natürlich auch. Ich konnte mir unsere fußballerische Zukunft nur bedingt vorstellen“.

Das mit dem Anstehen in der Bierschlange und dem dann obligatorischen Tor ist leider wirklich so.
Fazit: Unterhaltsame Lektüre, man kann schmunzeln, lachen und sich vor allem wiedererkennen! Geschenktipp für Fußballfans und solche, die es werden wollen.


Informationen zum Buch:

Suche Stehplatz Nord
Ina Bruchlos
25 Geschichten über den FC St. Pauli.
Minimal Trash Art, 2020
ISBN 978-3-9814175-4-8


Über den Gastautor:

Florian Pittroff ist Magister der Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte und arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Journalist und Texter. Seine Buchbesprechungen waren unter anderem zu lesen im Kulturmagazin „a3kultur“ und im deutschsprachigen Männermagazin „Penthouse“.  Er verfasste Kulturbeiträge für das Programm des „Parktheater Augsburg“, war unter anderem verantwortlich für die Medien- & Öffentlichkeitsarbeit des kulturellen Rahmenprogramms „City Of Peace“ (2011) und die deutschsprachigen Slam-Meisterschaften (2015) in Augsburg. Florian Pittroff erhielt 1999 den Hörfunkpreis der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien für den besten Beitrag in der Sparte Kultur.

www.flo-job.de

Hilmar Klute: Oberkampf

In „Oberkampf“ erzählt Hilmar Klute von der „Generation Agentur“ in Zeiten des Terrors. Von Charlie Hebdo und einem Mann auf Sinnsuche in Paris.

„Jonas bekam wieder richtig Lust, sich mit Steins egomanischer Literatur zu befassen. Hatte der Alte denn nicht recht? Galt es nicht, sein eigener Roman zu werden, losgelöst von den Zumutungen der Geschichte und der Wirklichkeit?“

Hilmar Klute, “Oberkampf”


Was anfangen mit einem Leben, wenn man mit Anfang 40 schon alles hat und einen im Grunde nichts mehr interessiert? Leidenschaften und Träume mit dem „modernen Erfolgsmenschenalltag“ nicht kompatibel sind? Hilmar Klute, Chef der Streiflicht-Redaktion der Süddeutschen Zeitung, begeisterte mit seinem federleicht geschriebenen Romandebüt „Was dann nachher so schön fliegt“ Kritik und Leser gleichermaßen. Dort stand dem Protagonisten noch die ganze Welt offen, waren Träume – unter anderem vom Dasein als Schriftsteller – noch möglich. In seinem zweiten Roman, „Oberkampf“, sendet der Schriftsteller nun einen rund 20 Jahre älteren Protagonisten auf Sinnsuche, einen, der seinem selbstgeschaffenen „Museum der Ereignislosigkeit“ entkommen und ebenfalls als Schriftsteller leben möchte.

Ein Neuanfang an der Seine

Jonas Becker, ein typischer Vertreter der „Agenturen-Generation“, lässt Frau, Job, Wohnung, sein ganzes bisheriges Leben in Berlin zurück, um in Paris neu anzufangen. Der Zufall will es, dass er in der Nacht vor dem Attentat auf die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in der französischen Metropole ankommt und sein kleines Appartement in der Rue Oberkampf nahe der Redaktion liegt. Der Anschlag ist ein Ereignis, das die jungen Franzosen, die Jonas in dieser Nacht kennenlernt, bis auf den Kern erschüttert. Insbesondere Christine, die später seine Geliebte wird, will wissen, woher der Hass und der Zorn aus den Banlieues stammen. Jonas dagegen verfolgt die Vorgänge, die Welle der Gewalt, beinahe kalt und analytisch: „Er konnte nichts mehr für dieses Land tun – dieser Gedanke, der aberwitzig und anmaßend war, begann sich in seinem Kopf festzusetzen.“  Für Jonas scheint es klar, dass der Terror, der in jenen Tagen in die europäischen Städte einzieht, sich nicht auf eine Weise erklären ließ, „die über das bloße soziologische Ereignis hinausging“.

Bild von Walkerssk auf Pixabay

Ebenso distanziert und beinahe gleichgültig geht Klutes Protagonist jedoch nicht nur mit den politischen Ereignissen um, sondern auch mit den kleineren und größeren menschlichen Katastrophen, die sich in seinem Leben ereignen. Angetreten in Paris, um die Biographie eines egomanischen Schriftstellers zu schreiben, verliert Jonas bald das Interesse an dem Job und dem von ihm bewunderten Richard Stein. Zwar begleitet er diesen auf dessen Suche nach dem drogenabhängigen Sohn in die USA, doch auch dort bleibt er auf Abstand, betrachtet er die Welt distanziert: „Es gab kaum etwas Falscheres auf der Welt als diese Landschaft“.

Midlife-Crises mit kleineren Längen

Bei einem schlechteren Erzähler als Hilmar Klute könnte sich die Beschreibung eines gelangweilten Mannes in vorgezogener Midlife-Crisis schnell auf das Gemüt des Lesers schlagen und Langeweile bei der Lektüre verursachen. Doch Klute hat seinen Stoff gut im Griff, bis hin zur bitteren Pointe ganz am Schluss: Jonas, endlich bereit, sich wirklich von allen Lebensfesseln zu befreien, betritt den Pariser Club Bataclan, um ein Konzert der Band „Eagles of Death Metal“ zu besuchen …

Klute lässt seinen neuen Protagonisten nicht mehr so hoch und leicht und unbeschwert fliegen, vielmehr ist nun eine leise, untergründige Melancholie in sein Schreiben eingezogen. Dieses Psychogramm eines überdrüssigen, am Leben eigentlich unbeteiligten Mannes stellt ganz leise und behutsam entscheidende Fragen: Unter anderem die, wie man sein eigenes Leben mit Sinn und Gehalt erfüllen will, wenn der Tod in Form des Terrors hinter jeder Clubtür lauern kann.

Aber wie der Vorgänger, an dem jeder Roman eines Schriftstellers gemessen wird, ist auch dies ein Buch, das durch seine wunderbare Sprachkraft glänzt. Ganz wenige missglückte Bilder (was ist ein „entzündlich glänzender Mann“ oder warum muss die Metro als „immer bereit gestellter Fahrdienst“ bezeichnet werden?) durchbrechen diese ausgefeilte Sprache, in die man gut und gerne abtauchen kann. Hilmar Klute verbeugt sich mit seinem zweiten Roman auch vor Leonard Cohen, dem im Buch eine wunderbare Referenz erwiesen wird. Da gibt es Parallelen: Beide Künstler sind Suchende, Zweifelnde, Hinterfragende, die mit dem wunderbaren, einzigartigem Talent gesegnet sind, der Melancholie ihre Schönheit zu belassen.


Bibliographische Angaben:

Hilmar Klute
„Oberkampf“
Verlag Galiani Berlin, 2020
Gebunden, Lesebändchen, 320 Seiten, 22,00 Euro
E-Book 18,99 Euro
ISBN 978-3-86971-215-4

Bärbel Schröder: Mutterzeit

Zutiefst berührt war Gastautorin Gudrun Glock von diesem Buch: Bärbel Schröder erzählt von den letzten Jahren ihrer Mutter, poetisch und ohne Pathos.

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Bild von Sabine van Erp auf Pixabay

Ein Gastbeitrag von Gudrun Glock

Die Autorin Bärbel Schröder wurde 1955 in Bonn geboren, arbeitet als Fernsehautorin und Regisseurin. Zwanzig Jahre hat sie ihre Mutter beim Altwerden begleitet und es als großes Privileg empfunden, ihr bis zum Abschied so nahe zu sein.

„Dem Tod kann man zustimmen, beim Sterben wird es schon schwieriger“, beschreibt die Autorin ihre Gespräche mit ihrer Mutter. Aber sie fügt auch hinzu „am Ende war alles ganz leicht“. Mit einfühlsamen Worten beschreibt Bärbel Schröder die Poesie des Älterwerdens. Und das macht sie so bezaubernd und ohne Pathos, dass es mich zutiefst anrührt. Und ich weiß nicht, was mich dabei mehr bewegt: Die Geschichte eines alten Menschen oder die Erkenntnis, dass wir alle dieser Mensch sind.

Mutterzeit

Lass uns zusammenziehen, bevor es zu spät ist, bittet die Tochter ihre Mutter. „Das können wir machen, wenn wir alt sind“, sagt Schneckchen, wie die Autorin ihre Mutter liebevoll nennt. Leider haben sie den Zeitpunkt dann doch verpasst. Nach einem unvorhergesehenen Krankenhausaufenthalt, bleibt nur noch das Seniorenheim. „Ich hatte immer etwas Besseres für Mutter gewollt. Ein Umzug ins Altenheim stand nicht auf meiner Liste“, schreibt Schröder mit Bedauern. Ob Betreuerinnen, Pfleger, Heim-Clowns, Mitbewohnerinnen und -bewohner, Weihnachtsfeste oder Ausflüge, alles wird sehr lebendig vor dem inneren Auge des Lesers.

Anfangs fühlt sich die Mutter tatsächlich ganz wohl im Heim. Aber das angenehme Heimleben verändert sich immer wieder. Menschen kommen und gehen und auch geschlossene Freundschaften lösen sich. „Du, Bärbel, jetzt muss ich noch mal fragen, wo sind wir hier eigentlich?“. Obwohl hier die leichte Demenz der Mutter zum Ausdruck kommt, muss ich doch unvermittelt schmunzeln. Und wenn Schneckchen konstatiert, „ich bin 91, da wird man ein bisschen kresi“, macht sich ein Grinsen auf meinem Gesicht breit.

Vieles lässt mich aber auch nachdenklich werden. „Tröste mich!“, bittet die Mutter beim allabendlichen Telefongespräch ihre Tochter und verrät ihr, dass sie so oft Heimweh verspüre, aber nicht wüsste wonach und selbst nicht verstehe, warum sie so traurig sei.

So achtsam sind die Worte gewählt, welche den Alltag der beiden beschreiben. „Das Schönste am Leben, Kindchen (…), ist doch nicht, was man erreicht hat, das Schönste ist, dass man lebt“, hat Schröders Mutter einmal gesagt. Das ist sehr berührend und lässt vieles in einem anderen Licht erscheinen.

Gudrun Glock

Gudrun Glock  lebt und arbeitet bei Augsburg, wo sie für ein Augsburger Magazin  Beiträge, Buchrezensionen und die Kolumne „Nahrungskette“ schreibt. Ihr Hauptinteresse und Betätigungsfeld gilt dem Ernährungsaspekt der Ayurvedischen Lehre. Sie sagt dazu: „Wir kommunizieren während des Essens. Und Essen selbst bedeutet Kommunikation. Deshalb könnte man auch sagen, das zentrale Thema meiner Arbeit ist die Kommunikation, denn das ganze Leben ist Kommunikation.“
Homepage: http://augsburg-ayurveda.de/ 

Informationen zum Buch:

Bärbel Schröder
Mutterzeit
Vom Glück, meine Mutter in ihren letzten Jahren zu begleiten
Knaur HC | Erscheinungstermin 01.04.2020
368 Seiten
ISBN: 978-3-426-21470-1

Bill Clegg: Neunzig Tage

“Neunzig Tage” sind die magische Zahl: Bill Clegg erzählt vom Kampf um Nüchternheit nach dem Entzug. Ein Buch, das mich nicht restlos überzeugte.

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Bild von Markus Spiske auf Pixabay

„Neunzig Tage ist haarsträubend ehrlich, ein Drahtseilakt auf Messers Schneide, eine Balance zwischen dem Wunsch nach Sucht und dem nach einem neuen Leben, doch das eigentliche ist die tiefe Emotionalität, die den Leser so berührt, mitreißt, die einen so nah ran kommen lässt, mitten ins Geschehen. (…)
Bill Clegg erzählt brutal ehrlich, voll literarischer Sensibilität und erschütternd authentisch eine wahre Geschichte. Seine Geschichte.“

Bill Clegg, „Neunzig Tage. Eine Rückkehr ins Leben“


Ausnahmsweise zu Beginn einmal kein Zitat aus dem Buch, sondern aus dem dazugehörigen Klappentext. Weil das Mitreißendste an diesem Buch für mich diesmal der Klappentext war. Brutal ehrlich übertrieben. Da hat sich jemand wirklich ins Zeug gelegt.

Gut, Klappentexte sind Reklame, müssen werberisch und marktschreiend daherkommen. Keiner wird ein Buch anpreisen mit den Worten: „Dies ist die wahre Geschichte eines Mannes, der nach Crack und Alkohol süchtig war, alles verloren hat – Beziehung, Freunde, Job, Wohnung – sich berrappeln muss, eine neue Existenz aufbauen muss, zunächst ein mitreißendes Buch über seinen Weg in die Sucht schreibt, als Literaturagent weiß, wie sich das verkaufen lässt, und dann offenbar – vielleicht auch als Therapie – ein zweites Buch über den harten Weg des Entzugs nachlegt, das nun aber eher flüchtig geschrieben erscheint, in dem wenig reflektiert wird, das eher eine Aneinanderreihung von Begegnungen und Ereignissen ist, das letztendlich eine Beschreibung einer Lebensphase, wenn auch einer sehr harten, von einigen Monaten ist, das aber auf den Leser eben weder erschütternd, noch emotional, literarisch sensibel oder gar tief berührend wirkt, außer er hat vorher noch nichts zum Thema gelesen.“ Das wäre freilich kontraproduktiv. Dennoch – zwischen dem Erstling „Portrait eines Süchtigen als junger Mann“ und dem Nachfolger „Neunzig Tage“ sowie dem dazugehörigen Klappentext klaffen Welten. Finde ich.

Eine Flut an Aufarbeitungsliteratur

Das ist so ein wenig die Crux mit Bekenntnis- und Aufarbeitungsliteratur. Es gibt eine Flut davon. Beim überwiegenden Anteil denkt man sich: Wenn es der Autorin, dem Autoren gut tat, das Buch zu schreiben, dann hat es einen Zweck erfüllt. Aber nicht alles davon – oder besser: wenig davon – ist wirklich großartige Literatur. Aus der Masse der bekennenden autobiographischen Aufzeichnungen ragen selten wirklich auch literarisch anspruchsvolle Bücher heraus. Noch seltener sehr gute.

„Neunzig Tage“ gehört nicht dazu. Freilich: Es ist lesbar. Routiniert geschrieben. Man merkt Bill Clegg an, dass er die Literaturszene kennt, dass das Schreiben und die Literatur zu seinem Alltag gehörte – vor dem Absturz und inzwischen wieder. Doch die knapp 200 Seiten, die er mit dem anstrengenden Weg nach der Entzugsklinik füllt, indem er beschreibt, wie er sich so etwas wie einen Alltag wieder erkämpft, ließen mich eigenartig unberührt zurück. Mein erster Gedanke nach der Lektüre: Irgendetwas fehlt.

Überall lauern Trigger auf den Süchtigen

Clegg schildert, wie er nach der Klinik zunächst im Arbeitsstudio eines Freundes unterkommt, sich eine eigene Wohnung besorgt, einen „Paten“ zugesprochen erhält, zu Selbsthilfegruppen geht, dort Leute kennenlernt, die – wie er – jeweils gegen den nächsten Rückfall kämpfen, wie er selbst mehrfach von der Sucht wieder eingeholt wird und dann wieder aufsteht, bis er letztlich sagen kann: „Neunzig Tage“. Diese neunzig Tage sind die magische Zahl, die es ohne Drogen und Alkohol zu überstehen gilt, um aus „dem Gröbsten“ heraus zu kommen. Wie er sich letztlich zu diesen neunzig Tagen durchkämpft, ist jedoch mehr eine Aneinanderreihung von äußerlichen Erlebnissen – er erzählt von Begegnungen mit Freunden, die ihm das Vertrauen nicht entzogen, vom Vermeiden von „Triggerzonen“, von Verkauf des Familiensilbers, um seine Miete bezahlen zu können – und wie ein Teil des Geldes prompt in der Crackpfeife aufgeht, ein brutaler Rückfall erfolgt. Er erzählt vom Fallen und Wiederaufstehen, von der Freundschaft zu einer Abhängigen, die fast zu Tode kommt, von Freunden, die vom Tod gezeichnet sind und anderen, die es, wie er, schließlich schaffen. Man könnte auch sagen: Er berichtet von dramatischen Ereignissen beinahe so distanziert, als würde er in der Rückschau die Person betrachten, die er einmal war – und dabei gleichzeitig auf Abstand halten, weil diese Person ihn zu sehr verletzte. Statt tiefer Emotionalität – wie im Klappentext beschrieben – eher eine distanzierte Außenschau, der Leser dabei selbst beinah wie ein Voyeur.

Bei all den äußerlichen Beschreibungen bleibt die innere Reflexion zurück. Aber vielleicht ist dies so, wenn man gegen den Dämon Sucht ankämpfen muss: Dass man anfangs zunächst nur zusehen kann, dass man überhaupt über-lebt. Dass da wenig Raum bleibt, um zu reflektieren – sondern nur Raum, um Tag für Tag zu schaffen. Neunzig Tage.

Der Weg zurück ins Leben

Was letzten Endes für Bill Clegg der Schlüssel war, um seinen Weg zurück ins Leben zu finden, auch das bleibt im Ungefähren. Hier jedoch mit einer Begründung an seine Leser:

„Für einen Monat war ich auf einer Insel, wo es keinen Treffpunkt für heilungswillige Alkoholiker und Süchtige gab. Wenn man aus dem Schmerz lernt, dann war die schmerzliche Lektion des Inselaufenthalts, dass ich auf diese Treffen, auf die Süchtigen und Alkoholiker angewiesen bin. Ich brauche sie wie Sauerstoff. Ganz gleich, wie wohl, wie clean, wie obenauf ich mich fühle. Es gibt viele Heilungsprogramme. Kostenpflichtig, unentgeltlich, anonym und nicht anonym. Ich sage hier nicht, an welchem ich teilnehme, weil ich nicht möchte, dass das Programm für irgendetwas, was ich sage, tue oder schreibe, verantwortlich gemacht wird. Nichts soll Sie daran hindern, es zu finden, wenn es Ihnen helfen kann. Alkoholiker und Süchtige legen sich schon genug Steine in den Weg zu ihrer Besserung, da möchte ich keine hinzufügen.“

Insofern ist „Neunzig Tage“ keine Empfehlung, die ich Lesern weitergeben würde, die hoffen, auf ein sensationell geschriebenes Buch zu stoßen. Wer Literatur zur Thematik sucht, die zudem sprachlich herausragend ist, dem sei dagegen noch einmal Schluckspecht ans Herz gelegt.


Informationen zum Buch:

Bill Clegg
Neunzig Tage
Übersetzt von: Malte Krutzsch
S. Fischer Verlag, 2014
ISBN: 978-3-10-010949-1