ROLF FISCHER: Das Wunder vom Sparrplatz

Von den Leuten im Wedding, von seinen Spaziergängen durch den Kiez, von seinen Kindern und den Begebenheiten des Alltags erzählt der Blogger “Kafka on the road” auf eine ganz eigene Art und Weise. Seine besten Geschichten finden sich nun in dem Buch “Das Wunder vom Sparrplatz”.

“Als wir rauskommen, hat es weiter geschneit. Der Kinderwagen ist so eingepudert wie der Strudel. Mein Kleiner läuft ein Stück an meiner Hand. Stapft ungläubig durch das Weiß – heute ist der erste Tag in seinem Leben, an dem er im Schnee laufen kann. Die Straße ist immer noch leer und still, aber das Licht der Gaslaternen fällt warm auf uns. Es würde mich nicht wundern, wenn auf einmal der Weihnachtsmann auf seinem Schlitten angeschwebt käme und neben uns landete, die Leute freundlich lachend aus den Häusern kämen und sich umarmten. Weil heute so ein wunderbarer Tag ist – mitten in Berlin.”

Rolf Fischer, “Das Wunder vom Sparrplatz”


Manchmal sind es eben diese Kleinigkeiten, die das Leben so lebenswert machen und selbst am Berliner Sparrplatz für Wunder sorgen. Seien es die roten Backen eines Kindes, die Wärme in einem schönen Café, ein leckerer Strudel, der erste Schnee. Von diesen kleinen Wundern und anderen Begebenheiten erzählt Rolf Fischer seit Jahren auf seinem Blog “Kafka on the road”. Ich bin schon lange eine treue Leserin dieses Blogs, habe über die kleinen Kalamitäten, die dem Herrn mit seinem Alias “eimaeckel” geschehen, geschmunzelt, das größer werden seiner Kinder mitverfolgt, über die Berliner Geschichten herzhaft gelacht. Und obwohl wir uns bisher nur einmal begegnet sind, und das nur kurz beim Kultursalon von Susanne Haun, ist mir dieser Berliner Spaziergänger mit der Zeit doch recht vertraut geworden. Und so habe ich mich sehr gefreut, als von Rolf die Anfrage kam, ob ich ihn bei seinem Buchprojekt ein wenig unterstützen könnte.

Vor allem für seine Kinder, aber auch für andere interessierte Leserinnen und Leser wollte Rolf ein “best of” seiner Bloggeschichten. In über zehn Jahren ist da einiges entstanden – wir haben gesichtet, sortiert und einen roten Faden gesucht. “Das Wunder vom Sparrplatz” enthält nun 28 Erzählungen, die – in meinen Augen – auch Menschen berühren und anrühren können, die das Blog “Kafka on the road” vielleicht (noch) nicht kennen. Warum, das habe ich auch versucht, in meinem Vorwort zum Buch auszudrücken:

„Das Wunder vom Sparrplatz“, das sind Erzählungen eines Vaters aus dem rauen Berliner Stadtteil Wedding. Das ist ein Vater mit Leib und Seele und aus ganzem Herzen. Ein (manchmal etwas melancholischer) Single-Mann, der allein oder mit seinen Kindern durch seinen Kiez im Wedding streift. Dabei richtet sich seine Aufmerksamkeit ganz auf das Leben auf der Straße, auf die kleinen Alltagsszenen, die sich in den Cafés seines Viertels, beim Friseur oder auch am Spielplatz entfalten. Ein Flaneur mit Kinderwagen.

Dieses Auge für die kleinen Alltagsgegebenheiten, die Beobachtungsgabe und der warme Humor, die aus den Erzählungen sprechen, das ist es, was mir an diesem Blog gefällt – auch als Nicht-Berlinerin. Und was auch das Buch “Das Wunder vom Sparrplatz” lesenswert macht.

Ohne Matthias von Newington Blue Press wäre das Ganze jedoch nie zum Buch geworden: Er gestaltete das Cover, sorgte für den ansprechenden Satz und half Rolf Fischer zudem bei seinen ersten Schritten als Selfpublisher. “Das Wunder vom Sparrplatz” also auch eine wundervolle Blogger-Zusammenarbeit.

Wo und wie es das Buch zu erwerben gibt, hat Rolf auf seinem Blog beschrieben:
https://kafkaontheroad.blog/2021/12/10/aus-der-weihnachtsbackerei/


Bibliographische Angaben:

ROLF FISCHER

Das Wunder vom Sparrplatz
Selbstverlag bei bookmundo.de
ISBN 9789403644677
80 Seiten, 8,50 Euro


Buchprojekt in Zusammenarbeit mit dem Autor

Ferdinand von Schirach: Terror

Ferdinand von Schirachs „Terror“ ist von bedrückender Aktualität. Der Text stellt die Frage nach Sicherheit versus Freiheit, der Leser wird zum Geschworenen.

Florian_Schirach
Bild: Florian Pittroff, https://flo-job.de/

Ein Beitrag von Florian Pittroff

Ferdinand von Schirachs „Terror“ ist ein Buch von bedrückender Aktualität. Plötzlich hat man Paris wieder vor Augen. Der Text stellt die Frage, wie wir künftig leben wollen. Muss man sich in Zeiten wie diesen für die Freiheit oder für die Sicherheit entscheiden? Ist die Würde des Menschen trotz Terror unantastbar oder doch antastbar? Schirach macht die Leser zu Geschworenen.

Entführtes Passagierflugzeug als Waffe

Der Plot: Auf dem Flug von Berlin nach München bringt ein Terrorist eine Lufthansa-Maschine in seine Gewalt und will sie über der Allianz-Arena bei München abstürzen lassen. Und zwar während eines Länderspiels. Die Arena ist mit 70.000 Menschen restlos ausverkauft. Zwei Kampfjets der Luftwaffe versuchen, das Flugzeug zur Landung zu zwingen – ohne Erfolg. Sie eskortieren die Maschine und kurz vor dem Stadion beschließt einer der beiden Eurofighter-Piloten, den Airbus abzuschießen. Die 164 Insassen werden alle getötet – die 70.000 im Stadion werden jedoch durch den Abschuss alle überleben.

Aufgearbeitet wird die ganze Geschichte in einer Gerichtsshow. Das Spannende daran ist, dass der Leser als mündiger Bürger quasi im Saal dabei ist, in Entscheidungsprozesse eingebunden wird und Entwicklungen mitbekommt, in einem Moment noch den Verteidiger, im anderen Augenblick aber auch die Staatsanwältin versteht, sich in den Gewissenskonflikt  des Piloten einfühlen kann – oder eben nicht. Jeder kann für sich entscheiden.

Rede zum Attentat auf Hebdo

Die Aufgabe des Lesers wird durch die Plädoyers des Verteidigers und der Staatsanwältin nicht leichter. Oft hat man Aha-Erlebnisse, ist sich plötzlich ganz sicher: „Ja so ist das – man kann niemals ein Leben gegen ein anderes aufrechnen“. Und nur einen kurzen Moment später denkt man: „Doch das kann man nicht nur, das muss man sogar“. Der Zwiespalt wächst, die Unsicherheit wird größer, der Gewissenskonflikt hat einen fest im Griff: Wie wiegt man Menschenleben gegeneinander auf? Ferdinand von Schirach hält uns mit seinem Buch genau diese Frage vor Augen.

Ein tiefgründiges Buch, in dem Nüchternheit groß geschrieben wird. Für Emotion und Gefühl ist der Leser zuständig. Schirachs Rede auf Charlie Hebdo ist ebenfalls in diesem Band enthalten. Alles unbedingt lesenswert!

In der dramatischen Fassung geht “Terror” bereits um die Welt, das Theaterstück war und ist an zahlreichen Bühnen im In- und Ausland zu sehen. Und die Zuschauer werden jeweils direkt vor die Gewissensfrage gestellt: Was ist Schuld?


Informationen zum Buch:

Ferdinand von Schirach
Terror
btb Verlag, 2106
ISBN: 978-3-442-71496-4


Über den Gastautor:

Florian Pittroff ist Magister der Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte und arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Journalist und Texter. Seine Buchbesprechungen waren unter anderem zu lesen im Kulturmagazin „a3kultur“ und im deutschsprachigen Männermagazin „Penthouse“.  Er verfasste Kulturbeiträge für das Programm des „Parktheater Augsburg“, war unter anderem verantwortlich für die Medien- & Öffentlichkeitsarbeit des kulturellen Rahmenprogramms „City Of Peace“ (2011) und die deutschsprachigen Slam-Meisterschaften (2015) in Augsburg. Florian Pittroff erhielt 1999 den Hörfunkpreis der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien für den besten Beitrag in der Sparte Kultur.

Homepage: www.flo-job.de