Ein Satz aus einem Gedicht von Günter Eich bildet nicht nur den Titel für das neueste Buch, das im noch jungen, unabhängigen Verlag osbert+spenza erschienen ist, sondern steht gewissermaßen auch für das Verlagsprogramm: “Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden”. Das erscheint zunächst paradox: Parallelen schneiden sich nicht. Erst in der Unendlichkeit und die ist weit weg. Oder überraschend nah, in uns selbst. In den geistigen Räumen können sich auch Parallelen schneiden, können wir Menschen begegnen, die zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort gelebt haben. “Das ist das Besondere an Literatur, sie ist grenzüberschreitend im besten Sinn”, sagt Peter Albrecht, Verleger von osbert+spenza. Dieses grenzüberschreitende Element, das Menschen über Länder und Kontinente hinweg verbindet, wird an allen vier Büchern, die bisher bei osbert+spenza erschienen sind, deutlich: In den Gesprächen mit Geflüchteten aus Syrien (Meine traurige Heimat), in den Auseinandersetzungen zwischen einem Winzer und einem ehemaligen Richter (Schweigenberg), durch die Musik der Gnawa in Marokko (Die sieben Farben der Nacht) und in den Resonanzen – literarische Antworten auf Texte aus der Gruppe 47 (Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden).




Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden
Hotel Kleber Post, Die Gruppe 47 in Saulgau
Texte & Resonanzen
Herausgeberin: Katrin Seglitz
Die Gruppe 47 war die vermutlich einflussreichste Schriftstellervereinigung der Nachkriegszeit. Hans Werner Richter hat Autorinnen und Autoren an verschiedene Orte in ganz Deutschland eingeladen, unter anderem nach Saulgau zu zwei wichtigen Tagungen: 1963 und 1977. An diese Tagungen knüpft Katrin Seglitz mit einem ungewöhnlichen Buch an: „Ich habe Schriftstellerinnen und Schriftsteller gebeten, auf einen Text aus der Gruppe 47 mit einem eigenen Text zu antworten. Ein reichhaltiges Buch ist entstanden. Die Lektüre ist ein Abenteuer. Sie ermöglicht die Wiederentdeckung von Texten der Gruppe 47, aber auch Einsichten in die unterschiedliche Art und Weise, zu ihnen in Resonanz zu gehen: kurz und knapp, ausführlich und verschachtelt, experimentell oder essayistisch.“
Mit den Textpaarungen:
Günter Eich – Walle Sayer
Ilse Aichinger – Beate Rothmaier
Helmut Heißenbüttel – Zsuzsanna Gahse
Gisela Elsner – Hermann Kinder
Peter Weiss – Wolfgang Hermann
Hubert Fichte – Peter Braun
Konrad Bayer – Bernadette Ott
Alexander Kluge – Felicitas Andresen
Johannes Bobrowski – Reiner Niehoff
Günter Grass – Nora Gomringer
Ingeborg Bachmann – Heribert Kuhn
Martin Walser – Peter Blickle
Otl Aicher – Thommie Bayer
Günter Eich – Volker Demuth
osbert+spenza 2022, ISBN 978-3-947941-03-2, 24.00 Euro
Hardcover, Lesebändchen, mit farbigen Illustrationen, 287 Seiten
Andreas Kirchgäßner: Die sieben Farben der Nacht – Marokkos Süden
Kaum ist der Ruf des Muezzins verhallt, erheben sich die Rasseln der Gnawa, die Schalmeien der Aissawa, die Trommeln und Geigen der Berber aus dem Atlas. Vielstimmig fallen sie der monotheistischen Stimme des Islam ins Wort.
Die Gnawa sind die Nachfahren schwarzer Sklaven. Ihre Kulte sind von den Traditionen der Berber beeinflusst und vom arabischen Sufismus. In Essaouira, einem wichtigen Zentrum der Gnawa, wird jedes Jahr eines der größten Musikfestivals auf afrikanischem Boden gefeiert: das viertägige Gnawa-Festival, zu dem bekannte Jazz- und Popmusiker aus aller Welt anreisen.
Eine „Lila“ der Gnawa dauert die ganze Nacht. Sieben unterschiedliche Geister (Mlouk) werden während der Zeremonie angerufen. Diesen Geistern sind sieben Farben und sieben Gerüche zugeordnet. Während sich die Teilnehmer in Trance tanzen, verbinden sie sich mit „ihrem“ Geist.
Andreas Kirchgäßner tauchte bei seinen ausgedehnten Reisen in den Süden Marokkos tief ein in die Welt der Gnawa und ihrer Musik. In Wort und Bild bringt er in diesem einzigartigen literarischen Reisebuch ihre Kultur zum Klingen. Kirchgäßner ist Autor und Dozent. Er verfasst Erstlesebücher, Jugendromane, Hörspiele und Features.
osbert+spenza 2020, ISBN: 978-3-947941-02-5, 24.00 Euro
Hardcover, Leinen mit Prägedruck, Lesebändchen, zahlreiche farbige Abbildungen, Glossar und Interview mit dem Musiktherapeuten Martin Kutterer. 175 Seiten
Katrin Seglitz, Schweigenberg
Roman
„Die Trauben fühlen sich wohl in ihrer Haut. Sie werden täglich runder, praller, saftiger. Der August macht wett, was das Frühjahr vermasselt hat. Der Winter war lang, der Juni verregnet, aber der August ist traumhaft.“
Arne Schütz ist Böttcher und hat einen Weinberg in Freyburg an der Unstrut. Als er in den Wald geht, um Holz zu holen für seine Fässer, trifft er Lutz Winter, den Mann, der ihn wegen versuchter Republikflucht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt hat. Plötzlich weiß Arne, was er will. Er will, dass Winter eine Ahnung davon bekommt, wie es ist, im Gefängnis zu sein.
Katrin Seglitz erzählt im Roman Schweigenberg von Nora Hard, die bis zur Wende Schuhmacherin war, von ihrer Enkelin Iris Perswall, die im Süden Deutschlands lebt, und von dem Winzer Arne Schütz. Die Wege der drei Menschen verflechten sich, es geht um Wege und um Schuhe, um Trauben und Wein, es geht um eine Vergangenheit, die noch nicht vergangen ist – und um die Frage, wer was erzählt und wovon geschwiegen wird.
Katrin Seglitz studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in München und Tübingen. Schweigenberg stand auf der Shortliste beim Thaddäus-Troll-Preis. Von 2014 bis 2021 war sie Mitherausgeberin des Literarischen Jahreshefts Mauerläufer. Ihre Erzählung Nuit Blanche wurde im Rahmen eines Wettbewerbs zu dem Hölderlinzitat „Wächst das Rettende auch?“ ausgezeichnet.
osbert+spenza 2019, ISBN: 978-3-947941-01-8, 22.00 Euro
Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 248 Seiten
Meine traurige Heimat war das schönste Land der Welt.
Jetzt ist es das Unglücklichste.
Geflüchtete erzählen von Syrien
Aufgezeichnet von Katrin Seglitz
“Meine traurige Heimat war das schönste Land der Welt. Jetzt ist es das Unglücklichste.“ Mit diesem Satz begann der Teilnehmer eines Deutschkurses seine Präsentation über Aleppo. Er wurde zum Titel eines Erzählprojekts mit Männern und Frauen aus allen Teilen Syriens.
Muna, Dersim, Khaled und andere sprechen von Syrien – dem Alltag und den Festen, dem Essen und den Schätzen, die in der Erde liegen und nach Regenfällen an die Oberfläche kommen. Und darüber, dass die Wände in Syrien Ohren haben. Sie erzählen vom Krieg, der Flucht und der Ankunft in Deutschland.
Das ermöglicht uns ein tieferes Verständnis, Voraussetzung für das gegenseitige Gelingen von Integration. Ein Gefühl von Zugehörigkeit entsteht, wenn erzählt wird und zugehört, wenn nachgefragt wird und erklärt, wenn ein Austausch stattfindet von Erfahrungen und Erinnerungen.
Hölderlin schreibt: “Viel hat von Morgen an, seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander, erfahren der Mensch.” Es ist kein Zufall, dass dieser Satz in der Friedensfeier steht, denn Austausch und Gespräch sind die Voraussetzung für Frieden.
In diesem Buch kommen syrische Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Sprachkurses zu Wort. Ihre Nachnamen werden nicht erwähnt, da sie immer noch die Verfolgung durch Assads Regime zu befürchten haben. Ihre Erzählungen wurden von der Schriftstellerin Katrin Seglitz aufgezeichnet und für dieses Buch zusammengestellt.
osbert+spenza 2018, ISBN 978-3-947941-00-1, 16.00 Euro
Softcover, viele farbige Abbildungen, 190 Seiten

Verlag osbert+spenza
Peter Albrecht
Federburgstraße 94
88214 Ravensburg
Telefon: 0171 37 85 604
Email: info@osbert-spenza.de
https://www.osbert-spenza.de/