Oxana Matiychuk: Rose Ausländers Leben im Wort

Der Ulmer Verlag „danube books“ ehrt Rose Ausländer zu ihrem 120. Geburtstag mit einer bezaubernden Graphic Novel.

„Leben im Wort“ zeichnet das wechselvolle Schicksal der Lyrikerin nach, das sie von der grünen Bukowina und vom multikulturellen Czernowitz in die USA und wieder zurück nach Europa bis hin zu ihrem Lebensabend in Düsseldorf führte. Ein steter Begleiter war dabei das Wort: Die Fülle der Gedichte von Rose Ausländer zeugt davon, wieviel sie zu sagen hatte, die Schönheit ihrer Sprache ist auch ein Indiz für diese besondere kulturelle Landschaft der Bukowina, die mit ihr und Paul Celan zwei der größten Dichter dieser Zeit hervorbrachte. Und die beide ihr Leben lang die Vertreibung aus „dieser friedlichen Hügelstadt/von Buchenwäldern umschlossen“ in ihren Zeilen verarbeiteten, sondern auch Vertreibung, Tod und Unbehaustheit im Exil.

Ihr Leben lang hatte Rose Ausländer Sehnsucht nach ihrer grünen Mutter, dem Buchenland der Bukowina. Bild von Dan Fador auf Pixabay

In dem oben zitierten Gedicht „Cernowitz vor dem Zweiten Weltkrieg“, das auch in der Graphic Novel zu finden ist, schreibt Rose Ausländer:

„Vier Sprachen
Verständigen sich
Verwöhnen die Luft

Bis Bomben fliegen
Atmete glücklich
Die Stadt“

Dr. Oxana Matiychuk, selbst in der Vielvölkerstadt, die heute zur Ukraine gehört, geboren, erzählt das Leben der Rose Ausländer chronologisch nach – von der behüteten Kindheit, die abrupt durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wird. Hier macht die junge Rose die erste Exilerfahrung, die Familie flieht nach Wien, kehrt aber in das Buchenland zurück. 1920 dann der zweite Wendepunkt durch den frühen Tod des Vaters, Rose Ausländer geht, wie viele andere auch, in die USA. Dies ist nicht die letzte örtliche Veränderungen in diesem von Veränderungen geprägten Leben – lange, bis sie in ein jüdisches Altersheim in Düsseldorf ging, lebte Rose Ausländer konsequent nur mit sieben Koffern in verschiedenen Pensionen. Immer abreisebereit, vielleicht auch immer auf der Flucht.

Leben der Dichterin wird chronologisch erzählt

Die Ausländer-Expertin Oxana Matiychuk – sie ist Dozentin am Lehrstuhl für ausländische Literaturgeschichte, Literaturtheorie und slawische Philologie der Jurij Fedkowytsch Universität Czernowitz, Leiterin der „Ukrainisch-Deutschen Kulturgesellschaft Czernowitz“ am Zentrum Gedankendach und verfasste mit ihrer Promotionsarbeit zur „Genese des poetischen Textes im Werk von Rose Ausländer“ die erste Studie in der Ukraine zum Leben und Werk der bukowinischen Autorin – erzählt das Leben der Dichterin chronologisch, auf die wesentlichen Fakten reduziert und doch mit einer Liebe für die wichtigen Details (z.B. die sieben Koffer), die nicht nur die Dichterin beleuchten, sondern auch einen Blick auf den Menschen dahinter ermöglichen.

Neben der Erzählung der Biographie führt die Graphic Novel auch in die Entwicklung von Rose Ausländers Schreiben, in ihr Leben mit den Worten ein. Dies alles ist in einer klaren Sprache verfasst, „in kunstvoller didaktischer Reduzierung, ohne jedoch zu simplifizieren“, wie Maria Dippelreiter schreibt. Und geradezu hinreißend sind Layout und Illustration dieser Graphic Novel, mit viel Liebe zu Details. Die beiden Künstler dahinter sind die mehrfach ausgezeichnete ukrainische Grafikdesignerin Olena Staranchuk und der Illustrationskünstler Oleg Gryshchenko. Gestaltung und klare Sprache machen dieses wunderbare Geburtstagsgeschenk für Rose Ausländer auch zu einem idealen Medium, um Leben und Werk auch jüngeren Lesern oder Menschen, die nicht viel von ihr kennen, näherzubringen.


Informationen zum Buch:

Oxana Matiychuk
Rose Ausländers Leben im Wort. Graphic Novel.
Mit Illustrationen von Olena Staranchuk und Oleg Gryshchenko.
Verlag danube books, Ulm, April 2021
ISBN 978-3-946046-27-1

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

14 Gedanken zu „Oxana Matiychuk: Rose Ausländers Leben im Wort“

  1. Pingback: Sätze & Schätze
  2. Danke für den Tipp, liebe Birgit.
    Gibt es irgendwo auch ein Beispiel für die Illustration zu sehen? Bei einer Graphic Novel finde ich immer interessant, wenigstens den Aufbau einer Seite zu sehen.
    Liebe Grüße sendet dir,
    Susanne

    1. Liebe Frau Matiychuck,
      das ist eine Premiere – der erste Kommentar aus der Ukraine. Es freut mich sehr, dass ich für Ihr schönes Buch den richtigen Ton anscheinend getroffen habe. Herzliche Grüße, Birgit Böllinger

  3. Liebe Frau Böllinger,
    schon zwei Jahre hintereinander wurde eine Reise mit Helmut Braun von der Rose-Ausländer-Gesellschaft coronabedingt verschoben, nun auf 2022. Ich hoffe, bis dahin gesund genug zu bleiben – und Czernowitz und liebe Menschen dort wiederzusehen.
    Es wäre für mich die vierte Reise dorthin.(Die erste war das verschiedentlich erwähnte Symposium zum 100. Geburtstag in Czernowitz, zu dem sorgar Nichte und Neffe von Rose Ausländer aus USA angereist waren.) Das Buch habe ich schon drei Mal verschenkt und sogar eine Buchhändlerin dafür begeistert.
    Christian Hinderer

    1. Lieber Herr Hinderer, dann drücke ich Ihnen beide Daumen, dass es mit einer Reise nach Czernowitz 2022 klappt. Ich war vor ca. 10 Jahren dort – es hat sich seither sicher viel verändert, aber der Ort atmet einfach Geschichte.
      Und schön, dass das Buch so gut bei Ihnen ankommt, das freut den Verleger sicher!

      Herzliche Grüße Birgit Böllinger

      1. Ja, die Abstände in den Jahren merkt man dort schon. Wie schon erwähnt: 2001, dann wieder 2009, zuletzt 2018. Wie gut, dass der Photograf und Maler Oleg Ljubkiwskyi so viel Geschichtliche Momente eingefangen und künstlerisch festgehalten hat, z.B. im Buch „Die Dankbare Bukowina“.Es entsteht auch Schönes wie das Rose-Ausländer-Denkmal in der Nähe des Türkenbrunnenplatz.

  4. Liebe Frau Böllinger,
    wissen Sie noch? Am 1. Juni 2021 wünschten Sie mir , dass die Reise 2022 endlich klappen würde. Fromme Wünsche, aber davor hat Gott einen ganz bösen Menschen gesetzt, der meint, „Brüder“ mit Gewalt umarmen zu müssen und deshalb Gruppenreisen unmöglich gemacht. Aber nicht mit mir – im September war ich einige Tage in Czernowitz, auch dank der Mut machenden Zeilen von Oxana Matiychuk . „Wie gut, dass Menschen noch ins Restaurant gehen“ war einer ihrer Einträge in der Süddeutschen Zeitung in ihrem „Ukrainisches Tagebuch“. Spürbar die Freude über Besuch!!
    Christian Hinderer

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