
MEIN schuh der
erste abdruck im schnee
Der tod will
seine grösse wissen
wenn er die wege räumt
Verse schaufelt er frei
und nichts ängstigt ihn mehr
als ein gedicht
Philipp Luidl, „das wort beim wort genommen“
Denn es sind auch Gedichte, die den Tod überdauern – und so hat der MaroVerlag mit dem neu erschienenen und schön gestalteten Band „das wort beim wort genommen“ dem 2015 verstorbenen Typografen und Lyriker Philipp Luidl ein wunderbares Andenken geschaffen. Der Band versammelt 150 Arbeiten aus den Lyrikbänden, die im MaroVerlag und einem weiteren Verlag erschienen sind sowie aus dem Nachlass – er ist sozusagen die Zusammenfassung eines Dichterlebens.
Luidl war Dozent für Typografie an der Akademie für das Grafische Gewerbe in München und Vorstandsmitglied der Typografischen Gesellschaft: Auch bei seinen Gedichten bewies er eine eigene optische wie inhaltliche Handschrift. In konsequenter Kleinschreibung, meist nur wenige Sätze, in denen komprimiert und kondensiert ein Bild transportiert, eine Stimmung ausgedrückt wird. Die Gedichte markieren Wegmarken: Szenen eines Lebens, Lieben, Reisen, Schreiben.
STAUB
Wie dicht ist doch
der text geworden
der auf den
schränken liegen blieb
Mit einer hand
wischt du ihn fort
wie alles leichte
das so schwer sich schrieb
Das Buch wurde auch beim „Aegis Literaturtalk“ in der Theaterei Herrlingen vorgestellt und stieß dort nicht auf ungeteilte Zustimmung: Dem Urteil „banal“ setzte Florian L. Arnold eine schöne Verteidigung entgegen – die Gedichte hätten ihn an ein „etwas vergilbtes, eingerissenes Foto“ erinnert, sie seien von einer wunderbaren Melancholie. Dem kann ich zustimmen: Es sind die Zeilen eines Mannes, der mehr und mehr beginnt, sich mit dem Vergangenen auseinanderzusetzen und sich dabei bereits auch auf sein Gehen vorbereitet. Zugleich aber wirkt dies nicht sentimental, sondern voller gelassener Zurückhaltung.
Im Jahr 2000 erschien beim MaroVerlag der erste Gedichtband Luidls. Damals schrieb Pia-Elisabeth Leuschner beim Rezensionsforum literaturkritik.de über die Gedichte:
„Diamanten wachsen langsam, aber zu struktureller Makellosigkeit. Sie sind durchsichtig und zählen zum Unverwüstlichsten, das wir kennen. Wenn sie entsprechend geschliffen werden, wirken sie als Linsen, die unsere Sicht schärfen. Philipp Luidls Gedichte sind solche Diamanten, bleibend wertvoll im Panorama der deutschen Gegenwartslyrik.“
Informationen zum Buch:
Philipp Luidl
das wort beim wort genommen
MaroVerlag 2020
Gebunden, Lesebändchen, 176 Seiten, 20,00 Euro
ISBN: 978-3-87512-483-5
Ich hab zwar so einiges aus dem Hause Maro, gab es doch eine Zeit, in der ich jedes Buch mit dem Logo unbesehen kaufte, doch Luidl ist da irgendwie nicht dabei. Ich setze ihn mal auf meine Liste. Danke.
Das ist eine ganz andere Lyrik. als Du sie schreibst – wäre spannend zu sehen, wie das Aufeinandertreffen zweier Generationen aussieht.
Zwei eindrucksvolle Stücke, danke Birgit!
In diesem Band habe ich so viele Gedichte gefunden, die ich hätte zitieren wollen – für mich eine richtige Entdeckung, dieser Autor
Liebe Birgit, die Gedichte, die du ausgewählt hast, gefallen mir sehr. Vor Meistern der Typografie habe ich eine natürliche Hochachtung, weil sie auf jeden Buchstaben und jeden Leeraum dazwischen acht geben. Leider hat es die Rezensentin, Frau Leuschner nicht ganz so genau genommen. Diamanten wachsen nicht langsam. Das sind Kristalle. Diamanten werden, wie mache Texte, blitzschnell und unter unvorstellbarem Druck geschaffen. 😉
Grüße aus Berlin
Rolf
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