Joshua Cohen: Auftrag für Moving Kings

Brillant erzählt, intelligent und unterhaltsam – aber dennoch hinterlässt das jüngste Buch von Joshua Cohen eine leichte Unzufriedenheit.

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Bild von Ulrike Leone auf Pixabay

„Es war unerklärlich, dass er zustimmte – und was er bei der Ankündigung von Yoavs Kommen empfand. Seine gierige Bereitschaft zwischen den erholsamen Dämmerphasen, dem Morphiumschlaf, der faden Diät, kein Nikotin, kein Alkohol. Es war eine Schwäche des Herzens. Während der Behandlung hatte er sich mit Sentiment angesteckt, mit Nostalgie, ein schlimmer Fall von Krankenhausinfektion. Aus dem Nichts hatte David plötzlich ein Sehnen verspürt, aber nicht nach Naheliegendem, sondern nach fernen Dingen.“

Joshua Cohen, „Auftrag für Moving Kings“

David King, ein älterer Transportunternehmer in New York, ein Selfmademan, einer, der den amerikanischen Traum lebte, vom Tellerwäscher zum Großunternehmer. Trinkt zu viel, raucht zu viel, isst die falschen Sachen, ist aber zu eingefahren, seinen Lebensstil zu ändern, selbst zu bequem, sein emotionales Leben in Ordnung zu bringen. Seine Exfrau hat ihn vor die Tür gesetzt, seine Geliebte, zugleich auch seine wichtigste Mitarbeiterin, die den Laden zusammenhält, hofft endlich auf etwas Verbindliches und seine Tochter ist nach Drogenabstürzen und Entzug ein emotionales Wrack. Da erscheint zum rechten Augenblick Yoav, der Neffe aus Israel, der sich nach seinem Militärdienst auf Orientierungssuche begibt. Er könnte für King, dessen Pumpe aufgrund seines Lebensstils in Streik geht, der Anlass für einen Neubeginn sein – doch hier nimmt das Buch eine neuerliche Wendung und rückt weitere Personen in den Vordergrund. Erzähltechnisch bedingt bricht die Geschichte Kings ab, baut sich zwischen den zwei Männern keine eigene Beziehung auf. Schade eigentlich.

In der Erzähltradition der großen amerikanischen Romanciers

Joshua Cohen steht einerseits in der Erzähltradition großer amerikanischer Romanciers wie Saul Bellow, Philip Roth, John Updike. Darüber hinaus jedoch gilt er auch als das Pendant zu David Forster Wallace, schreibt moderner, avantgardistischer als die Granden des amerikanischen Romans. Doch mit ihnen gemein hat er, dass er das Urbane in den Fokus nimmt, Männer mit Brüchen in den Lebensläufen und den Seelen in diese Welt stellt, meist jüngere beziehungsweise modernere Rabbitts. Cohen kombiniert einen messerscharfen Blick für das Alltägliche mit den gesellschaftlichen Megathemen – so eignet sich sein jüngster Roman, der in der deutschen Übersetzung von Ingo Herzke beim Schöffling Verlag erschien, natürlich dafür, um insbesondere den Folgen der amerikanischen Immobilienkrise, der Gentrifizierung und zunehmenden Obdachlosigkeit ihren Raum zu geben.

Eine sprunghafte Komposition

Doch daran kränkelt dieses Buch auch ein wenig: Es sind so viele Bücher in einem, zu viel wird angerissen, zu wenig auserzählt. Ähnliches bemerkte Ulrich Rüdenauer im WDR, den die Erzählkunst Cohens begeisterte, der aber an der Komposition des Buches als „einerseits zu ambitioniert, andererseits als zu sprunghaft“ seine Kritik hatte:

„Die Beschreibung der Wohnungsräumungen korrespondiert mit Yoavs Erinnerungen an die Militäreinsätze in den besetzten Gebieten, das äußerst robuste Vorgehen gegen die Palästinenser. Die eine Arbeit unterscheide sich kaum von der anderen, denkt Yoav. Man würde diesem inneren Konflikt gerne weiter folgen. Die Ängste, die Tragik, die Traumata Yoavs werden angerissen, aber nicht auserzählt. Am blassesten bleibt Avery Luter, die zuletzt eingeführte Hauptfigur. Cohen scheint zu sehr darum bemüht, verschiedenste gesellschaftliche Themenfelder in seinem Buch unterzubringen – Israel, Juden in der Diaspora, Gentrifizierung, Rassismus, das Auseinanderbrechen gesellschaftlicher Zusammenhänge. Jedes für sich genommen kommt dabei zu kurz.“

Vielleicht hätte Cohen, sonst auch eher ein Mann voluminöser Romane, schaut man auf das „Buch der Zahlen“ oder „Solo für Schneidermann“, einfach mehr Raum gebraucht. Gefolgt wäre ich ihm gerne: Denn Cohen ist ein starker und intelligenter Erzähler, hat eine Hand für Figuren, zeichnet plastisch, humorvoll, ironisch, zuweilen auch sarkastisch und ist bei allem Anspruch, den er an seine Leser stellt, immer auch wahnsinnig unterhaltsam.

Informationen zum Buch:

Joshua Cohen
„Auftrag für Moving Kings“
Aus dem Amerikanischen von Ingo Herzke
Schöffling Verlag 2019 (Link zum Buch mit Leseprobe)
Gebunden, 288 Seiten, 24 Euro
ISBN 9783895616280

Autor: Birgit Böllinger

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