
„Was ist die Zuchtstrafe für einen Mann von der universalen Bildung, von der vielleicht überraffinierten Kultur Oskar [sic!] Wildes? – Ob er zu Recht oder zu Unrecht verurteilt wurde, ob der famose Paragraph ins Mittelalter gehört oder nicht, ist ganz gleichgültig, sicher ist, dass diese Strafe für ihn tausendfach härter war als für jeden anderen!“
Hanns Heinz Ewers, „Die Herren Juristen“, 1905.
Es war nur eine kurze Episode in einem an wilden Episoden reichen Leben, aber eine einschneidende Zeit: 1897 trat der Rechtsreferendar Hanns Heinz Ewers eine vierwöchige Festungshaft auf der Festung Ehrenbreitstein an. Sie war Folge eines Händels, der zuvor fast anderthalb Jahre vor Gericht ausgefochten worden war. Ewers hatte eine spiritistische Sitzung gesprengt, ihm war der Bruch des Ehrenworts vorgeworfen worden, das Ganze mündete in ein Duell und schließlich in Verurteilung und Haft. Ewers, der schon zuvor eher durch Skandale denn durch fleißiges Studieren auf sich aufmerksam gemacht hatte, wurde aus dem Staatsdienst entlassen. Damit war der Weg als freier Schriftsteller, Kabarettist und Filmemacher vorgezeichnet. Ewers wurde zu einem der erfolgreichsten deutschen Autoren jener Jahre und vollends zu einem Dandy, der ein skandalumwittertes Leben führte.
Der Stephen King der deutschen Literatur
Ob für Ewers die vier Wochen Ehrenbreitstein „tausendfach härter“ waren als für andere der damals anwesenden Häftlinge, ist nicht überliefert. Aber das Szenario der Einkerkerung, des Eingesperrtseins, das griff der „deutsche Edgar Allan Poe“, der „Stephen King“ der „Goldenen Zwanziger“ immer wieder in seinen Texten auf.
Joseph Niesen (1871 – 1943) führt in ein Portrait des Schriftstellers mit diesen Worten ein:
„Hanns Heinz Ewers, zu Beginn des 20. Jahrhundert ein berühmter Avantgardist, war zu Lebzeiten ein ebenso umstrittener wie bewunderter Autor und Filmemacher. Sich selbst in der Nachfolge von E.T.A. Hoffmann (1776–1822) und Edgar Allen Poe (1809–1849) sehend, ist es sein Verdienst, das Phantastische mit der fesselnden Darstellungskraft seiner Sprache in den Deutschen Roman gebracht zu haben. Zudem machte er das deutsche Publikum als Herausgeber und Übersetzer mit der phantastischen Weltliteratur bekannt. Ewers führte ein unstetes, hedonistisches Leben, in dem er nichts auslassen wollte – Experimente mit Drogen eingeschlossen. Die Vielzahl seiner Begabungen spiegelt sich in der Vielzahl seiner Tätigkeiten wieder: vom Kabarettisten, über Drehbuchautor, Filmemacher, Herausgeber, Schriftsteller und Tänzer bis zum Schauspieler reichte das Spektrum seines Tuns. Ließ er sich auch kurzzeitig vom Nationalsozialismus verführen, so fand er durch seinen ausgeprägten Humanismus jedoch bald wieder zur Vernunft. Einst ein internationaler Star der „Goldenen Zwanziger“, gehört er heute zu den Vergessenen der deutschen Literatur.“
Seine Wiederentdeckung heute ist vor allem der Tätigkeit von Marcus Born und Sven Brömsel zu verdanken, die den Band „Lustmord einer Schildkröte“ für „Die Andere Bibliothek“ editiert hatten. Sven Brömsel veröffentlichte zudem im Deutschlandfunk eine „Lange Nacht“ über den „Stephen King des wilhelminischen Kaiserreichs“.
Festung Ehrenbreitstein heute Kulturzentrum
Die Festung Ehrenbreitstein, in der sich der Wandel Ewers vom angehenden Juristen zum freien Schriftsteller als Wendepunkt festmachen lässt, ist heuer noch – oder besser wieder – einen Besuch wert. Schon die Kelten und Römer hatten diesen Platz hoch über dem Rhein für sich gewählt, später entstand dort, gegenüber von Koblenz mit Blick auf den Zusammenfluss von Mosel und Rhein, eine mittelalterliche Burg und bis 1801 eine barocke Festung. Nach deren Zerstörung wurde 1817 der Grundstein für die Festung, wie sie heute zu besichtigen ist, gelegt, 2011 wurde sie für die Bundesgartenschau restauriert.
Von Koblenz aus kann man vom Rheinufer beim „Deutschen Eck“ mit der Seilbahn bekommen übersetzen – und erhält einen herrlich Blick über das gesamte Tal. Neben dem ausgiebigen Parkgelände bietet die alte Festung selbst, bereichert durch wechselnde Ausstellungen und die Häuser des Landesmuseums Koblenz, viel Sehenswertes. Besuchen sollte man auch den malerischen Ort unterhalb der Festung, dort, wo Sophie von La Roche lange Zeit ein offenes Haus unterhielt, das zum literarischen Treffpunkt jener Jahre wurde (Goethe war natürlich auch da).
Mehr zu Hanns Heinz Ewers:
Märchen aus seiner Feder: “Freche Fee und lustiger böser König”
Erzählungen: “Lustmord einer Schildkröte”
Portal zur Festung Ehrenbreitstein:
http://tor-zum-welterbe.de/kulturzentrum-festung-ehrenbreitstein/
wow, toller Beitrag, für mich ein neu entdeckter Autor – danke, so kann der Sonntag weiter gehen … LG
Fein. Ich empfehle einen Einstieg mit den Märchen … bevor man sich an die heftigeren Sachen wagt 🙂 Schönen Sonntag!
Super – danke Dir. Manchmal muss man tatsächlich einen sanfteren Einstieg wählen. Lieben Dank – und auch Dir einen wunderbaren Sonntag!