Mala Laaser: Karl und Manci

Die Novelle „Karl und Manci“ ist Auftakt einer neuen Buchreihe zur Literatur der Weimarer Republik. Vergessene Autoren wie Mala Laaser bekommen eine Stimme.

Maanci
Bild: (c) Michael Flötotto

Als ich von Jörg Mielczarek gebeten wurde, für seine Veröffentlichung von „Karl und Manci“ ein Nachwort zu schreiben, freute ich mich natürlich sehr. Zugleich aber zeigte es mir auch meine Grenzen auf: Nebenberufliches Bloggen über Literatur ermöglicht es häufig nicht, auch in die Tiefe zu gehen. So war ich bei meinen Recherchen zu Mala Laaser auf das Internet angewiesen – und hier sind Angaben zu dieser Autorin ziemlich rar gesät.

ABER: Mein Beitrag bewegte Anke Heimberg, Herausgeberin der Werke von Lili Grün und Victoria Wolff beim AvivA Verlag dazu, in die Tiefe zu gehen, mehr über Mala Laaser herauszufinden. Und so, durch einen Anstoß von Jörg Mielczarek, wird eine Autorin vielleicht doch wieder dem Vergessen entrissen.

„Wir wissen es: Die Zeit setzte ihren Spaten an und grub gewaltig den Boden um. Aus der Fülle der Geschicke, die sich dabei bildeten, herausgegriffen, soll euch jetzt hier die Geschichte von Karl und Manci, das Schicksal zweier Liebender in unseren Tagen, dargelegt werden.“

Mala Laaser, „Karl und Manci“, Hrsg. Jörg Mielczarek

Wenn man sich für die Literatur der Weimarer Republik interessiert, stößt man in der Fachliteratur, in Quellen und Zeitdokumenten immer wieder auf Namen, die auftauchen wie aus dem Nichts – und wieder im Nichts verschwinden. Oft sind es nur Fußnoten, beiläufige Bemerkungen, in denen Autoren erwähnt wird und ihre Talente gewürdigt werden. Menschen, die bereits erste Arbeiten veröffentlicht hatten, die vielleicht am Beginn einer guten Entwicklung standen, die auch von bekannteren Kollegen gefördert wurden. Und dann? Ihre Namen verschwinden ab 1933 aus der Öffentlichkeit und dem Bewusstsein, sie werden vergessen, ihre Träger meist in den Konzentrationslagern ermordet, auf der Flucht getötet, im Exil verschwunden, verloren gegangen.

Einer, der sich seit Jahren mit dieser Literaturepoche beschäftigt und durch seine Arbeit die Erinnerung an Schriftstellerinnen und Schriftsteller dieser „verschollenen“ Generation wach hält, ist Jörg Mielczarek. Der gelernte Buchhändler, Geschäftsführer eines Verlages in Bonn, veröffentlichte bereits 2011 das Buch „Von Untertanen, Zauberbergen, Menschen ohne Eigenschaften“, in dem er 50 Autoren der Weimarer Republik und deren Werke vorstellt. Nun setzt er diese Arbeit mit einer eigenen Buchreihe fort: Unter dem Reihentitel „Fünf.Zwei.Vier.Neun“ – die 5249 Tage der Weimarer Republik – kommen Schriftsteller jener Literaturepoche zu Wort, deren Stimmen allzu früh verklungen sind, die heute allenfalls noch Fachleuten ein Begriff sein dürften. Jörg Mielczarek will diese Stimmen wieder zum Klingen bringen und einem breiteren Publikum zugänglich machen.

Jörg Mielczarek zu seiner Reihe und dem Band zur Auftakt: 

„Seit einigen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Literatur der Weimarer Republik. Viel Freude macht mir vor allen Dingen die Lektüre der Zeitschriften und Tageszeitungen, die in dieser Zeit erschienen sind. In fast jeder Ausgabe stößt man auf Lyrik, Erzählungen, Novellen und Romane (die in Fortsetzungen erschienen) – und das in einer unglaublichen Qualität.
„Karl und Manci“ fand ich in der CV-Zeitung, der Zeitung des Central Verbands deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Gerade das Schlichte der Novelle zog mich an. Sie erschien niemals in einem Buch – jetzt wird das geändert,“ 

Dass ich dazu ein Nachwort schreiben durfte, freut mich sehr (und macht mich auch stolz). „Karl und Manci“ von Mala Laaser wirkt auf den ersten Blick wie eine „sachliche Romanze“, eine gefällige kleine Liebesgeschichte im Ton der Zeit. Sie ist eine jener Erzählungen, die mit jedem Wiederlesen mehr und mehr gewinnt. Keine Liebesgeschichte mit großen Auftritten, Emotionen und Dramatik – sondern im Stil der Neuen Sachlichkeit, beinahe nüchtern, wird von einer unstandesgemäßen Beziehung zwischen zwei jungen Leuten erzählt. Neben der unterschiedlichen Herkunft erschweren auch die gesellschaftlichen Umstände – die Nöte der Wirtschaftskrise sowie die zunehmende Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung – diese Verbindung.

Die besondere Begabung von Mala Laaser zeigt sich in der gelungenen Darstellung vom „kleinen privaten Glück“ unter schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen: Da werden die Nöte der Zeit offengelegt, ohne dass dadurch das literarische Niveau verlassen wird: Mala Laaser beherrschte bereits in dieser Erzählung einen unsentimentalen Ton, der dieser Erzählung einen besonderen Reiz gibt – eine schlechtere Schriftstellerin hätte dieses Thema „verkitscht“.

Über Mala Laaser selbst konnte ich wenig herausfinden – man müsste die Zeit haben, auf Spurensuche zu gehen und intensiv in den einschlägigen Archiven zu forschen, vielleicht ließen sich dann ihre Lebensdaten rekonstruieren. Sie schrieb zunächst Reportagen, später veröffentlichte sie auch Erzählungen und Gedichte, überwiegend in jüdischen Zeitschriften. In Berlin verkehrte sie unter anderem mit Gertrud Kolmar und Jakob Picard. Mit dem wesentlich älteren Schriftsteller war sie kurzzeitig verlobt. 1939 emigrierte sie nach England – und scheint dort, abgeschnitten von Heimat und Sprache, literarisch verstummt zu sein. Umso erfreulicher ist es, dass Verleger Jörg Mielczarek mit dieser Veröffentlichung ihre Stimme, ihr Talent dem Vergessen entreißt. Es ist wie ein Anruf aus der Vergangenheit, ein Brief aus der Geschichte – in der Hoffnung, dass er nun irgendwo angenommen wird, endlich ankommen wird.

Und nun hoffe ich, dass das Buch viele interessierten Leserinnen und Leser findet – es wäre eine späte Anerkennung einer Schriftstellerin, die ihr offensichtliches Talent niemals ausleben durfte. Informationen hier: https://literaturweimar.blog/ueber-mich/

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

21 Gedanken zu „Mala Laaser: Karl und Manci“

  1. Eine wahre Fundgrube … Sätze § Schätze haben sich mir schon bis ins Gewissen hinein eingemarkert … einfach großartig, was hier geschieht! Ich bin echt erstaunt und verwundert und begeistert, immer wieder. Wenn ich hierin lese, frage ich mich immer gleich, warum habe ich nicht gleich vier Leben parallel, eins zum Stöbern, eins zum Lesen, eins zum Schreiben und eins zum Spazierengehen und Sonstiges. Vielen lieben Dank für die immer wieder vielversprechenden, weil Gewinn bringenden Lesemöglichkeiten, die Du einem hier eröffnest. Allerbeste Grüße. Macht großen Spaß Deine Seite!

  2. Diese Buchreihe ist eine wirklich tolle Idee. Und dass du das Nachwort zum Auftakt-Band geschrieben hast, freut mich sehr, liebe Birgit. Ich finde das sehr passend, so oft, wie du uns auch hier in deinem Blog auf in Vergessenheit geratene AutorInnen aufmerksam machst. Danke und liebe Grüße!

    1. Danke Maren, für diesen lieben Kommentar – ja, Jörg trifft da natürlich mein Interesse an den verschwundenen Autorinnen der Weimarer Republik mit dieser Buchreihe. Ich freue mich einfach sehr und hoffe, dass es für ihn ein verlegerischer Erfolg wird.

  3. Cool, hat es echt geklappt mit dem Crowfundingprojekt. Freut mich, auch für dich, dass du einen Beitrag dazu verfassen durftest. Vielleicht riskiere ich mal einen Blick.

    Liebe Grüße
    Marc

      1. Hallo Birgit,
        dann habe ich das verwechselt und war durch die Zahl irritiert, da das Zeitschriftenprojekt ja genauso genannt wurde 😉

        Gruß
        Marc

      2. Ja, das Zeitschriftenprojekt wurde von Jörg wie die Buchreihe genannt (sollte ja parallel erscheinen). Und, wie unten in den Kommentaren zu lesen ist, hat Jörg das Vorhaben noch nicht aufgegeben, ich hoffe, es kann realisiert werden!
        Einen schönen Sonntag wünscht Birgit

  4. Freue mich über Dein Interesse an dem Projekt, Vera, das nun mit der Novelle „Karl und Manci“ startet. Weitere Bücher folgen, bspw. Erzählungen von Lessie Sachs („Eine Frau gibt Auskunft“), Rudolf Braunes Roman „Das Mädchen an der Orga Privat“, Slings „Tagebuchaufzeichnungen eines Steuerpflichtigen“, Erdmann Graesers Liebeserklärung an Berlin „Der Rhythmus von Berlin“, Joseph Roths Kurzgeschichte „Barbara“ und, und, und … Der zweite Band der Reihe, die Erzählung „Kleinstadt 1928“ von Richard Baumgarten, wird im Juni veröffentlicht.
    Und dann ist ja auch noch die Zeitschrift zu realisieren. Die im letzten Jahr geplante Nullnummer wird auf jeden Fall in diesem Jahr, Anfang Oktober, veröffentlicht. Je nach Erfolg wird es dann auch weitere Ausgaben geben.

  5. Toll, dass Du Dich gerade jetzt den Autoren der Weimarer Republik widmest. Das gibt mir eine gute Grundlage zur Erforschung der Literatur in der von mir übernommenen Bibliothek meines Vaters. Siehe: https://litblogkoeb.wordpress.com/2017/06/12/vatersbuch-ein-projekt-auf-twitter/
    Auch hier stoße ich jeden Tag „… auf Namen, die auftauchen wie aus dem Nichts – und wieder im Nichts verschwinden. “ Werde mir wohl „den Mielczarek“ zulegen, um weiter in die Tiefe vorzustoßen. Gruß, Erika

  6. Das klingt nach dem perfekten Projekt für dich 🙂 Wünsche ganz viel Spaß und ich freue mich weiter darüber zu lesen und das eine oder andere für mich zu entdecken. Schönen Sonntag noch!

Schreibe eine Antwort zu Jörg MielczarekAntwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.