Fritz von Herzmanovsky-Orlando: Der Gaulschreck im Rosennetz

„Der Gaulschreck im Rosennetz“ überwältigt mit skurrilem Humor. So barock wie die Erzählung mutet auch das Leben von Fritz von Herzmanovsky-Orlando an.

Galschreck
Bild: (c) Michael Flötotto

„Nie betrat Eynhuf sein Amt anders, als mit einem Gefühl aus freudigem Stolz und gebührender Ehrfurcht gemischt.“

Fritz von Herzmanovsky-Orlando, „Der Gaulschreck im Rosennetz“


Hofsekretär Jaromir Edler von Eynhuf ist, man merkt es alsbald, ein tumber Tor. Und damit im verschnörkelten Hofstaat des österreichischen Kaisers – die „Wiener Schnurre aus dem modernen Barock“ ist in die Zeit um 1820 angesiedelt – nicht einzigartig. Doch Eynhuf, der seinem Kaiser zum Thronjubiläum eine Kette aus Milchzähnen schenken will, schlägt im Verlauf dieser Posse alle Tumbheits-Rekorde: Auf der Jagd nach dem letzten fehlenden Milchzahn, den er der Opernsängerin Höllteufel, einer wahren femme fatale, entreißen will, erlebt er die skurrilsten Abenteuer. Als Schmetterling verkleidet, sprengt er beinahe einen Ball, verfällt natürlich der aussichtslosen Liebe zur Höllteufelin, lässt Liebestränke brauen, verführt Dienstmädchen und stolpert von einem Fettnäpfchen ins andere. Am Ende alles Malaise, Malaise: Ihm bleibt nur, nachdem er mit dem Milchzahnvorhaben scheitert, sich zu erschießen, das sieht die Konvention vor.

Geplant war eine österreichische Trilogie

Fritz von Herzmanovsky-Orlando (bei einem solchen Namen kann man wahrscheinlich nur völlig verrückte Schnurren schreiben) hatte „Der Gaulschreck im Rosennetz“ als Auftakt zu einer österreichischen Trilogie geplant. Tatsächlich erschien zu seinen Lebzeiten (1877 – 1954) allerdings nur der Gaulschreck anno 1928. Den Adelsspross focht dies, zumindest in finanzieller Hinsicht, nicht weiter an: Reich geboren, musste er seinen Lebtag lang nie einem Brotberuf nachgehen. Er tobte sich mit dem Schreiben skurriler Geschichten aus, zeichnete wie sein enger Freund Alfred Kubin  – auch der Gaulschreck ist mit seinen eigenen, ganz annehmbaren Illustrationen erschienen –, gab sich gerne dem Okkultismus hin und hegte leider auch eine große Sympathie für die Ideologie des Nationalsozialismus.

Insofern ist es wiederum eine eigentümliche Wendung der Literaturgeschichte, dass ausgerechnet der jüdische Schriftsteller Friedrich Torberg 1957 eine Gesamtausgabe der H.-O.-Werke besorgte und den schreibenden Adelssproß damit dem Vergessen entriss. Seither hat der Schriftsteller des Skurril-Fantastischen eine kleine, aber treue Fangemeinde – und daran ändern auch postume Erkenntnisse über seine abwegigen Ansichten nichts.

Abgesehen von diesen Begleitumständen: „Der Gaulschreck im Rosennetz“ ist wirklich nur empfehlenswert für Menschen, die diesen skurrilen Humor teilen und barock-abschweifende Geschichten mögen. In den 1980er-Jahren begann der Residenz Verlag erneut mit einer großen Werkausgabe zu Fritz von Herzmanovsky-Orlando – der Gaulschreck ist dabei in einer schönen Ausgabe mit den Illustrationen wieder erschienen. Im Spiegel erschien dazu ein Portrait dieses Dichters, dessen Leben selbst Stoff für einen skurrilen Roman wäre – über H.-O. hieß es:

„Die Torberg-Ausgabe prägte das Bild des Dichter-Dandys Herzmanovsky – eines spielerischen Connaisseurs versunkener Zeiten, eines Virtuosen sprachlicher Mimikry und lässiger, monströser Boshaftigkeit; ein Nestroy für die gehobenen Stände.“

Der Artikel in voller Länge bei Spiegel Online.

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

11 Gedanken zu „Fritz von Herzmanovsky-Orlando: Der Gaulschreck im Rosennetz“

  1. Du überschüttest uns ja mit Versuchungen, die man am besten an einem langen, nutzlosen Tag in einem Kaffeehaus lesen sollte. Der Herzmanowsky-Orlando ist mir als Vorbild von Herbert Rosendorfer in Erinnerung. Vielleicht sollte ich mich nach dem „Messingherz“ mal an das Original wagen.

      1. Danke für das Füllhorn guter Ideen 😉 Nein, das Messingherz ist inspiriert von H-O und übertragen in das München der 70er-Jahre. Ein erfolgloser Schriftsteller, der auf absurde Weise Agent des BND wird, begleitet von einem Kabinett skurriler Typen. Noch stärker an H.O. erinnert Rosendorfers „Ruinenbaumeister“.

  2. Danke für die Besprechung des „FHO“. Einer meiner Lieblinge, als ich die skurrilen Österreicher zu entdecken und zu schätzen begann. Höchst skurril, aber auch für herzliche Lacher gut, wenn man sich darauf einlässt. Es gibt im übrigen kongeniale Nachfahren, Eugen Egner, Ulrich Holbein, Ror Wolf – um mal einige zu nennen. FHO wurde leider immer unterschätzt bzw. von der Literaturkritik geringgeschätzt. Um so wichtiger, ihn immer wieder mal zum Neuentdecken freizugeben!

    1. Ja, man muss sich einlassen können, aber auch einen Sinn für diese Art der Skurrilität entwickeln – denn das ist z.T. so hanebüchen übertrieben, daran muss man sich evt. erst einmal gewöhnen, wenn man sonst eher „sachliche“ Literatur liest. Gestern hatte ich zufälligerweise einen Zweitausendeins-Band seiner Theaterstücke in einem Oxfam-Laden in der Hand … hab aber noch nicht zugeschlagen…Ror Wolf kenne und mag ich, die anderen beiden sind mir unbekannt – danke für die Tipps!

  3. Leo Perutz ist einer meiner Lieblingsautoren. Interessant, dass er seine eigenen Romane als Bockmist bezeichnete. Ich hab alles von ihm gelesen und kann mich bis heute nicht entscheiden, welcher seiner Romane mir besser gefallen hat. „Der Meister des jüngsten Tages“ ist ein genauso guter Thriller wie „Zwischen neun und neun“. Wenn man einen seiner Romane anfängt, dann liest man ihn in einem Rutsch durch – auch mehrmals. 🙂

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.