#MeinKlassiker (1): Petra und ihr zielstrebiger, rachsüchtiger Hamlet

Petra Gust-Kazakos musste als ausgesprochene Shakespeare-Anhängerin nicht lange überlegen: Ihr Klassiker ist natürlich der Hamlet.

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Bild von Birgit Böllinger auf Pixabay

Dass bei Petra Gust-Kazakos die Klassiker nie zu kurz kamen, stellte sie regelmäßig auf Philea`s Blog regelmäßig unter Beweis. Insbesondere hatte sie ein Herz für Reisende und britische Snobs – da passte ihr größter klassischer Held, den sie in der Reihe #MeinKlassiker vorstellte, gut ins Bild. Petra verlor im April 2020 den Kampf gegen den Krebs. Dieser Beitrag ist auch eine liebevolle Erinnerung an diese kluge, warmherzige Frau.

Petra Gust-Kazakos über ihren Klassiker:

Ich mache jetzt nicht das Fass auf, was ich unter einem Klassiker verstehe oder was man darunter verstehen sollte, ich gehe davon aus, dass das geneigte Lesepublikum von Birgit da selbst gewisse Kriterien zu im Sinn hat. Mein Klassiker ist natürlich nur ein Klassiker von vielen, aber von Shakespeare, einem meiner Favoriten. Außerdem verbinde ich mit Hamlet allerlei Geschichten, weswegen er irgendwie im Laufe von über 25 Jahren zu „meinem“ Klassiker wurde.

Hamlet lernte ich im Studium näher kennen. Die Geschichte ist ja weitgehend bekannt. Auch wenn man weder Original noch Übersetzung je las –  Sein oder Nichtsein, to be or not to be, Schlafen! womöglich zu träumen, etc. – das sind längst geflügelte Worte und Verfilmungen gibt es ja auch etliche.

Prinz Hamlet, Student in Wittenberg (hier witzelte mein Professor einst, in Anspielung auf die altersmäßig gelegentlich unpassenden Besetzungen: Ein ewiger Student), kehrt nach Dänemark zurück. Sein Vater ist tot, ermordet und dies wohl von Hamlets Onkel Claudius, der nun der neue König ist und überdies mit der Witwe tändelt, Gertrude sogar heiratet. Der Geist von Hamlets Vater klärt den Prinzen auf und fordert Rache. Und die will auch Hamlet.

Interessanterweise wurde die Tragödie in einer Interpretationslinie für besonders deutsch gehalten, Hamlet, der melancholische Träumer und große Zauderer – sein oder nicht sein, tu ich’s oder lass ich’s lieber … Das wurde politisch auf die Deutschen übertragen, die ihrerseits zu träge oder unentschlossen für eine Revolution wie die französische gewesen seien und irgendwie sei Hamlet da ganz deutsch. Mehr dazu hier: http://www.zeit.de/1964/18/deutschland-ist-hamlet-ii

Ich finde Hamlet eigentlich recht zielstrebig, wenn er auch nicht sofort auf sein Ziel losprescht, so entwickelt er doch einen Plan, um den Mörder seines Vaters zu überführen, geht dabei recht unbekümmert über Leichen, spielt den Narren, stellt sich dumm und alles nur der Rache wegen. Selbst seine Liebste, Ophelia, weiht er nicht ein und nimmt ihr Leid, ihren Tod damit implizit in Kauf. Und der Rest ist Schweigen.

Ein blutiges, rachsüchtiges mitleidloses Drama, bei dem es keine Sieger gibt. Die Wahrheit mag ans Licht gekommen sein, doch der Preis! Verrat, Mord, fast alle tot – meine Güte! Und dabei so spannend wie ein Pageturner.

Meine erste Hamlet-Verfilmung war die mit Mel Gibson, die ich gar nicht übel fand. Meine zweite eine russische, in der Hamlet irritierender-, aber logischerweise „Gamlet“ hieß. Die Sichtung der russischen Version geschah absichtslos. Eigentlich waren wir ins Kino gegangen, um die lang verschollene Othello-Version mit Orson Welles zu sehen, die allerdings an jenem Abend erneut verschollen ward, weswegen man dem Shakespeare-geneigten Publikum den Gamlet zeigte. Meine dritte Verfilmung war recht modern, statt um ein Königsreich ging es um einen Konzern, Ethan Hawke gab den Hamlet. Diese Fassung gefiel mir fast am besten, obwohl ich Modernisierungen eigentlich schon grandioser Stücke nicht immer nötig finde.

Die Tragödie im Original zu lesen, ist – wenn es möglich ist – ein Genuss. Den wollte ich auch meinem Liebsten aufschwatzen, doch ich hatte nicht bedacht, dass das elisabethanische Englisch von heute aus gesehen ein bisschen speziell ist. Mit dem Kommentar „zu viel thou, thee, thine“ erhielt ich meinen zerlesenen Hamlet zurück. Interessanterweise hatte mein Liebster mit den Filmen im englischen Original kein Problem. Aber Stücke zu lesen ist ja auch nicht jedermanns Fall, der ständige Wechsel – er so, sie so – das liest sich anfangs etwas stockender als ein Roman.

Diese und viele weitere persönliche Geschichtchen und Anekdötchen um diesen Klassiker haben Hamlet zu „meinem“ Klassiker gemacht.

Petra Gust-Kazakos

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

22 Gedanken zu „#MeinKlassiker (1): Petra und ihr zielstrebiger, rachsüchtiger Hamlet“

      1. Dear Petra I read through my dictionärie für Hamlet für Serienjunkies, but I could not find your zitat, I guess, you have it erfunden 🙂 But thank thou throtzdem 🙂
        jetzt im Ernst – ein toller Beitrag. Und ich habe gerade gegoogelt, welche der Hamlet-Verfilmungen ich bisher gesehen habe (es ist ja offenbar das meistverfilmte von Shakesbiers Stücken). Nun ja, der Stummfilm mit Asta Nielsen ist sicher nicht jedermanns Sache … und Laurence Olivier sowie Kenneth Branagh spielen halt immer irgendwie Laurence Olivier und Kenneth Branagh. Mel Gibson fand ich auch überraschend gut in der Rolle, hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Aber die moderne Shakespeare-Verfilmung, die mir am besten gefällt (von denen, die ich gesehen habe), ist Richard III von Richard Loncraine – das ist so durchgedreht-genial.

      2. You have always such super ideas! Let’s think about this. It should contain lots of love (shall I compare thee to a winter’s evening), murder (is this a revolver I see in front of me … with a Schalldämpfer even?), kings and queens, maybe animals (a Königreich for a cat) …

    1. Ethan Hawke, ganz eindeutig. Ihm nehme ich die Virilität, die Melancholie, das Grüblerische, gleichzeitig aber auch Aufrührerische, das Quecksilberhafte seines Intellekts am meisten ab. Außerdem kommt er jung, unverbraucht und modern daher. Branagh spielt nur sich selbst, Olivier ist zu alt, Gibson zu prätentios. Es gibt da einige britische Inszenierungen, vor allem durch die Royal Shakespeare Company. Da kann ich die Hamlet Inszenierung für das Fernsehen mit David Tennant in der Titelrolle wärmstens empfehlen.

  1. Das nenn ich einen Auftakt, ganz schön hoch gelegt die Latte, toller Artikel 🙂 Ich liebe Shakespeare und 2016 ist tatsächlich das bisher erste Jahr in dem ich es nicht geschafft habe ein Stück von ihm zu sehen oder zu lesen. Gerade mal die Verfilmung von der Sturm mit Helen Mirren als Prospera habe ich gesehen, die hat aber einiges wett gemacht. Kann ich sehr empfehlen: https://www.youtube.com/watch?v=KOOdxnv4Ik8

    Und die Hogarth Shakespeare retold Serie mag ich, nur ein Hamlet ist bislang glaube ich noch nicht dabei. Kann ja noch kommen 🙂
    http://www.penguinrandomhouse.com/series/HSR/hogarth-shakespeare

  2. Glückwunsch an Petra und Birgit für den gelungenen Start und zu diesem Projekt. Bei den Verfilmungen kann ich noch die Filme mit Laurence Olivier aus den 40´er Jahren und natürlich die längste Hamlet-Verfilmung (4 Stunden) von Kenneth Branagh empfehlen. Da ich auch ein Fan von Klassikern bin, freue ich mich auf weitere Veröffentlichungen. Denn wie schrieb Shakespeare: „Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt“. In diesem Sinne auf noch viele weitere Veröffentlichungen.
    Liebe Grüße,
    Stefan

    1. Lieber Stefan,
      die beiden Verfilmungen sind toll – allerdings sind mir die beiden Hauptdarsteller (die jeweils auch Regie hatten) zu sehr „sie selber“ – bei Branagh ging das soweit, dass ich mir irgendwann nicht mehr vorstellen konnte, dass er etwas anderes als einen Shakespeare-Helden spielt…
      Jedenfalls freue ich mich, dass Dir die Reihe ebenfalls zusagt – und ja, Petra hat da wirklich für einen sehr gelungenen Start gesorgt!

  3. Hamlet als Auftakt ist standesgemäß. Ich habe Hamlet in der Schule zum Thema Tod gelesen und das Stück sehr gemocht. Es hat einfach alles, was man braucht: Intrigen, Kampf, Drama und ganz viel Tragik.

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