Thomas Hettche: Pfaueninsel

Die Preußenherrscher wollten hier ihr eigenes Arkadien schaffen: Das künstliche Paradies erforderte seinen Preis, wie Thomas Hettche aufzeigt.

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Bild von Lutz Holzapfel auf Pixabay

Die Preußenherrscher wollten hier ihr eigenes Arkadien schaffen: Auf der Pfaueninsel im Wannsee. Abseits von Berlin sollte für die Friedrich Wilhelms ein Rückzugsort entstehen, eine Idylle. Das künstliche Paradies erforderte seinen Preis, wie Thomas Hettche in seinem wunderbaren Roman aufzeigt.

Hier, auf der Pfaueninsel, diesem kaum anderthalb Kilometer langen Eiland, gibt Hettche auch der kleinwüchsigen Marie und ihrem zwergenhaften Bruder eine Heimat: Sie gehören mit zum lebenden Inventar der Insel, sind Teil einer Kuriositätensammlung, bestehend aus Menschen und Tieren, Exponate einer Menagerie. Zugleich erzählt das Buch von einer unerfüllbaren Liebe:  Marie, die Zwergin und Gustav, der Neffe des Hofgärtners, kennen sich aus Kindheitstagen, berühren sich, lieben sich. Doch Gustav, der im Schlepptau von Peter Joseph Lenné Karriere als Gartenkünstler macht, entfernt sich immer weiter von Marie – ihre Fehlbildung in seinen Augen ein Fehler der Natur, etwas, das nicht sein soll, nicht sein darf in seinem Leben.

Das Buch, dessen Sprache in einem zeitentrückten, beinahe altmodischen Stil gehalten ist, erzählt von fehlgeleitetem Ehrgeiz: „Die Natur“ lässt sich nur bedingt gestalten. Das Palmenhaus brennt ab, die Tiere gehen ein, der künstlich angelegte Park stirbt. Die Natur erobert sich ihr Terrain zurück.

Die Pfaueninsel steht bereit seit 1924 unter Naturschutz. Inzwischen gehört sie zum UNESCO-Kulturerbe. Und vermittelt immer noch, trotz anhaltender Besucherströme, einen Hauch Magie.


Bibliographische Angaben:

Thomas Hettche
Pfaueninsel
Kiepenheuer & Witsch, 2014
ISBN: 978-3-462-04599-4

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

21 Gedanken zu „Thomas Hettche: Pfaueninsel“

  1. Das Buch steht schon ewig auf meiner Leseliste – danke für die Erinnerung: Jetzt wird’s Zeit 🙂
    Und Danke natürlich auch für die schönen Fotos – am besten gefällt mir das vorletzte (mit dem Brunnen) – das wirkt so herrlich urwald-mäßig.

  2. Irgendwann wurde es als Hör-Buch im Radio ausgestrahlt, daher kenn ich das. Die Sprache ist wirklich bemerkenswert und zeichnet diese Landschaft und die angedeuteten Arabesken auf den Gebäuden wunderbar nach. Aber es ist ein Unterschied, die Insel in konkreten Bilder zu sehen. Macht Spaß und Sehnsucht. Und mein Lieblingsbild ist das letzte, mit der Eichel aus Stein.

      1. Ein Glück gibt es diese Möglichkeit und ein Glück hat der Roman diese eindeutige Ortszuweisung. Das ist eine tolle Anregung mal an die Orte zu reisen, eben nicht nur auf den Seiten der Bücher. Ich denk mal drüber nach.

      1. Schuld entsteht ja nur da, wo Menschen sind. Doch müssen die sich erstmal begegnen – und erkennen. Mit dem Apfel erst die Schuld. Doch, bevor ich mich in Kierkegaard verliere, wofür mir die Zeit fehlt, breche ich an DIESER Stelle ab……….

  3. Gerade habe ich den Roman ausgelesen, liebe Birgit, und extra erst danach deinen Beitrag. Schön, die Fotos, doch die Bilder der längst vergangenen Pracht, die Hettche vor dem inneren Auge erstehen lässt – und so viele verschiedene, im Laufe der Entwicklungen und Veränderungen – die müsste man als Kupferstiche sehen können … Vielleicht coloriert, vielleicht Daguerreotypien …

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