#VerschämteLektüren (3): Die Perlengazelle und die literarische Unzüchtigkeit

Die „Perlengazelle“ überrascht bei den verschämten Lektüren mit einem Roman, den ein australischer Minister einst als „Müll“ deklarierte.

windsor-castle-709163_1920-1024x577
Ziemlich unzüchtig ging es bisweilen zu hinter den königlichen Mauern – hier ein Bild von Windsor Castle. Bild von A. H. auf Pixabay

Unter dem Namen „Perlengazelle“ vermutet man zunächst ganz Feines, Schöngeistiges, Ätherisches…Tja, so kann ein Name täuschen – denn die Gazelle hat es faustdick hinter den Ohren, wenn ich das mal so postulieren darf. Das zeigt ihre verschämte Lektüre…aber dazu gleich mehr.

Marion alias Perlengazelle betreibt ihren Blog „gazelleblockt“ seit 2011. Ein Schatzkästchen mit lyrischen Schätzen, Eindrücken aus Büchern, Buchvorstellungen, Zitaten und vieles mehr rund um die Literatur und das Leben. So stellt sie sich selbst vor:

„Ich komme: aussem Pott. Ich bin: eine Rechenknechtin, Erbsenzählerin, Randfichte, Sitzriesin, Heinzelmännin. Ich mag: Woody Allen, Mascha Kaléko, Rilke, Siri Hustvedt, Vilhelm Hammershøi, Hannes Wader, Ludwig Hirsch, Kimmo Joentaa, Professor Boerne, Meryl Streep, Dr. Eddie „Fitz“ Fitzgerald, Walt Kowalski, den Ruhrpott-Humor, lesen, schreiben, rechnen, Föhr, Kaffee, Katzen … … und … und … und …“

Und ihre verschämte Lektüre? Unzüchtig! Und auf dem Index! Ja, da schau her:

„Die Idee zu #VerschämteLektüren hat bei mir Erinnerungen an längst (zu Recht) vergessen geglaubte Bücher geweckt. Ganz tief im Bücherschrank meiner Eltern finde ich mich auf einmal wieder. Zwischen den Bertelsmann- Buchausgaben gibt es eine Fülle von Schinken. Die meisten habe ich jüngst aus Platzmangel entsorgt. Schade eigentlich.

Ein ganz gewichtiger von über 800 Seiten darunter: „Amber“ von Kathleen Winsor – ein Roman, der im England des 17. Jahrhunderts spielt.  Er erzählt die Geschichte des Waisenkindes  Amber St. Clare, die sich auf ihrem Weg nach oben durch die Reihen der Gesellschaft bis an den englischen Königshof hochschläft, während sie einen Mann liebt, den sie nie haben wird. Achgottachgottachgott, Scarlett O´Hara lässt grüßen. Tatsächlich wurde „Vom Winde Verweht“ ein paar Jahre früher geschrieben.

Höchst unanständig, aber doch sehr aufregend fand ich als Jugendliche diese Amber, die sich mit 16 diesem Bruce Carlton an den Hals wirft, der ihr zwar ein Kind macht, aber gar nicht daran denkt, sie zu heiraten. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege, sie pflegt ihn aufopferungsvoll, als er die Pest bekommt, immer wieder macht sie sich Hoffnung, vergeblich.

Geboten werden 70 Stellen mit Geschlechtsverkehr, 39 uneheliche Schwangerschaften, 7 Abtreibungen und 10 Beschreibungen von Frauen, die sich vor Männern ausziehen. In einigen US-Staaten wurde es verboten.

Der australische Minister für Zoll, Senator Keane, sagte 1945: „Der Allmächtige hat nicht den Menschen die Augen gegeben, damit sie diesen Müll lesen.“ Es kam ebenso auf den Index. Die katholische Kirche geißelte es als Unzucht.

Folgerichtig war „Amber“ das meistverkaufte US-Buch der 40er Jahre. Qed.

Direktemang führte mich Amber zu D. H. Lawrence, „Lady Chatterley“. Stand in der zweiten Reihe im Bücherschrank. Das gehört aber nicht hier hin.“

Und hier geht es zum Blog der Perlengazelle: http://gazelleblockt.wordpress.com/

Weitere Geständnisse zu #VerschämteLektüren dürfen gerne hier abgelegt werden: b.boellinger@gmx.de.

Autor: Birgit Böllinger

Büro für Text&Literatur: Pressearbeit für Verlage, Autorinnen und Autoren, Literatureinrichtungen

15 Gedanken zu „#VerschämteLektüren (3): Die Perlengazelle und die literarische Unzüchtigkeit“

    1. Guten Morgen,
      ja, das sind schon Fragen, die dieses Buch aufwirft. Ich hoffe, die Perlengazelle verrät sie uns…(weil, unter uns: diese herrlich trocken geschriebene Sündenauflistung hat mich sehr amüsiert, aber lesen müssen will ich das Buch glaube ich nicht – lieber mehr von der Gazelle). 🙂

  1. Wie gut, dass die Frage danach, ob sich die Aufzählung von Schwangerschaften und Geschlechtsakten auf EINE Frau bezieht, bereits angesprochen wurde – ich hätte sonst schwer über das körperliche Pensum der Frauen in den 40ern gestaunt und mich gefragt, wie ich in meiner verbleibenden Lebenszeit da bitteschön noch aufholen soll… Herrlich! Viele Grüße, gezeichnet: ein großer Fan von #VERSCHÄMTELEKTÜREN 🙂

    1. Liebe Fänin,
      vielleicht fällt ja auch Dir noch was ein aus Deinem literarischem Giftschrank?
      Ja, und wir alle harren auf die Aufklärung durch die Perlengazelle, die uns hoffentlich noch mitteilt, wie Amber mit ihrem schweißtreibenden Leben fertigwurde…:-)

      1. Ich habe wirklich schon tief gekramt, aber ich bin eine ziemlich schamfreie Leserin und stelle fest, meine verschämten Lieblinge finden sich eher im Fernsehen und im CD-Regal. Aber ich suche noch weiter – bin noch nicht vollends durchs Regaldickicht gedrungen… 😉

      2. Falls Du nicht fündig wirst – ich bin da auch großzügig und akzeptiere Hörbücher, Filme zum Buch und meinetwegen auch Soundtracks zum Film zum Buch. Alles, außer „Schokolade zum Frühstück“ 🙂

  2. Eijeijeijei, was für ein ein saftiges Cover hast du da rausgekramt, Birgit. Meine Ausgabe war in ganz züchtiges blaues Leinen gebunden. 🙂

    Tja, die Frage, die hier alle so beschäftigt: was blieb einem armen Waisenkind in jener Zeit denn anderes übrig, als seinen Körper mit seinen … ähm … hervorragenden Eigenschaften mit aller Kraft einzusetzen, wenn es denn etwas werden wollte. Da hieß es dann: Augen zu und durch, bzw an England denken. Von nix kommt nix.

    Winsor selbst sah (laut wiki) ihr Buch nicht als besonders „gewagt“ an, und verneinte ein Interesse an ausdrücklichen Sex-Szenen. „Ich habe nur zwei Sex-Szenen geschrieben“, bemerkte sie, „und mein Verlag strich sie beide“. Naja, die Toleranzgrenze liegt ja bei jedem anders. Aber natürlich frage ich mich nun, was denn nun diese gestrichenen Szenen beinhalteten, wenn schon die vorhandenen einen Sturm im Wasserglas verursachten. 😉

    Und zu Rhett …äh Bruce Carlton: wie alle Männer (höhöhö) genoss er die Dame gern, aber zum Heiraten war sie nicht standesgemäß genug. Die Pest hat er übrigens überlebt und eine andere geheiratet. Undankbarer Kerl! Aber so sindse, die Männer! Was Amber nicht abhielt, ihm fleißig hinterher zu reiten oder fahren. Schließlich: „Morgen ist auch noch ein Tag!“

    Hihi, ich hoffe, dass sich nicht einige Herren bemüßigt fühlen, auf meinem blog nach Saftigkeiten zu stöbern und Kontakt zu suchen. Denen sei hiermit gesagt: „Bitte! Ruft! Mich! Nicht!! An!“ 🙂

    1. Liebe Perlengazelle,
      normalerweise müsste man so einem Kerl wie Bruce ja die Pest an den Hals wünschten – aber nicht mal das bringt was 🙂 Danke für die erklärenden Erläuterungen und weitere höhöhö-Effekte 🙂
      Danke für das Lob der Bildauswahl…ja, DAS Cover springt einen förmlich an.
      Und gut, dass Du Deinen letzten Zusatz bringst…das war so meine insgeheime Befürchtung, dass da vielleicht der eine oder andere Bruce sich aufgefordert fühlen könnte, hier oder bei Dir Scharm zu versprühen..Deswegen schließe ich mich Deinem Aufruf zum Nicht-Anruf gerne und vorsorglich an 🙂

  3. Hat dies auf gazelleblockt rebloggt und kommentierte:
    Birgit von Sätze&Schätze hat es geschafft, mich meiner tiefsten lesesünden zu erinnern und sie auch noch öffentlich zu machen. Ganz tief aus dem Büchergiftschrank habe ich Schlüpfriges hervorgeholt. Jawoll, ich habe mich getraut. Friseurbücher nenne ich diese Dinger. Genau wie die Regenbogenpostillen, die man nur beim Friseur liest, aber selbst nienienie kaufen würde. Und doch werden sie zu Hundertausenden erworben, wie folgendes.

      1. Oh, ja bitte! Darauf freue ich mich schon 🙂
        Übrigens: Wunderbare neue Reihe. Zweit ganz tolle Beiträge. Großartige Diskussion hier unten 😉
        Wünsche euch weiterhin viel Inspiration!

Schreibe eine Antwort zu perlengazelleAntwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.